OGH 9ObA138/92

OGH9ObA138/922.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Erich Deutsch und Mag.Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** E*****, Bauhelfer, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei D***** Bauges.m.b.H., ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen Feststellung (Streitwert S 60.000), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20.März 1992, GZ 33 Ra 79/91-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26.Februar 1991, GZ 12 Cga 141/90-9, und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß er in der Zeit vom 3. September 1979 bis 23.Februar 1990 in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis zur beklagten Partei gestanden sei. Auf sein Arbeitsverhältnis seien die Bestimmungen des BUAG anzuwenden. Nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses habe der Kläger der Urlaubskarte entnommen, daß die beklagte Partei während des gegenständlichen Zeitraumes immer wieder kurzfristige Unterbrechungen eingetragen habe, ohne daß das Arbeitsverhältnis tatsächlich unterbrochen worden sei. Einer Auskunft der Wiener Gebietskrankenkasse habe er entnommen, daß die beklagte Partei wiederholt Abmeldungen und Wiederanmeldungen vorgenommen habe. Das Feststellungsbegehren sei berechtigt, weil die Unterbrechungen für seinen Anspruch auf Abfertigung nach dem BUAG anspruchsvernichtend wären.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Arbeitsverhältnis sei jeweils durch Austritt des Klägers oder Kündigung durch die beklagte Partei beendet worden. Dem Kläger sei bereits im Jahre 1988 eine Aufstellung über sämtliche Dienstzeiten mit sämtlichen Unterbrechungen übergeben worden, weil er diese Unterlagen für die Erlangung eines Befreiungsscheines benötigt habe. Im übrigen sei das Begehren des Klägers nach § 14 des Kollektivvertrages für die Bauindustrie und das Baugewerbe (im folgenden: KV) verjährt, weil das Arbeitsverhältnis am 23.Februar 1990 geendet habe, die Klage aber erst am 20.August 1990 bei Gericht eingelangt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte im wesentlichen fest, daß der Kläger ab Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 23. Februar 1990 bis zur Einbringung der Klage keine Forderungen gegen die beklagte Partei geltend gemacht habe. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß gemäß § 14 Abs. 3 KV Forderungen jeglicher Art spätestens binnen drei Monaten nach Lösung des Arbeitsverhältnisses beim Arbeitgeber geltend gemacht werden müßten; lediglich wenn es sich um einen gesetzlichen Abfertigungsanspruch handle, betrage die Frist 5 Monate. Selbst wenn man für den vorliegenden, für die Abfertigung relevanten Feststellungsanspruch von einer Ausschlußfrist von 5 Monaten ausgehe, sei sie vor Klagseinbringung abgelaufen.

Aus Anlaß der Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht das Ersturteil und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteige und vertrat die Rechtsauffassung, daß die vorliegende Feststellungsklage nur der Ermittlung von Arbeitszeiten diene, die für die von der Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungskasse (im folgenden:BUAK) auszuzahlende Abfertigung relevant seien. Die BUAK habe aber bei Zweifeln über die Richtigkeit der Meldungen des Arbeitgebers ein Verfahren gemäß § 25 Abs. 2 BUAG einzuleiten. Werde ein derartiges Verfahren nicht durchgeführt, müsse der Arbeitnehmer den Fehlbetrag gegen die BUAK beim Arbeits- und Sozialgericht einklagen. Eine Klage des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Entrichtung der gebührenden Zuschläge an die Urlaubskasse sei nicht zulässig. Mit seiner Feststellungsklage strebe der Kläger die Lösung einer ausschließlich für eine dem Verwaltungsverfahren vorbehaltene Entscheidung maßgeblichen Vorfrage an; dafür sei der Rechtsweg nicht zulässig.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, ihn aufzuheben und dem Berufungsgericht eine Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen.

Die beklagte Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist die Natur des erhobenen Anspruches zu prüfen. Es kommt darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben. Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses in einem bestimmten Zeitraum fallen als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis gemäß § 50 Abs. 1 Z 1 ASGG in die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes, auch wenn die im gerichtlichen Verfahren als Hauptsache zu lösende Frage des Bestehens des Arbeitsverhältnisses im Verwaltungsverfahren eine gemäß § 38 AVG zu beurteilende Vorfrage bilden sollte. In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen,

daß die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung ARD 4.165/6 (= SZ

63/17 = Arb. 10.853) ein vom Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber

erhobenes Begehren auf Abführung von Lohnzuschlägen an die BUAK und damit nicht bloß eine im Rahmen der Beurteilung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beitragsleistung zu lösende bürgerlich-rechtliche Vorfrage betraf; dieses Begehren zielte vielmehr auf die gemäß §§ 22 Abs. 5 iVm 25 Abs. 3 bis 5 BUAG der Verwaltungsbehörde obliegende Entscheidung über die Beitragspflicht des Arbeitgebers gegenüber der BUAK ab. Dasselbe gilt für den im öffentlichen Recht begründeten und von den Verwaltungsbehörden durch Strafdrohung zu erzwingenden Anspruch des Arbeitnehmers auf Ausstellung einer (richtigen) Arbeitgeberbestätigung nach § 46 Abs. 4 ALVG (siehe SZ 61/214 = Arb 10.756; RdW 1990, 414).

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist daher für das vorliegende, auf Feststellung der tatsächlichen Dauer eines in der Vergangenheit beendeten Arbeitsverhältnisses gerichtete Begehren der Rechtsweg zulässig.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß die Frage, wofür der Kläger die begehrte Feststellung benötigt, lediglich im Rahmen der amtswegigen Prüfung (siehe Fasching ZPR2 Rz 1102) des rechtlichen Interesses des Klägers an der begehrten Feststellung von Bedeutung sein könnte. Wie der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen Arb 8.680, 8.869 und 9 Ob A 140/87 ausgesprochen hat, ist das rechtliche Interesse an der Feststellung der tatsächlichen Dauer eines in der Vergangenheit beendeten Arbeitsverhältnisses schon im Hinblick auf sozialversicherungsrechtliche Belange zu bejahen. Hiebei ist es eine von den Gerichten nicht zu entscheidende Frage, welche Schlüsse die Verwaltungsbehörde aus der arbeitsgerichtlichen Entscheidung für das öffentlich-rechtliche Versicherungsverhältnis ziehen wird, so daß in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde nicht eingegriffen wird (siehe insbesondere Arb. 8.869).

Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben und dem Berufungsgericht eine neue Entscheidung über die Berufung des Klägers unter Abstandnahme von dem gebrauchten Aufhebungs- und Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Abschließend ist zur Vermeidung weiterer Verzögerungen zu bemerken, daß unter "Ansprüchen" und "Forderungen" im Sinne der Verfallsbestimmung des § 14 KV nur Ansprüche auf Geld- oder Sachleistungen aus dem Arbeitsverhältnis zu verstehen sind, nicht aber andere Ansprüche, wie etwa der auf Feststellung der tatsächlichen Dauer des beendeten Arbeitsverhältnisses.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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