OGH 9ObA113/12a

OGH9ObA113/12a25.6.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** K*****, vertreten durch Dr. Josef Lachmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unwirksamerklärung einer Kündigung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 24. Mai 2012, GZ 7 Ra 1/12m‑38, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 11. April 2011, GZ 6 Cga 67/10f‑30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:009OBA00113.12A.0625.000

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung wird der Endentscheidung vorbehalten.

 

Begründung:

Der bei der Beklagten als Radiosprecher mit einem monatlichen Nettogehalt von 3.850 EUR beschäftigte Kläger wurde mit Schreiben der Beklagten vom 17. 3. 2010 zum 31. 10. 2011 entsprechend deren gängigen Praxis, die Dienstnehmer mit Vollendung des 62. Lebensjahres „in Pension zu schicken“ gekündigt. Sein Arbeitsplatz wurde nicht mehr nachbesetzt. Er erhielt aus Anlass seiner Beendigung eine Abfertigung im Ausmaß von netto etwa 191.000 EUR und hat auch davor bereits aus Anlass der Abfindung von Betriebspensionsansprüchen einen Abfindungsbetrag von 2 Mio S erhalten. Der zuletzt genannte Betrag wurde im Wesentlichen für die Abzahlung von Krediten und Kosten in einem Scheidungsverfahren aufgebraucht. An seine geschiedene Frau muss der Kläger monatlich ca 1.000 EUR zahlen.

Der Kläger ficht seine Kündigung ‑ soweit dies im Revisionsverfahren noch maßgeblich ist ‑ wegen verpönter Altersdiskriminierung nach dem Gleichbehandlungsgesetz an. Ein gerechtfertigtes Ziel, dass diese Diskriminierung rechtfertigen könne, liege nicht vor. Der hier maßgebliche Kollektivvertrag sei gleichheitswidrig, weil er ältere Arbeitnehmer erheblich schlechter stelle.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendet zusammengefasst ein, die Kündigung des Klägers sei letztlich nicht wegen des Alters, sondern aus betrieblichen Gründen erfolgt. Der Personalabbau über die „Pensionierungen“ sei noch die sozialverträglichste Form, um diesen Erfordernissen aus den massivsten Verlusten (2008 105 Mio EUR, 2009 66 Mio EUR) entsprechende Maßnahmen entgegenzusetzen. Der Kläger habe ohnehin Anspruch auf die Korridorpension sowie eine Betriebspension von zusammen über 2.000 EUR. Die Beklagte prüfe stets das Vorliegen einer sozialen Härte, sei aber als öffentliche Rundfunkanstalt verpflichtet und auch wirtschaftlich gezwungen, einen Personalabbau durchzuführen. Auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei sie berechtigt, auf das Vorliegen von Pensionsansprüchen abzustellen. Eine genaue Angabe der Ziele der jeweiligen Regelungen werde danach nicht verlangt. Die Beklagte sei nun nach § 31 Abs 13 ORF‑G verpflichtet, entsprechende Strukturmaßnahmen zu setzen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das ORF‑Gesetz die Beklagte unabhängig von wirtschaftlichen Überlegungen zu einer entsprechenden Programmgestaltung verhalte, die auch über Programmentgelte der Nutzer und durch Zahlungen des Bundes gewährleistet werden müsse. Durch die vom Gesetzgeber vorgegebenen Maßnahmen der Personalreduktion solle die finanzielle Basis des öffentlich‑rechtlichen Rundfunks gesichert werden. Dies diene auch einem gesamtwirtschaftlichen Interesse.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und erklärte die Kündigung vom 17. 3. 2010 für rechtsunwirksam. Es ging zusammengefasst davon aus, dass der Kollektivvertrag der Beklagten vorsehe, dass eine Kündigung der Arbeitnehmer nach Vollendung des 60. Lebensjahres erfolgen könne, soweit diese Anspruch auf Alterspension bzw vorzeitige Alterspension hätten. Zum Kündigungszeitpunkt habe der Kläger Anspruch auf eine Korridorpension (62. Lebensjahr am 19. 3. 2011), die sich jedoch bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres noch um ca 230 EUR netto erhöhen würde. Das Ziel der Beklagten, eine Kosteneinsparung vorzunehmen, sei aber kein legitimes Ziel im Sinne der anzuwendenden Richtlinie. Die Beklagte verfolge auch keine beschäftigungspolitischen Ziele, da sie die Position des Klägers gar nicht nachbesetzt habe. Die Schaffung der Korridorpension solle auch nicht eine frühere Beendigung der Dienstverhältnisse erleichtern. Der dahingehende Konsens der Kollektivvertragsparteien könne daran nichts ändern.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es ging davon aus, dass die Bestimmungen des § 16 des Kollektivvertrags eine unmittelbare Altersdiskriminierung darstellen. Sei doch bei jüngeren Arbeitnehmern vorgesehen, dass eine Kündigung nur nach einer positiven Stellungnahme der Kündigungskommission erfolgen könne, während diese Stellungnahme bei Arbeitnehmern über dem 60. Lebensjahr, die bereits Anspruch auf eine Alterspension haben, nicht mehr erforderlich sei. Ein legitimes Ziel zur Rechtfertigung dieser Differenzierung sei nicht ersichtlich und könne jedenfalls nicht in individuellen Beweggründen oder dem Anliegen des Arbeitgebers, eine Kostenreduktion vorzunehmen, liegen. Daher sei auch § 31 Abs 13 Z 1 ORF‑G nicht geeignet, diese Differenzierung zu rechtfertigen. Auch ältere Arbeitnehmer könnten durch Kündigungen in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sein. Eine Förderung der Neueinstellung junger Arbeitnehmer sei nicht ersichtlich.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht zur Frage, ob eine im Vergleich zu jüngeren Dienstnehmern erleichterte Kündigungsmöglichkeit von Dienstnehmern über 60 Jahren mit Anspruch auf Alterspension eine Altersdiskriminierung darstelle, für zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobene Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig und auch berechtigt. Es geht um die Frage, ob für die Beurteilung des Vorliegens einer Diskriminierung auf den jeweiligen Entscheidungsvorgang abzustellen ist und inwieweit zwischen der Entscheidung des Gesetzgebers, einer auch öffentlich finanzierten Stiftung eine Personalreduktion vorzugeben, und der konkreten Personalauswahl durch die Stiftung zu unterscheiden ist.

I. Die Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie RL 2000/78/EG verbietet unter anderem die mittelbare oder unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters bei den „Entlassungsbedingungen“ (vgl Art 3 Abs 1 lit c iVm Art 1 und Art 2 der Richtlinie). Art 6 dieser Richtlinie lässt aber eine Differenzierung dann zu, wenn sie objektiv, angemessen und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gedeckt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind. Es werden dann beispielsweise Ziele aus dem Bereich der Beschäftigungspolitik, der Arbeitsmarktpolitik aber auch der beruflichen Bildung angeführt.

II. § 17 Abs 1 Z 7 GlBG verbietet in Umsetzung der RL 2000/78/EG unter anderem eine Diskriminierung wegen des Alters bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

§ 20 GlBG legt unter der Überschrift „Ausnahmebestimmungen“ in seinem Abs 3 fest, dass eine Diskriminierung aufgrund des Alters dann nicht vorliegt, wenn die Ungleichbehandlung objektiv, angemessen und durch ein legitimes Ziel, insbesondere rechtmäßige Ziele aus dem Bereich der Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind. In vergleichbarer Weise werden dann einige der Richtlinie entsprechenden Beispiele aufgezählt.

Sowohl nach dem Text der anzuwendenden Bestimmungen als auch der Lehre und der Rechtsprechung des EuGH ist die Aufzählung der Ziele und Mittel nicht abschließend, sondern bloß beispielhaft (vgl dazu etwa Windisch‑Graez in Rebhahn , Gleichbehandlungsgesetz § 20 Rz 28 oder Hopf/Mayr/Eichinger , GlBG § 20 Rz 28 ff), jedoch sollten die Ziele mit den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung in Zusammenhang stehen (EuGH 13. 9. 2011, Prigge , C‑447/09 Rz 80 f mwN).

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Kollektivvertragsparteien die Konkretisierung der Rechtfertigungsgründe überlassen und Vorgaben dafür festlegen kann (EuGH 13. 9. 2011, Prigge , C‑447/09 Rz 61 zu Art 2 Abs 5 der RL), die Kollektivverträge aber den Erfordernissen der Richtlinie zu entsprechen haben (EuGH 12. 10. 2010 Rosenbladt , C‑45/09 , Rz 52).

III. Hier hat sich die Beklagte im Ergebnis darauf berufen, dass sie durch das ORF‑Gesetz zum Personalabbau gezwungen werde und der Beklagten nur noch die Auswahl der zu kündigenden Personen zukomme, die sie möglichst sozialverträglich vornehme.

III.1. Nach dem ORF‑Gesetz ist der Österreichische Rundfunk (ORF) eine Stiftung öffentlichen Rechts zur Erfüllung des öffentlich‑rechtlichen Versorgungsauftrags, insbesondere einer umfassenden Information der Allgemeinheit über alle wichtigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Fragen (vgl § 1 iVm § 3 ff ORF‑G). Das Programmentgelt wird auf Antrag des Generaldirektors vom Stiftungsrat unter Zugrundelegung einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltung zur Erfüllung des öffentlichen Auftrags festgelegt (§ 31 ORF‑G). Der Bund leistet Zuwendungen an den ORF, die zufolge § 31 Abs 13 Z 1 ORF‑G aber auch davon abhängig sind, dass Strukturmaßnahmen zur mittelfristigen und substanziellen Reduktion der Kostenbasis gesetzt werden. Dazu hat der Generaldirektor dem Stiftungsrat Maßnahmen, Indikatoren und Zielwerte zur Genehmigung vorzulegen, die unter anderem eine strukturelle Reduktion der Personalkosten einschließlich einer Reduktion der Kapazitäten und der Reduktion der Pro‑Kopf‑Kosten enthalten (§ 31 Abs 13 Z 1 ORF‑G).

Nach § 48 Abs 5 ORF‑G sind der ORF als Arbeitgeber und der Zentralbetriebsrat des ORF kollektivvertragsfähig.

Die Kollektivvertragsfähigkeit wurde bei der Einführung des § 48 ORF‑G in zeitlicher Hinsicht nicht differenziert (vgl auch § 49 ORF‑G BGBl 2001/83). Jedenfalls bezieht sich der hier maßgebliche Kollektivvertrag ausschließlich auf die Beklagte.

III.2. Der hier von den Parteien übereinstimmend zugrundegelegte Kollektivvertrag hat in seinem § 16 Z 2 eine Regelung, wonach ein Dienstnehmer, der bereits 10 volle Dienstjahre im Unternehmen verbracht hat, nur mit Zustimmung einer im Ergebnis aus Betriebsrat und Unternehmensleitung paritätisch besetzten Kündigungs-kommission gekündigt werden kann. Die hier maßgebliche Z 5 lit a des § 16 sieht aber vor, dass diese Einschränkung der Arbeitgeberkündigungen dann nicht anzuwenden ist, wenn der Kündigungstermin nach Vollendung des 60. Lebensjahres liegt und Anspruch auf Alterspension bzw vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer besteht.

III.3. Im Ergebnis kann hier davon ausgegangen werden, dass bei der Kündigung des Klägers verschiedene Regelungen zusammenwirkten. Auch das Lebensalter des Klägers war entscheidend. Dessen Bedeutung und die Rechtfertigung einer auf das Lebensalter abstellenden unterschiedlichen Behandlung kann nur bezogen auf den jeweiligen Regelungsbereich beurteilt werden.

Bezogen darauf ist dann die Frage zu beantworten, ob eine verpönte Altersdiskriminierung vorliegt oder ob hier Rechtfertigungsgründe iSd § 20 Abs 3 GlBG bzw Art 6 der RL 2000/78/EG vorliegen.

IV. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann eine Ungleichbehandlung wegen des Alters dann gerechtfertigt werden, sodass also keine Diskriminierung vorliegt, wenn die Gründe für die Ungleichbehandlung objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt werden sowie die Mittel zur Erreichung dieses Zieles ebenfalls angemessen und erforderlich sind (vgl zuletzt etwa EuGH 6. 11. 2012, C‑286/12 Europäische Kommission gegen Ungarn; aber auch EuGH 5. 7. 2012, Hörnfeld , C‑141/11, Rn 21 uva). Dabei ist es nicht erforderlich, dass diese Ziele genau angegeben werden, sondern nur entscheidend, dass sich aus dem allgemeinen Kontext betreffend die Maßnahme Anhaltspunkte für die Feststellung der hinter dieser Maßnahme stehenden Ziele ergeben und damit die Rechtmäßigkeit und die Angemessenheit sowie Erforderlichkeit der zur Einreichung dieser Ziele eingesetzten Mittel überprüft werden kann (vgl EuGH 21. 7. 2011, Fuchs/Köhler C‑159/10, C‑160/10, Rn 39 uva).

IV.1. Hier sind nun vorweg die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Führung der Beklagten im Rahmen ihres öffentlichen Auftrags zu beachten. Diese geben ‑ auch wegen des Einsatzes öffentlicher Mittel und der Art der Festsetzung der Gebührenvorgaben ‑ eine wirtschaftliche und sparsame Unternehmensführung vor. Diese wird in § 31 Abs 13 ORF‑G auch dahin konkretisiert, dass es zu einer Reduktion der Kapazitäten kommen muss.

Diese Regelung als solche enthält keine diskriminierenden Ansatzpunkte, jedoch ist zu prüfen, ob nach diesen Regelungen und der wirtschaftlichen Situation der Beklagten die konkrete Kündigung erforderlich war und welche Arbeitsplätze und Reduktionen der Kapazitäten konkret in Betracht gekommen sind.

IV.2.a Betrachtet man nun im Folgenden den Kollektivvertrag, so ist dazu vorweg festzuhalten, dass die Frage der diesen Kollektivvertrag abschließenden Parteien nicht weiter erörtert wurde. Es wird davon ausgegangen, dass auch der Kollektivvertrag den Vorgaben des Gleichbehandlungsgesetzes entsprechen muss. Bei diesem zweiten Schritt ist also zu beurteilen, ob für die Differenzierung der Einschränkungen des Kündigungsschutzes, die auf den Elementen des Alters und der Absicherung der Pensionsansprüche beruhen, Rechtfertigungsgründe iSd § 20 GlBG bzw des Art 6 der RL 2000/78/EG bestehen.

Der Kollektivvertrag betrifft nur die Beklagte und hat sich im Rahmen der Gesetze und damit auch des ORF‑Gesetzes zu halten. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass er vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgaben betreffend den Personalabbau zu verstehen ist.

IV.2.b Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften wurde hinreichend abgeklärt, dass es aus beschäftigungspolitischen Gründen gerechtfertigt ist, Arbeitnehmer mit Erreichung des gesetzlichen Pensionsalters zu kündigen, auch um jüngeren Arbeitnehmern den Eintritt in das Berufsleben zu erleichtern oder eine ausgewogene Altersstruktur zu erreichen (vgl grundlegend die Entscheidung des EuGH vom 16. 10. 2007 Rs  Palacios de la Villa C‑411/05, aber auch EuGH 21. 7. 2011, Fuchs/Köhler , C‑159/10, C‑160/10 uva). Daraus lässt sich aber auch ableiten, dass dieser Aspekt im Zusammenhang mit der Verfolgung anderer legitimer Ziele im Rahmen der Gesetzgebung des jeweiligen Mitgliedstaats relevant sein kann, wenn die dafür eingesetzten Mittel zur Erreichung dieser Ziele angemessen und erforderlich sind.

IV.2.c § 105 Abs 3c ArbVG bestimmt, dass eine Kündigung, der der Betriebsrat widersprochen hat, auch dann sozial ungerechtfertigt ist, wenn ein Vergleich sozialer Gesichtspunkte für den Gekündigten eine größere soziale Härte als für andere Arbeitnehmer des gleichen Betriebs oder derselben Tätigkeitssparte, deren Arbeit der Gekündigte zu leisten fähig und willens ist, ergibt. Daraus lässt sich durchaus ableiten, dass es ein Ziel der hier maßgeblichen österreichischen Rechtsordnung ist, dass dann, wenn die Kündigung von Arbeitnehmern aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich ist, jene gekündigt werden sollen, für die dies die geringste soziale Härte darstellt. Dieses Ziel steht auch mit der Beschäftigungspolitik und dem Arbeitsmarkt in Zusammenhang (EuGH 13. 9. 2011, Prigge , C‑447/09 Rn 80 f), werden doch jene Arbeitnehmer stärker geschützt, die auf den Erhalt des Arbeitsplatzes typischerweise stärker angewiesen sind. Wenn nun der gegenständliche Kollektivvertrag ‑ ausgehend vom Erfordernis einer Reduktion der Arbeitsplätze ‑ darauf abstellt, ob die Arbeitnehmer bereits durch einen Pensionsanspruch abgesichert sind, so ist dies insoweit durch das angemessene und objektive Ziel der sozialen Auswahl gerechtfertigt. Auch die gewählten Mittel sind angemessen und erforderlich (OGH 8 ObA 48/03x).

IV.2.d. Dass die Einschränkung des Kündigungsschutzes neben der sozialen Absicherung zusätzlich voraussetzt, dass die Betroffenen ein gewisses Alter erreicht haben, erklärt sich daraus, dass dieses Alter das typische früheste Anfallsalter für Pensionsansprüche bei Männern ist, und ist dies auch unter den dargestellten, von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften bereits allgemein akzeptierten Rechtfertigungsgründen erklärbar.

V. Nicht erörtert und festgestellt wurde jedoch bisher das konkrete Gesamtkonzept der Beklagten, um den Vorgaben des Gesetzgebers nachzukommen und inwieweit daraus konkret das Erfordernis der Kündigung des Klägers abzuleiten ist. Insoweit erweist sich das Verfahren jedenfalls als ergänzungsbedürftig und war den Parteien auch ausgehend von der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs die Möglichkeit einer ergänzenden Erörterung und Darstellung ihres Rechtsstandpunkts zu bieten.

Die Entscheidungen waren daher aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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