OGH 9ObA125/06g

OGH9ObA125/06g25.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gillinger und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Bernadette H*****, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde *****, vertreten durch Greiter-Pegger-Kofler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen EUR 7.423,20 brutto sA (Revisionsinteresse EUR 1.855,80), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. August 2006, GZ 15 Ra 59/06y-49, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. April 2006, GZ 42 Cga 227/03h-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die in ihrem stattgebenden Teil als unangefochten von dieser Entscheidung unberührt bleiben, werden im Übrigen dahin abgeändert, dass sie insgesamt zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 7.423,20 brutto samt 10,2 % Zinsen p.a. aus dem sich errechnenden Nettobetrag seit 1. 6. 2002 zu zahlen.

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 9.704,72 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin EUR 1.284,72 Umsatzsteuer und EUR 1.996,40 Barauslagen) und die mit EUR 591,86 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin EUR 80,98 Umsatzsteuer und EUR 106,00 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 508,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 55,52 Umsatzsteuer und EUR 175,00 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 1. 1. 1997 Vertragsbedienstete der beklagten Gemeinde und als solche als Sanitätsgehilfin in einem von dieser betriebenen Altenheim beschäftigt.

Die Beklagte hat im Juli bzw im September 1999 ihr Krankenhaus und ihr Altenheim als Sacheinlage in die von ihr gegründete A*****(in der Folge: A-GmbH) eingebracht. Die Beklagte und die GmbH schlossen eine Vereinbarung, mit der die bisher bei der Beklagten als Vertragsbedienstete tätigen Dienstnehmer mit 1. 1. 1999 bzw 1 1. 2000 der GmbH für deren Betrieb überlassen werden. Es wurde festgehalten, dass das Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) nicht anzuwenden sei, dass aber beide Seiten davon ausgingen, dass dennoch die allgemeinen Grundsätze dieses Gesetzes Bestandteil der Vereinbarung seien. In einem Schreiben der GmbH vom Jänner 2000 wurden die Mitarbeiter des Altenwohnheims verständigt, dass sie alle der Geschäftsführung der GmbH unterstellt seien, dass sich aber am Anstellungsstatus nichts ändere; alle seien weiterhin Vertragsbedienstete.

Der Altenwohnheimteilbetrieb wurde im Juli 2000 in die zur Gänze im Eigentum der Beklagten stehende S*****GmbH (in der Folge: S-GmbH) eingebracht. Der Krankenhausbetrieb verblieb in der A-GmbH. Eine weitere GmbH - die H*****GmbH - (in der Folg: H-GmbH) erwarb im Juli 2001 74 % der Anteile dieser Gesellschaft.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass die Klägerin ihr Dienstverhältnis gerechtfertigt vorzeitig aufgelöst hat, sodass sie grundsätzlich Anspruch auf Abfertigung hat. Die Höhe der geltend gemachten Abfertigung ist ebenfalls unstrittig. Gegenstand des Verfahrens ist nur mehr die Frage, ob die Beklagte bis zuletzt Dienstgeberin der Klägerin und als solche passiv klagelegitimiert ist.

Die Klägerin behauptet dies und beruft sich auf die von der Beklagten anlässlich der Ausgliederung des Altenheims vereinbarte Überlassung ihrer Vertragsbediensteten an die Übernehmerin. Sie sei bis zuletzt Vertragsbedienstete der Beklagten gewesen.

Die Beklagte bestreitet ihre passive Klagelegitimation. Die Übertragungen des Altenwohnheims seien Betriebsübergänge iS der Betriebsübergangsrichtlinie 77/187 (EWG) gewesen, die hier nach der Rechtsprechung unmittelbar anzuwenden sei. Das Dienstverhältnis der Klägerin sei daher auf den Erwerber des Betriebs übergegangen, sodass Ansprüche aus der Beendigung nicht gegen die Beklagte gerichtet werden könnten.

Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es bejahte die passive Klagelegitimation der Beklagten, weil § 3 AVRAG nicht anzuwenden sei und sich die Beklagte nicht auf die unmittelbare Anwendung der BetriebsübergangsRL berufen könne. Allerdings sei der Austritt nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Arbeitsrechtssache an das Erstgericht zurück. Es erachtete die BetriebsübergangsRL als unmittelbar anwendbar und ging davon aus, dass im Zuge der Ausgliederung die Dienstverhältnisse ihrer Dienstnehmer auf die Erwerberin übergegangen seien. Eine Arbeitnehmerüberlassung, die die Folgen der Eintrittsautomatik ausschalten würde, liege nach den Feststellungen nicht vor. Allerdings sei § 6 AVRAG über die anteilige Haftung des Veräußerers für Abfertigungsansprüche zu beachten. Zur Frage der Berechtigung des Austritts bedürfe es noch weiterer Feststellungen.

Im zweiten Rechtsgang brachte die Klägerin vor, dass sie anlässlich der Ausgliederung bei der Beklagten habe beschäftigt bleiben wollen und daher von der Möglichkeit eines Wechsels zur Erwerberin nicht Gebrauch gemacht habe. Sie habe daher - wie andere vergleichbare Dienstnehmer auch - der Überlassung an die Erwerberin ausdrücklich zugestimmt. Es liege somit eine Dreiparteienvereinbarung vor, die den ex-lege-Übergang der Dienstverhältnisse iSd § 3 AVRAG verhindere. Derartige vertragliche Arbeitskräfteüberlassungen seien zulässig, wenn sie günstiger für den Arbeitnehmer seien, was hier der Fall sei. Im Übrigen habe sich die Beklagte bis zuletzt gegenüber den in Betracht kommenden Bediensteten als Arbeitgeber verhalten.

Dies wurde von der Beklagten bestritten, die vorbrachte, die BetriebsübergangsRL gegen sich gelten lassen zu müssen. Wenn überhaupt, könne daher (iSd § 6 AVRAG) nur ein fiktiver Abfertigungsanspruch in der Höhe von drei Monatsentgelten gegen sie geltend gemacht werden.

Das Erstgericht gab nunmehr dem Klagebegehren im Umfang von EUR 5.567,40 sA statt. Es bejahte die Berechtigung des Austritts und ging unter Hinweis auf die aufhebende Entscheidung des Berufungsgerichtes von einer Haftung der Beklagten gemäß § 6 Abs 2 AVRAG für einen Teil der geltend gemachten Abfertigung (drei Monatsgehälter) aus.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse, vertrat es folgende Rechtsauffassung:

Es sei zu prüfen, ob - wie die Klägerin geltend mache - tatsächlich eine rechtswirksame Arbeitnehmerüberlassung zwischen der Beklagten und den jeweiligen „Dienstgebern/Beschäftigern" der Klägerin vereinbart worden sei. In Betracht komme die als letzter Beschäftiger auftretende GmbH; dazwischen geschaltet seien aber weitere Gesellschaften bis hin zur nunmehr Beklagten als erster Dienstgeberin und Beschäftigerin. Unterstelle man iSd Vorbringens somit auch eine (weitere) Arbeitnehmerüberlassung an die letzte Beschäftigerin, sei von einem sogenannten „Kettenverleih" auszugehen, der unzulässig sei, weil durch die Zwischenschaltung eines Zweitüberlassers („Papierbeschäftiger") die dem Beschäftiger nach dem AÜG treffenden Pflichten umgangen werden sollten. Überdies fehle es bei den fortlaufenden Änderungen bei Beschäftiger oder Verwender an einer ausdrücklichen Zustimmung der Klägerin. Eine solche sei aber gemäß § 2 AÜG für alle Fälle der Überlassung erforderlich. Hier könne bestenfalls von einer konkludenten Zustimmung der Klägerin ausgegangen werden, zumal diese schlicht an ihrer Arbeitsstelle weitergearbeitet habe, ohne sich zu den festgestellten betrieblichen und gesellschaftsrechtlichen Änderungen zu äußern. Daher könne die Klägerin ihre Ansprüche auch nicht im Wege des AÜG an die Beklagte herantragen.

Ein wirksames Anerkenntnis oder Zugeständnis der Dienstgebereigenschaft durch die Beklagte sei nicht erkennbar. Das Schreiben vom Jänner 2000, auf das sich die Klägerin ua berufe, dokumentiere gerade das Gegenteil, zumal darin eine Unterstellung unter die Erwerbergesellschaft zum Ausdruck gebracht werde. Zudem stamme dieses Schreiben nicht von der Beklagten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der gänzlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil der Obersten Gerichtshof die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht teilt. Sie ist auch berechtigt.

Nähere Ausführungen zur in der BetriebsübergangsRL normierten Eintrittsautomatik sind dabei gar nicht erforderlich, weil sich das Klagebegehren aus folgenden Überlegungen jedenfalls als berechtigt erweist:

Der Oberste Gerichtshof teilt die auch in der Lehre vertretene Auffassung, dass ein ex-lege Übergang der Dienstverhältnisse im Zuge eines Betriebsübergangs unter bestimmten Voraussetzungen dadurch vermieden werden kann, dass die Arbeitsverhältnisse zum Veräußerer aufrecht erhalten werden, dieser aber die Dienstnehmer des übergegangenen Betriebs dem Erwerber überlässt. Eine solche Konstruktion ist jedenfalls dann zulässig, wenn ihr die betroffenen Arbeitnehmer zustimmen und wenn sie für diese günstiger ist als der Übergang ihrer Dienstverhältnisse auf den Erwerber (Binder, AVRAG, § 3 Rz 132; Holzer/Reissner, AVRAG, § 3 Rz 137; Gahleitner, Arbeitskräfteüberlassung und Betriebsübergang, DrdA 1994, 380 ff; Gahleitner/Leitsmüller, Umstrukturierung und AVRAG 129 f; aM offenbar Tomandl, ZAS 1993, 200). Solche Überlassungskonstruktionen, die den genannten Anforderungen entsprechen, gegen den Willen der durch die Eintrittsautomatik geschützten Arbeitnehmer nicht zuzulassen, würde - wie Holzner/Reissner (aaO) zu Recht hervorheben - den mit der Eintrittsautomatik angestrebten Zweck pervertieren.

Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Beklagte anlässlich der Ausgliederung des Altenheims mit der erwerbenden Gesellschaft iS der als Bestandteil der Vereinbarung bezeichneten Grundsätze des AÜG die Überlassung der Vertragsbediensteten für deren Betrieb vereinbart.

Das Vorbringen der Klägerin, wonach diese Vereinbarung für sie angesichts der Bonität und der Ortsfestigkeit einer als Dienstgeber auftretenden Gebietskörperschaft und wegen des günstigen Vertragsinhalts (L-VBG als Vertragsschablone) günstiger sei als der Übergang auf die A-GmbH, wurde von der Beklagten nicht bestritten und auch von der zweiten Instanz zu Recht nicht in Frage gestellt.

Das Berufungsgericht hat die Wirksamkeit dieser Vereinbarung aber dennoch verneint, und zwar ua mit dem Hinweis, dass ihr die Klägerin nicht ausdrücklich zugestimmt habe. Dies ist schon aus prozessualen Gründen verfehlt. Die Klägerin hat sich in erster Instanz auf diese Vereinbarung berufen und ua vorgebracht, sie habe anlässlich der Ausgliederung bei der Beklagten beschäftigt bleiben wollen und daher von der Möglichkeit eines Wechsels zur Erwerberin nicht Gebrauch gemacht; sie habe der Vereinbarung damit ausdrücklich zugestimmt. Dies wurde von der Beklagten in erster Instanz mit keinem Wort bestritten. Schon deshalb geht es nicht an, dass das Berufungsgericht von Amts wegen die Vereinbarung mangels Feststellungen über eine ausdrückliche Zustimmung der Klägerin als unwirksam wertet.

Auch den (ebenfalls ohne einen entsprechenden Einwand der Beklagten von Amts wegen angestellten) Überlegungen des Berufungsgerichtes über einen unzulässigen „Kettenverleih" ist nicht zu folgen: Von einem derartigen „Kettenverleih" spricht man dann, wenn an einer Überlassung mehr als drei Personen beteiligt sind, wobei zwischen dem überlassenden Arbeitgeber und dem die Arbeitsleistung entgegennehmenden Beschäftiger eine oder mehrere Personen (allenfalls im Sinn eines „Papierbeschäftigers") eingeschaltet sind, die die Arbeitskraft weiter überlassen (Geppert, AÜG² § 4 124). Davon kann aber hier nicht die Rede sein, weil die aus Anlass der Ausgliederung geschlossene Überlassungsvereinbarung nur zwischen der Beklagten und der A-GmbH geschlossen wurde; eine dritte Person war an dieser Vereinbarung nicht beteiligt, sodass von einer Vereinbarung über einen „Kettenverleih" bzw von der Einschaltung eines „Papierbeschäftigers" nicht die Rede sein kann. Schon deshalb können die Überlegungen des Berufungsgerichtes die Wirksamkeit der Überlassungsvereinbarung zwischen der Beklagten und der A-GmbH nicht in Frage stellen. Damit war aber die Vereinbarung wirksam und hat im Sinne der oben dargestellten Rechtslage den Übergang des Dienstverhältnisses auf die A-GmbH auch dann verhindert, wenn man grundsätzlich die Eintrittsautomatik der BetriebsübergangsRL als anwendbar erachtet. Ob und an wen der Betrieb in weiterer Folge übertragen wurde, ist nicht mehr entscheidend, zumal bei weiteren Betriebsübergängen auch bei Anwendung der Eintrittsautomatik nur Dienstverhältnisse auf den/die neuen Erwerber übergegangen sein können, die zum Zeitpunkt der weiteren Übergänge beim Veräußerer bestanden haben. Da aber das Dienstverhältnis der Klägerin beim ersten Betriebsübergang nicht auf die A-GmbH übergegangen ist, kann es im Zuge des weiteren Betriebsübergang von der A-GmbH auf die S-GmbH (und daher auch im Zuge von weiteren Betriebsübergängen) nicht auf den jeweiligen Erwerber des Betriebs übergegangen sein. Ein wie immer gearteter Rechtsgrund, der dessen ungeachtet zu einem Übergang des Dienstverhältnisses zwischen der Beklagten und der Klägerin auf einen späteren Beschäftiger geführt haben könnte, wurde nicht einmal geltend gemacht.

Auf die Auslegung des Schreibens vom Jänner 2000, mit dem die Bediensteten vom ersten Betriebsübergang verständigt wurden, kommt es daher nicht mehr an. Auch dieses Schreiben rechtfertigt im Übrigen die daraus vom Berufungsgericht gezogenen Schlüsse nicht: Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs kann die darin enthaltene Formulierung, dass die Bediensteten der Geschäftsführung der A-GmbH unterstellt werden, dass sich aber am Anstellungsstatus nichts ändert und alle Bediensteten Vertragsbedienstete bleiben, nur dahin verstanden werden, dass die Bediensteten hiermit vom Fortbestand ihres Dienstverhältnisses zur beklagten Gemeinde verständigt werden.

Die Beklagte war daher bis zum Ende des Dienstverhältnisses Dienstgeber der Klägerin, sodass der der Höhe nach nicht mehr strittigen Klageforderung zur Gänze stattzugeben ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Zu den von der Beklagten in ihrem Kostenrekurs ON 44 erhobenen Einwänden gegen die Kostennote der Beklagten kann auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen ergibt sich der im Spruch ersichtliche Kostenzuspruch.

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