OGH 9ObA133/91

OGH9ObA133/9110.7.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Alfred Mayer und Otto Schmitz in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1.) H***** E*****,

  1. 2.) G***** E*****, 3.) F***** S*****, 4.) G***** K***** und
  2. 5.) H***** S*****, sämtliche Dienstnehmer und Mitglieder (Ersatzmitglieder) des Betriebsrates der ***** Gebietskrankenkasse, vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei ***** Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, *****, vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen Feststellung (Streitwert S 300.000,--), infolge Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.April 1991, GZ 12 Ra 24/91-15, womit infolge Berufung der Kläger das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 21.November 1990, GZ 18 Cga 204/90-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 15.309,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 2.551,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Mitglieder (bzw Ersatzmitglieder) des Betriebsrates der Beklagten. Im Sommer 1990 verfaßte die Namensliste E*****, deren Listenführer der Erstkläger ist, ein Rundschreiben, das an alle Arbeitnehmer verteilt wurde. In diesem wurde die Vermutung aufgestellt, daß die Beklagte bei der Vergabe eines Abteilungsleiterpostens nicht objektiv vorgehe. Daraufhin kam es zu einer Besprechung zwischen der Direktion und Mitgliedern des Betriebsrates. Auf Grund dieser Besprechung erließ die Beklagte folgende (in Punkt 2. auf Grund des Schreibens des Klagevertreters vom 1.8.1990 mit Antwortschreiben vom 7.8.1990 geänderte) Dienstanweisung:

1.) Fraktionelle Tätigkeiten zu Lasten der Gebietskrankenkasse sind untersagt. Dies gilt insbesondere für die Herstellung und Verbreitung von Rundschreiben auf Kosten der ***** Gebietskrankenkasse.

2.) Jedes Betriebsratsmitglied hat die Direktion im Dienstweg mit dem hiefür vorgesehenen Formular zeitgerecht zu informieren und die Gründe der Arbeitsversäumnis und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 116 ArbVG ausreichend darzulegen.

3.) Bei ganztägigen Dienstfreistellungen zur Ausübung des Mandates als Betriebsrat ist dem Gleitzeitkonto die tägliche Normalarbeitszeit (7,75 Stunden) gutzuschreiben.

Erst nach der Einbringung der Klage änderte die Beklagte mit Schreiben vom 18.9.1990 die Dienstanweisung auch im Punkt 1.) wie folgt ab:

"1.) Fraktionelle Tätigkeiten zu Lasten der ***** Gebietskrankenkasse sind untersagt. Dies bezieht sich auf die Herstellung und Verbreitung von Rundschreiben sowie die Abhaltung von Besprechungen hierüber während der Dienstzeit."

Bei der Beklagten besteht folgende Gleitzeitregelung: Allfällige Überstunden, die an einem Tag geleistet werden, werden in den folgenden Tagen wieder ausgeglichen. Es wird von einer Monatsarbeitszeit, der sogenannten Sollzeit, ausgegangen. Diese ergibt sich aus der Anzahl der Arbeitstage und einer täglichen Arbeitszeit von 7,75 Stunden. Zulässig ist eine Differenz von zehn Stunden nach oben oder unten pro Monat. Wenn der Dienstnehmer zehn Stunden über die Sollzeit geleistet hat, kann er diese im Folgemonat durch ein Minus an Arbeit ausgleichen. Hat er zehn Stunden weniger geleistet, muß er dies im nächsten Monat einarbeiten. Überstunden werden nur gesondert entlohnt, wenn sie auf Anweisung der Direktion der Beklagten erbracht worden sind.

Die Kläger begehren die Feststellung, daß die von der Beklagten erlassene Dienstanweisung (bezügliche Punkt 2.) in der Endfassung vom 7.2.1990) rechtsunwirksam sei. Die Beklagte greife damit unzulässig in arbeitsverfassungsgesetzlich garantierte Rechte der Betriebsratsmitglieder ein. Die Beklagte habe durch langjährige betriebliche Übung anerkannt, daß sich ein Betriebsratsmitglied, das zur Ausübung seines Mandates Freizeit benötige, nur mündlich bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten abmelden müsse, so daß die nunmehr eingeführte Formvorschrift für das Ansuchen um Freizeitgewährung, die Mandatsausübung übermäßig erschwere. Auch bezüglich der Abgeltung der gewährten Freizeit habe jahrzehntelang die Übung bestanden, daß den von der Arbeitsleistung ganztägig freigestellten Betriebsratsmitgliedern auf ihrem Gleitzeitkonto eine Arbeitszeit von zehn Stunden gutgeschrieben werde.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die beanstandete Dienstanweisung stehe mit den Vorschriften des Arbeitsverfassungsgesetzes in Einklang. Die "fraktionelle Tätigkeit" sei keine Betriebsratstätigkeit im Sinne des Arbeitsverfassungsgesetzes. Ein Verbot oder eine Behinderung von Sitzungen des Betriebsrates sei nie erfolgt. Die Abfassung von Rundschreiben werde durch die Beklagten nicht untersagt; das Verbot beziehe sich nur auf die Herstellung und Verbreitung der Rundschreiben auf Kosten der Beklagten. Den Klägern stehe es selbstverständlich frei, fraktionelle Rundschreiben abzufassen. Die Verpflichtung zur Beistellung von Sacherfordernissen gegenüber dem Betriebsrat gemäß § 72 ArbVG werde nicht in Zweifel gezogen. Gegenüber den einzelen Fraktionen bestehe aber eine solche Verpflichtung nicht. Punkt 2.) der Dienstanweisung widerspreche § 116 ArbVG nicht. Mit der Gutschrift von zehn Stunden pro Tag würden Betriebsratsmitglieder im Hinblick auf die bestehende Gleitzeitregelung bessergestellt als andere Dienstnehmer.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Den Klägern komme auch als einzelnen Mitgliedern des Betriebsrates ein Klagerecht zu, soweit betriebsverfassungsrechtliche Befugnisse berührt würden. Das von der Beklagten erlassene Schreiben sei als Dienstanweisung anzusehen. Diese enthalte eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, die unmittelbar in die Rechtsstellung der betroffenen Arbeitnehmer als Betriebsratsmitglieder eingreife. Darauf, daß diese Dienstanweisung einer betrieblichen Übung widerspreche, könnten sich die Kläger als Mitglieder des Betriebsrates nicht berufen, da insofern zwischen ihnen und dem Arbeitgeber kein Vertragsverhältnis, sondern nur eine Rechtsbeziehung auf Grund des Arbeitsverfassungsgesetzes bestehe. Den Vorschriften des Arbeitsverfassungsgesetzes widerspreche aber die Dienstanweisung nicht.

Fraktionen des Betriebsrates seien weder gesetzlich noch kollektivvertraglich geregelt oder vorgesehen; es komme ihnen keine Organstellung zu, sie seien mit dem Betriebsrat nicht gleichzusetzen. Tätigkeiten in den Fraktionen seien keine gesetzlich vorgesehenen Tätigkeiten des Betriebsrates. Soweit mit fraktionellen Tätigkeiten solche gemeint seien, die Gruppen innerhalb des Betriebsrates mit verschiedenen Interessenlagen ausübten, sei die Dienstanweisung wirksam, da das Arbeitsverfassungsgesetz und die DOA nur Tätigkeiten des Betriebsrates als ganzes regle. Die Kläger verstünden unter fraktioneller Tätigkeit (Teil-)tätigkeiten des Betriebsrates, doch entspreche dieses Verständnis nicht den Ausführungen der Beklagten in der Dienstanweisung, die Fraktionstätigkeiten nur zu ihren Lasten untersage. Im Einzelfall werde abzuwägen sein, ob es sich bei der einzelnen Tätigkeit um die Tätigkeit des Betriebsrates oder um die eines Mitgliedes des Betriebsrates in dessen Auftrag handle; Überschneidungen seien nicht zu vermeiden. Der Betriebsinhaber müsse die ihm gesetzlich angelasteten Kosten der Tätigkeit des Betriebsrates tragen, nicht aber die Kosten fraktioneller Tätigkeiten, weil er dann auch den Wahlkampf für die Wahl des Betriebsrates finanzieren müßte. Punkt 2.) der Dienstanweisung widerspreche den §§ 39, 116 ArbVG nicht. Damit der Betriebsinhaber seiner Pflicht zur Freizeitgewährung nachkommen könne, habe das Betriebsratsmitglied um die Gewährung der Freizeit anzusuchen, indem es den Betriebsinhaber zumindest in groben Umrissen den Grund und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsversäumnisse bekanntgebe. Auf Grund seines Direktionsrechts sei der Arbeitgeber befugt, für die Inanspruchnahme der Freizeit die Ausfüllung eines bestimmte Formblattes anzuordnen.

Nach § 116 ArbVG gebühre dem Betriebsratsmitglied jenes Entgelt, das er ohne Freistellung bezogen hätte. Auf Grund der Gleitzeitregelung bei der Beklagten ergebe sich nur eine Verschiebung der Monatsarbeitszeit. Da ausschließlich solche Überstunden gesondert entlohnt würden, die auf Anweisung der Direktion der Beklagten erbracht wurden, könne dem Betriebsratsmitglied mangels einer solchen Anordnung nur die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von 7,75 Stunden gutgeschrieben werden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000,-- S übersteige.

Das Berufungsgericht führte zum Verbot "fraktioneller Tätigkeiten zu Lasten der Beklagten" aus, daß das Arbeitsverfassungsrecht - anders als etwa im parlamentarischen Bereich - einer Fraktion keine Rechte und schon gar nicht Rechtspersönlichkeit zuerkenne. Die Rechte einer Fraktion seien nichts anderes als die Summe der Rechte der ihr angehörenden Betriebsratsmitglieder. Die Bestimmung des § 72 ArbVG verpflichte den Betriebsinhaber jedoch nur, dem Betriebsrat, nicht aber dem einzelnen Betriebsratsmitglied gewisse Sacherfordernisse in natura zur Verfügung zu stellen. Für die Auslagen von Betriebsratsmitgliedern habe der Betriebsinhaber nicht aufzukommen. Er müsse die Tätigkeit einzelner oder mehrerer fraktionell zusammengeschlossener Mitglieder des Betriebsrates nicht durch die Beistellung von Kanzlei- oder Geschäftserfordernissen unterstützen. Verursache die Tätigkeit eines Betriebsratsmitgliedes Kosten, so habe es allerdings gemäß § 115 ArbVG gegenüber dem Betriebsratsfonds Anspruch auf Ersatz von Barauslagen. Die Beklagte habe ihre Dienstanweisung dahin eingeschränkt, daß nur die Herstellung und Verbreitung von Rundschreiben zu Lasten der Beklagten und Besprechungen hierüber während der Dienstzeit untersagt seien. Der Dienstnehmer könne verbieten, daß die Herstellung und Verbreitung fraktioneller Rundschreiben auf seine Kosten geschehe. Auch Besprechungen darüber seien während der Dienstzeit unzulässig, weil der Betriebsinhaber dem Betriebsratsmitglied Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts nur insoweit zu gewähren habe, als es an Sitzungen teilnehme, sich darauf vorbereite, die Belegschaft generell nach außen vertrete oder im Einzelfall zu bestimmten Tätigkeiten nach § 69 ArbVG vom Betriebsrat beauftragt worden sei. Die Verfassung fraktioneller Rundschreiben falle nicht unter diese eigentliche Betriebsratstätigkeit. Der Betriebsinhaber sei nicht verpflichtet, für derartige Werbemaßnahmen Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts zu gewähren.

Ein Betriebsratsmitglied, das gemäß § 116 ArbVG nur fallweise freizustellen sei, habe den Betriebsinhaber im Regelfall vor Inanspruchnahme der Freizeit rechtzeitig darüber zu informieren und in groben Umrissen den Grund der Arbeitsversäumnis und deren voraussichtliche Dauer mitzuteilen; in Ausnahmefällen genüge auch die nachträgliche Verständigung. Ohne diese Information könnte ein Betriebsinhaber gar nicht prüfen, inwieweit sich das Betriebsratsmitglied rechtmäßig vom Dienst entferne. Diesen Anforderungen entspreche die gegenständliche Dienstanweisung in allen Punkten. Die Schriftform beeinträchtige und erschwere die Betriebsratstätigkeit nicht, zumal das Betriebsratsmitglied eine Bewilligung seines Vorhabens ohnehin nicht abwarten müsse. Mit dem Abgeben des ausgefüllten Formulars bei der zuständigen Stelle sei das Betriebsratsmitglied seiner Verpflichtung vollständig nachgekommen.

Die gegen Fortzahlung des Entgelts dauernd oder fallweise zweckgebunden freigestellten Belegschaftsvertreter dürften aus diesem Umstand weder einen Vorteil ziehen noch benachteiligt werden. Das Betriebsratsmitglied habe jenen Lohn zu erhalten, den es verdient hätte, wenn es gearbeitet hätte. Es gelte also das Ausfallsprinzip. Dieses mutmaßliche Entgelt lasse sich in einem Gleitzeitsystem sinnvoll nur dadurch ermitteln, daß die tägliche Soll- oder Normalarbeitszeit als fiktive Arbeitszeit der Berechnung zugrundegelegt werde. Auf eine entgegenstehende betriebliche Übung könnten sich die Kläger nicht berufen. Der absolut zwingende Charakter der betriebsverfassungsrechtlichen Vorschrift des § 116 ArbVG lasse eine einzelvertragliche Abweichung von der gesetzlichen Regelung nicht zu. Die Verpflichtung des Betriebsinhabers zum Ersatz des Lohnausfalles könne daher durch Einzelvertrag auch nicht zugunsten des einzelnen Betriebsratsmitgliedes abgeändert werden. Gegen absolut zwingendes Gesetz verstoßende Vereinbarungen hätten, gleichgültig ob sie ausdrücklich oder auf Grund langdauernder Übung schlüssig zustandegekommen seien, keine verpflichtende Wirkung und könnten daher jederzeit auf das gesetzliche Maß reduziert werden.

Die Kläger bekämpfen das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragen, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Kläger nicht Folge zu geben.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Kostenpunkt kann gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO überhaupt nicht und daher auch nicht durch das Rechtsmittel in der Hauptsache mit dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit bekämpft werden.

Zu Punkt 1.) der strittigen Dienstanweisung vertreten die Kläger die Meinung, daß die Herstellung von Rundschreiben, mit denen die Belegschaft eines Betriebes über Verletzungen von Bestimmungen informiert werde, in Ausübung der Rechte und Pflichten des Betriebsrates erfolge. Der Sachaufwand für solche Schreiben sei gemäß § 72 ArbVG vom Arbeitgeber zu tragen.

Dieser Auffassung ist nicht zu folgen: Gemäß § 72 ArbVG sind - wie schon das Berufungsgericht hervorgehoben hat - dem Betriebsrat und dem Wahlvorstand (also etwa nicht einzelnen wahlwerbenden Gruppen) zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben Räumlichkeiten, Kanzlei- und Geschäftserfordernisse sowie sonstige Sacherfordernisse in einem der Größe des Betriebes und den Bedürfnissen des Betriebsrates (Wahlvorstandes) angemessenen Ausmaß vom Betriebsinhaber unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Zu den Kanzleierfordernissen gehört auch die Beistellung von Schreibmaterialien, Briefmarken, Schreibmaschinen und Telefonanschlüssen (Czerny, AVG9, 277; Arb 9396; s auch Arb 9683 = SZ 51/12) udgl. Der Anspruch auf diese Naturalleistungen steht daher dem Betriebsrat (bzw dem Wahlvorstand oder nach § 84 Abs 1 ArbVG dem Zentralbetriebsrat) als ganzes zu und dient dem Zweck, dem Betriebsrat die Durchführung seiner Befugnisse, deren Träger materiellrechtlich die Belegschaft des Betriebes bzw des Unternehmens ist, zu erleichtern. Hervorzuheben ist von diesen (vom Betriebsrat wahrgenommenen) Befugnissen der Arbeitnehmer (s drittes Hauptstück des ArbVG) das Recht des Betriebsrats, die Einhaltung der die Arbeitnehmer des Betriebes betreffenden Rechtsvorschriften zu überwachen (§ 39 ArbVG, s im einzelnen Z 1 bis 4) und in allen Angelegenheiten, die die Interessen der Arbeitnehmer berühren, beim Betriebsinhaber und erforderlichenfalls bei den zuständigen Stellen außerhalb des Betriebes entsprechende Maßnahmen zu beantragen und die Beseitigung von Mängeln zu verlangen (§ 90 ArbVG, s im einzelnen Z 1 bis 3). Alle diese Rechte übt der Betriebsrat - sofern er nicht nur aus einer Person besteht - grundsätzlich als Kollegialorgan aus, doch sieht das Gesetz vor, daß der Betriebsrat im Einzelfall die Durchführung einzelner seiner Befugnisse einem oder mehreren seiner Mitglieder übertragen kann (§ 69 Abs 1 ArbVG), da ein kollegiales Tätigwerden einer Mehrzahl oder sogar Vielzahl von Mitgliedern in vielen Fällen unzweckmäßig wäre (s dazu Floretta in Floretta-Strasser KommzArbVG 385). Bei dieser Delegierung zur Durchführung von Befugnissen des Betriebsrates im Einzelfall nach § 69 Abs 1 ArbVG handelt es sich um die Ausübung von Befugnissen, die keiner Beschlußfassung des Betriebsrates bedarf; darunter fallen die (bereits zum Teil erwähnten) Angelegenheiten im dritten Hauptstück der Betriebsverfassung (§§ 89 ff ArbVG), bei denen eine Willensbildung durch das Betriebsratskollegium nicht erforderlich ist (Floretta aaO 385).

Aus all dem folgt, daß ein einzelnes Mitglied des Betriebsrates die von diesem wahrzunehmenden Rechte der Belegschaft nur ausübt, wenn sich sein Handeln im Rahmen des gesetzlichen Aufgabenbereiches in irgendeiner Weise auf eine zumindest vorherige schlüssige Betrauung oder nachträgliche Genehmigung durch das gesamte Kollegialorgan zurückführen läßt. Das kann nach den Umständen des Einzelfalls auch für die gemeinsame Tätigkeit mehrerer Betriebsratsmitglieder zutreffen, die einer wahlwerbenden Gruppe (vgl § 69 Abs 4 ArbVG) angehören, ist aber bei Handlungen und Äußerungen, mit denen mehrere Betriebsräte einer wahlwerbenden Gruppe nach außen hin nicht im Namen des Betriebsrates, sondern als "Fraktion" auftreten, in aller Regel nicht der Fall, zumal wenn sich diese Betriebsratsmitglieder mit ihren Erklärungen sogar in bewußtem Gegensatz zur Meinung des "Betriebsrates" oder anderer "Fraktionen" des Betriebsrates stellen. Das den Anlaß für den vorliegenden Rechtsstreit bildende Rundschreiben der "Namensliste E*****" ist geradezu ein Musterbeispiel dafür, daß die Kläger nicht im Rahmen des gesetzlichen Aufgabenbereiches des Betriebsrates (§§ 89 ff ArbVG) in dessen Namen, sondern als einzelne, einer wahlwerbenden Gruppe angehörenden Betriebsratsmitglieder in behauptetem Gegensatz zum Betriebsrat als ganzes gehandelt haben.

Für eine derartige, nicht dem Betriebsrat als (regelmäßiges) Kollegialorgan zuzurechnende Tätigkeit ist der Betriebsinhaber zur Beistellung von Sacherfordernissen nach § 72 ArbVG nicht verpflichtet. Da die bekämpfte Weisung (in ihrer letzten Fassung) nur dahin zu verstehen ist, daß sich die Beklagte gegen die Herstellung und Verbreitung derartiger Rundschreiben auf ihre Kosten verwahrt, widerspricht sie dem Gesetz nicht.

Dasselbe gilt auch für die Abhaltung von Besprechungen über solche Rundschreiben während der Dienstzeit. Gemäß § 116 ArbVG ist den Mitgliedern die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts zu gewähren. Im Gegensatz zum Anspruch nach § 72 ArbVG liegt hier - naturgemäß - ein Anspruch des einzelnen Betriebsratsmitgliedes vor. Da zur Erfüllung der Obliegenheiten einzelner Mitglieder auch "fraktionelle Tätigkeiten" (wie insb die Teilnahme an den Fraktionssitzungen, die unmittelbar vor den Sitzungen des Betriebsrates üblicherweise abgehalten werden) gehören können, ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, daß Betriebsratsmitglieder auch für solche Tätigkeiten Anspruch auf Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts haben. Gemäß § 39 Abs 3 ArbVG haben aber die Organe der Arbeitnehmerschaft ihre Tätigkeit tunlichst ohne Störung des Betriebes zu vollziehen, woraus die Lehre ableitet, daß sogar Betriebsratssitzungen, wenn keine besonderen Umstände die Abhaltung während der Arbeitszeit notwendig machen, außerhalb der Arbeitszeit stattzufinden haben und für die Beurteilung der Frage, ob andere Tätigkeiten der Belegschaftsorgane während der Arbeitszeit erfolgen können, eine Interessenabwägung erforderlich ist (Floretta in Floretta-Strasser KommzArbVG 781 ff; Floretta-Strasser ArbVG 384 f FN 1). Umso eher müssen fraktionelle Tätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit stattfinden, wenn sie bei entsprechender Einteilung ohne weiteres nach Arbeitsschluß oder vor Arbeitsbeginn erledigt werden können. Daß wegen besonderer Umstände die Notwendigkeit bestanden habe, Fraktionsbesprechungen über den Inhalt künftiger Rundschreiben während der Arbeitszeit abzuhalten, haben die Kläger nicht einmal behauptet. Da der Inhalt einer allgemeinen Weisung auf den Regelfall abgestellt werden darf, widersprich auch dieser Teil der angegriffenen Weisung nicht dem Gesetz.

2.) Zu Punkt 2.) der Weisung vertreten die Revisionswerber die Ansicht, daß § 116 ArbVG die Freizeitgewährung nicht an eine schriftliche Information des Betriebsinhabers knüpfe. Die direkte Information des Betriebsinhabers sei unpraktikabel und schon allein aus zeitlichen Gründen geeignet, die Tätigkeit des Betriebsratsmitgliedes zu beeinträchtigen.

Auch diesen Argumenten ist nicht zu folgen. Damit der Betriebsinhaber die Pflicht, dem Betriebsratsmitglied die notwendige Freizeit zu gewähren, erfüllen kann, hat das Betriebsratsmitglied um diese anzusuchen. Dabei ist dem Betriebsinhaber wenigstens in groben Umrissen der Grund der Arbeitsveräumnis bekanntzugeben. Auch ist dem Betriebsinhaber die voraussichtliche Dauer der erforderlichen Arbeitsversäumnis anzugeben. Das Ansuchen besteht aus einer Abmeldung und einer Information, es hat also keinen Antrag zum Gegenstand. Die Information des Arbeitgebers soll diesen in die Lage versetzen, festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Freizeitgewährung gegeben sind (Floretta in Floretta-Strasser KommzArbVG 785; Strasser in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht3 II 408 mwN FN 6).

Die angegriffene Dienstanweisung besagt nicht mehr, als daß die Betriebsratsmitglieder verpflichtet sind, diese (Ab-)meldung mit dem hiefür vorgesehenen Formular, also schriftlich, an die Direktion zu richten. Dies bedeutet keine nennenswerte Erschwerung der Betriebsratstätigkeit. Würde nämlich der Betriebsinhaber für die Entgegennahme der Meldung niemanden delegieren, müßten sich die Betriebsratsmitglieder jeweils beim Direktor der Gebietskrankenkasse selbst abmelden, was fallweise auch mit vergeblichen Vorspracheversuchen verbunden sein könnte. Nach der Weisung der Beklagten genügt es aber, daß die Meldung auf dem "Dienstweg", also in der Regel über den unmittelbaren Vorgesetzten des Betriebsratsmitgliedes, oder, wenn ein solcher nicht besteht, in sonstiger Weise (Abgeben des Formblatts in der Direktionskanzlei) der "Direktion" übermittelt wird. Am schriftlichen Festhalten der Abwesenheitszeiten und der Gründe der Zeitversäumnis besteht vor allem in größeren Unternehmen ein berechtigtes Intersse des Betriebsinhabers, das die geringe Mühe der Ausfüllung eines Formulars durch das Betriebsratsmitglied rechtfertigt.

In Ausnahmefällen wird es vorkommen, daß im Interesse der Durchführung einer Betriebsratsaufgabe ein vorheriges Ansuchen nicht mehr möglich ist. In einem solchen Fall wird das betreffende Betriebsratsmitglied unverzüglich nach Durchführung der Aufgabe die schriftliche Information über die verwendete Freizeit nachzuholen haben.

Auch dieser Punkt der Dienstanweisung widerspricht dem Gesetz nicht.

Verfehlt ist schließlich auch die Auffassung der Revisionswerber, die Betriebsratsmitglieder hätten im Sinne der bisherigen Übung bei ganztägiger Freizeitgewährung nach § 116 ArbVG Anspruch auf eine Gleitzeitgutschrift von zehn Stunden, richte sich doch die Höhe des während der Freizeitgewährung gebührenden Entgelts auch nach dem Inhalt des Einzelvertrages.

Wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst neuerlich ausgesprochen hat (9 Ob A 1/91 vom 13.2.1991), richtet sich die Höhe des gemäß § 116 ArbVG fortzuzahlenden Entgelts danach, was das Betriebsratsmitglied verdient hätte, wenn es während dieser Zeit (in vollem Umfang) gearbeitet hätte. Es gilt daher das Ausfallsprinzip. Zu ersetzen ist nur der mutmaßliche Verdienst, also das, was der betreffende Arbeitnehmer, wenn er nicht eine die Freizeit erfordernde Betriebsratsfunktion bekleidet, sondern gearbeitet hätte, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge, also mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, weiterhin bezogen hätte (Floretta in Floretta-Strasser KommzArbVG 786; DRdA 1982/1 (Stifter); SZ 61/266 = Arb. 10.761). Das Betriebsratsmitglied soll auch weiterhin in den Genuß aller jener Begünstigungen kommen, auf die ein nicht freigestellter Arbeitnehmer Anspruch hätte, der die gleiche Arbeit verrichtete, wie sie das Betriebsratsmitglied zu verrichten hatte. Das Betriebsratsmitglied darf aber auch aus dem Mandat keinen Vorteil ziehen (Floretta aaO 786, 792; Basalka in Wirtschaftsverlag KommzArbVG 302; Cerny, ArbVG9, 581; DRdA 1982/1).

Grundlage für die Beurteilung der Frage, was dem Betriebsratsmitglied infolge seiner Tätigkeit entgeht, ist selbstverständlich auch der Inhalt seines Einzelvertrages, wenn ihn dieser günstiger stellt als dies generelle Normen vorsehen. Die Individualvereinbarung ist aber in diesem Fall nur Bemessungsgrundlage; sie dient also der konsequenten Anwendung des Ausfallsprinzips. Dem Betriebsratsmitglied die zur Erfüllung seiner Obliegenheiten zu gewährende Freizeit günstiger zu vergüten als seine Arbeitszeit, widerspricht hingegen dem ArbVG. Wie Jabornegg (Zur Finanzierung der Betriebsratstätigkeit am Beispiel der Reisekosten in FS Floretta 527 ff) - dort allerdings zur Frage der Reisekosten - zutreffend ausführt, sind die betriebsverfassungsrechtlichen Normen über die Tragung des Sachaufwandes (§§ 72, 84 ArbVG) absolut zwingend, so daß auch eine einzelvertragliche Abweichung von der gesetzlichen Regelung als unzulässig und nichtig angesehen werden muß. Die im Gesetz vorgesehene Konzeption der Finanzierung des Sachaufwandes könne somit durch Einzelvertrag auch nicht zugunsten einzelner Betriebsratsmitglieder abgeändert werden. Soweit dennoch abweichende Vereinbarungen getroffen würden oder sich eine entsprechende faktische Übung eingebürgert habe, die im Sinne rechtsgeschäftlicher Verpflichtungen gedeutet werden könnten, handle es sich um ungültige Regelungen, die wegen Verstoßes gegen ein absolut zwingendes Gesetz keine Verpflichtungswirkung haben könnten, wenn auch der Betriebsinhaber derartige Leistungen nicht mehr zurückfordern könne (s auch Strasser in Floretta-Spielbüchler-Strasser II aaO 414). Diesen Ausführungen ist zuzustimmen. Sie gelten für die betriebsverfassungsrechtliche Entgeltfortzahlungspflicht nach § 116 ArbVG entsprechend, weil das Betriebsratsmitglied aus dem Mandat keinen Vorteil ziehen soll. Der Betriebsinhaber kann daher, selbst wenn er Mehrleistungen erbracht hat, künftige Leistungen jederzeit auf das gesetzliche Maß herabsetzen.

Daß die Beklagte mit der angefochtenen Dienstanweisung auch vom Ausfallsprinzip abgewichen wäre, haben die Kläger nicht behauptet. Auch Punkt 3.) der Dienstanweisung entspricht daher dem Gesetz.

Der Revison ist daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm § 58 ASGG.

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