Spruch:
Der Antrag auf Feststellung, dass bei der Berechnung des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration gemäß dem Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger Zuschläge für Sonntagsarbeit zu berücksichtigen und einzubeziehen sind, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Die Parteien sind gemäß § 4 Abs 2 bzw § 4 Abs 1 ArbVG kollektivvertragsfähig. Gegenstand der zwischen ihnen strittigen Frage, die mehr als drei Arbeitnehmer betrifft, sind die §§ 9 Abs 2 und 10 Abs 2 des Kollektivvertrages für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger (in der Folge: KV).
Die Absätze 1 und 2 des § 9 des KV haben folgenden Wortlaut:
„(1) Alle Arbeitnehmer erhalten einmal in jedem Kalenderjahr einen Urlaubszuschuss.
(2) Die Höhe des Urlaubszuschusses beträgt bei einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit 4,33 Wochenlöhne (ein Monatslohn). Arbeitnehmer, deren Arbeitszeit weniger als die kollektivvertragliche wöchentliche Normalarbeitszeit ausmacht (Teilzeitbeschäftigte), oder Arbeitnehmer, die Pauschal- oder Akkordleistungen erbringen, haben Anspruch auf den Durchschnitt des Wochenlohnes der letzten 13 Wochen für die Berechnung des Urlaubszuschusses. Der Wochenlohn ist unter Zugrundelegung der wöchentlichen Normalarbeitszeit und des Stundenlohnes des betreffenden Arbeitnehmers unter Ausschluss allfälliger Prämien, Gefahren- oder Schmutzzulagen und der Überstundenentlohnung zu berechnen."
Die Abs 1 und 2 des § 10 des KV regeln in völlig gleichlautender Weise die Weihnachtsremuneration.
Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag nach § 54 Abs 2 ASGG die Feststellung, dass bei der Berechnung des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration gemäß dem Kollektivvertrag für Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger Zuschläge für Sonntagsarbeit zu berücksichtigen und einzubeziehen sind.
Er begründet diesen Antrag im Wesentlichen wie folgt:
Der normative Teil eines Kollektivvertrages sei gemäß den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen. Dabei sei in erster Linie der Wortsinn zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen. Eine aus dem Text nicht hervorgehende Absicht habe außer Betracht zu bleiben.
Die §§ 9 Abs 2 und 10 Abs 2 des KV seien nach ihrem Wortlaut abschließende Regelungen, mit denen die Kollektivvertragsparteien die Berechnung des Urlaubszuschusses und der Weihnachtsremuneration genauestens geregelt haben. Der jeweils letzte Satz der beiden Bestimmungen enthalte eine taxative Aufzählung, die zur Folge habe, dass „allfällige Prämien, Gefahren- oder Schmutzzulagen und die Überstundenentlohnung" nicht in die Sonderzahlungen hineinzurechnen seien; Zuschläge für Sonntagsarbeit seien hingegen nicht angeführt und daher auch nicht von der Berücksichtigung bei der Berechnung der Sonderzahlungen ausgeschlossen.
Hinweise auf eine unbeabsichtigte Regelungslücke seien dem Kollektivvertragstext nicht zu entnehmen. Die umfassende und detaillierte Regelung führe zum Schluss, dass nur die angeführten Entgeltsbestandteile nicht in die Berechnung der Sonderzahlungen hineinfließen sollen; andere Zuschläge oder Zulagen seien hingegen zu berücksichtigen. Eine über diesen Wortlaut hinaus gehende Auslegung sei nicht zulässig. Es könne nicht angenommen werden, dass den Kollektivvertragsparteien nicht bewusst gewesen sei, dass neben allfälligen Prämien, Gefahren- oder Schmutzzulagen und Überstundenentlohnungen noch andere Zuschläge anfallen. Die Antragsgegnerin beantragt, den Feststellungsantrag abzuweisen. Nach dem Wortlaut des KV gebührten die Sonderzahlungen jeweils in der Höhe eines Monatslohns, der sich aus 4,33 Wochenlöhnen zusammensetze.
Die klare Formel für die Berechnung des Wochenlohnes laute:
Wöchentliche Normalarbeitszeit x Stundenlohn. Mit dem Begriff „Stundenlohn" werde auf die kollektivvertraglichen Stundenlöhne in der Lohnvereinbarung zum anwendbaren KV unter lit C Bezug genommen. Die Lohnordnung des KV sei sehr einfach und transparent gestaltet. Sie sehe sechs Lohngruppen mit fünf unterschiedlichen Stundenlohnniveaus vor. Berechnungsgrundlage für die Sonderzahlungen sei nach dem klaren Wortlaut des KV nur der Stundenlohn ohne jegliche Zuschläge oder Zulagen. Damit solle die Berechnung der Sonderzahlungen ebenso transparent und leicht handhabbar sein wie die gesamte Lohnordnung des KV.
Grund dieser Vereinfachung sei, dass in der Reinigungsbranche innerhalb eines Monats häufig Einsätze in unterschiedlichen Bereichen erfolgen, für die - je nach Situation - unterschiedliche Zuschläge bzw Zulagen gebühren. Um das Berechnungsmodell dennoch einfach zu halten, sei daher in den §§ 9 Abs 2 und 10 Abs 2 KV das dargestellte Modell gewählt worden. Im Gegensatz zur Auffassung des Antragstellers sei demgemäß der letzte Satz der beiden Bestimmungen im Sinne einer demonstrativen Aufzählung bzw einer Verwendung von Überbegriffen zu werten.
Hätten die Kollektivvertragsparteien die Absicht gehabt, auch den Sonntagszuschlag auf den Stundenlohn mit einzubeziehen, hätten sie eine andere Berechnungsformel festlegen müssen: In diesem Fall müsste nämlich bei der Berechnung der Sonderzahlungen zwischen der an Werktagen geleisteten Normalarbeitszeit und jener differenziert werden, die an Sonntagen erbracht werde. Darüber hinaus wäre es nicht mehr möglich, die Multiplikation mit einem Stundenlohn vorzunehmen; vielmehr müssten unterschiedliche Stundenlöhne in Anschlag gebracht werden. Eine derartige Berechnung finde im KV keine Deckung. Zudem zeige der klare Wortlaut des KV, dass Sonderzahlungen nur von dem für die Normalarbeitszeit gebührenden Lohn zu bemessen seien. Bei der Sonntagsarbeit handle es sich aber typischerweise um außerhalb der Normalarbeitszeit gelegene Tätigkeiten, weil der weitaus überwiegende Teil der dem KV unterliegenden Arbeitnehmer die Dienstleistung von Montag bis Freitag erbringe. Gerade um sich die daraus resultierenden Berechnungsschwierigkeiten zu ersparen, hätten die Kollektivvertragsparteien das einfache Modell gewählt, nach dem Sonderentgelte nicht in die Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlungen einzuberechnen seien.
Im Übrigen wäre der Ausschluss der Überstundenarbeit (auch am Sonntag) von der Berechnung der Sonderzahlungen nicht erklärlich, wenn man - wie der Antragsteller - davon ausgehen wollte, dass die Sonntagszuschläge einzubeziehen seien.
Selbst wenn man im Übrigen die Wortfolge „unter Außerachtlassung allfälliger Prämien, Gefahren- oder Schmutzzulagen und der Überstundenentlohnung" iS einer taxativen Aufzählung verstehen wollte - was bestritten werde - zeige der Regelungskomplex der Sonderzahlungen den deutlich erkennbaren Grundsatz, dass lediglich das Grundgehalt ohne jegliche Zuschläge Basis für die Sonderzahlungsentlohnung sein solle. Eine allenfalls vorliegende Lücke wäre daher im Wege der Analogie im Sinne des von der Antragsgegnerin vertretenen Standpunktes zu schließen.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
Sowohl der Wortlaut der auszulegenden Bestimmungen als auch der Gesamtzusammenhang der Regelungen machen deutlich, dass die Sonderzahlungen nach den Vorstellungen der Kollektivvertragsparteien auf der Grundlage des im KV geregelten Stundenlohns berechnet werden sollen, ohne dass es dabei darauf ankommt, unter welchen Umständen, wie lange bzw an welchen Tagen der anspruchsberechtigte Arbeitnehmer eingesetzt wurde und welche Zulagen, Zuschläge oder Überstundenentgelte er neben dem Stundenlohn dafür bezogen hat. Die Kollektivvertragsparteien stellen mit der von ihnen normierten Formel zur Berechnung des Wochenlohnes auf den in der Lohnordnung des KV exakt normierten Stundenlohn ab. Dies wird durch den Hinweis auf den Ausschluss allfälliger Prämien, Gefahren- oder Schmutzzulagen und der Überstundenentlohnung zusätzlich unterstrichen, wobei die Formulierung der Ausschlussbestimmung offenkundig iSd Ausschlusses sämtlicher Sonder- bzw Nebenentgelte zu verstehen ist. Der gegenteilige Standpunkt des Antragstellers wäre mit dem Wortlaut der auszulegenden Bestimmungen nicht vereinbar. Wie die Antragsgegnerin zutreffend aufzeigt, wäre die Einbeziehung der Zuschläge mit der im KV normierten Berechnungsformel nicht zu bewältigen. Sie würde weit komplexere Bemessungsregeln (Unterscheidung unterschiedlicher Stundenlöhne; Bemessungszeitraum) erfordern. Hätten die Kollektivvertragsparteien die Zuschläge für Sonntagsarbeit in die Berechnung einbeziehen wollen, hätten sie diese Bemessungsfragen einer Regelung zugeführt, wie sie ja auch die besondere Situation der Teilzeitbeschäftigten und der Arbeitnehmer, die Pauschal- oder Akkordleistungen erbringen, durch eine eigene Bemessungsregel berücksichtigt haben (vgl den zweiten Satz des Absatzes 2 der §§ 9 und 10 des KV). Diese zuletzt genannte Sonderregelung bzw das Fehlen vergleichbarer Berechnungsnormen für die Einbeziehung von Zuschlägen für Sonntagsarbeit spricht daher ebenfalls für den Standpunkt der Antragsgegnerin, dass lediglich der bloße Stundenlohn in die Berechnung der Sonderzahlungen einzubeziehen ist. Dieser Rechtsauffassung schließt sich der Oberste Gerichtshof an.
Der Antrag war daher abzuweisen.
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