OGH 9ObA123/95

OGH9ObA123/958.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Rupert Dollinger und Herbert Lohr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat***** reg.Gen.m.b.H., *****, vertreten durch die Vorsitzende des Arbeiterbetriebsrats Elfriede B*****, diese vertreten durch Dr.Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K***** reg.Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Peter Kunz ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Revisionsinteresse S 50.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.März 1995, GZ 8 Ra 16/95-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 2.November 1994, GZ 30 Cga 68/94b-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 676,48 Umsatzsteuer) binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die allein noch strittige Frage, welcher Kollektivvertrag auf die nach dem 1.3.1993 in das D***** eingetretenen Arbeiter der Beklagten für die ersten drei Dienstjahre anzuwenden ist, zutreffend gelöst. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin, daß für das Posterioritätsprinzip beim Zusammentreffen zweier Kollektivverträge mit umfassendem personellen Wirkungsbereich, welche den gleichen Gegenstand regeln und denselben Wirksamkeitsbeginn haben, nicht das Datum der Kundmachung, sondern der Zeitpunkt des "Abschlusses" der Kollektivverträge maßgeblich sei, entgegenzuhalten.

Für das Verhältnis zweier oder mehrerer einwirkungsfähiger normativer Teile von Kollektivverträgen mit demselben Regelungsbereich gilt nicht das Günstigkeitsprinzip; vielmehr sind die allgemeinen Grundsätze der Normenkonkurrenz (vgl Strasser in Floretta/Spielbüchler/Strasser, ArbR3 II 117 f mwH; dazu auch Wolff in Klang2 I/1, 112) anzuwenden. Da der (rückwirkende) Wirksamkeitsbeginn beider in Betracht kommender Kollektivverträge derselbe ist, kann daraus für die Frage der materiellen Derogation nichts gewonnen werden. Entscheidend für die Normwirkung ist somit gemäß § 11 Abs 2 ArbVG der auf die Kundmachung im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" folgende Tag (vgl Floretta/Strasser, ArbVG2 § 14 Anm 6; Arb 7136, 8534, 10112 ua). Der "Abschluß" eines Kollektivvertrages kann insoferne nicht von den Hinterlegungs- und Kundmachungsvorgängen im Sinne des § 14 ArbVG getrennt werden, weil der Normsetzungswille gerade auch durch die Hinterlegung zum Ausdruck kommt (§ 14 Abs 2 ArbVG). Auf die bis dahin bloß schuldrechtlichen Wirkungen der Kollektivverträge kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. So könnte etwa ein nicht hinterlegter und nicht kundgemachter Kollektivvertrag überhaupt keine Normwirkung entfalten, so daß er auch keine Derogation bewirken könnte. Insgesamt ist daher den Ausführungen der Vorinstanzen beizupflichten, daß dem Kollektivvertrag vom 10.3.1993 durch den später kundgemachten Kollektivvertrag vom 12.2.1993 materiell derogiert wurde.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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