OGH 9ObA11/09x

OGH9ObA11/09x30.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat für die Arbeitnehmer der Gewerkschaft der Privatangestellten, 1034 Wien, Alfred-Dallinger-Platz 1, und des auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten Dr. A***** S*****, beide vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichischer Gewerkschaftsbund, 1010 Wien, Laurenzerberg 2, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Kommanditpartnerschaft in Wien, wegen Anfechtung einer Kündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. September 2008, GZ 7 Ra 69/08f-65, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 10. März 2008, GZ 19 Cga 99/01v-61, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird an das Berufungsgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am 25. 11. 1956 geborene Nebenintervenient ist seit 13. 11. 1989 beim Beklagten als Jurist tätig. Er ist verheiratet und sorgepflichtig für vier Kinder. Sein Dienstverhältnis wurde vom Beklagten mit Schreiben vom 17. 5. 2001, dem Nebenintervenienten zugegangen am 21. 6. 2001, gekündigt. Der vorher davon verständigte Betriebsrat (Kläger) hatte der Kündigungsabsicht widersprochen. Der Kläger begehrt mit seiner Klage, die Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären. Er bekämpft die Kündigung als unzulässige Motivkündigung und macht auch Sozialwidrigkeit der Kündigung geltend.

Zum Vorwurf der Motivkündigung:

Der Nebenintervenient sei seit 1992 vereinbarungsgemäß nur mehr mit Vertretungstätigkeiten in Arbeitsrechtssachen befasst worden. Mit Wirkung vom 1. 4. 1993 sei mit sämtlichen Mitarbeitern der Rechtschutzabteilung eine Gleitzeitvereinbarung getroffen worden. Im Vorfeld der Kündigung des Nebenintervenienten habe der Beklagte sein Rechtsschutzwesen neu organisiert. Der Nebenintervenient habe dabei sein Interesse an einer Mitarbeit in der neuen Region Wien bekundet, sich allerdings die Aufrechterhaltung der bisherigen Entgelts- und sonstigen Arbeitsbedingungen vorbehalten. Von den zuständigen Entscheidungsträgern des Beklagten sei die Übernahme der Rechtsschutzsekretäre für die Region Wien von einem Verzicht auf die einzelvertraglich vereinbarte, langjährig geübte und bewährte Gleitzeitregelung abhängig gemacht worden. Im Gegensatz zu allen anderen Rechtsschutzsekretären, die um ihre Dienstverhältnisse gefürchtet und daher zugestimmt haben, habe der Nebenintervenient diesen Verzicht verweigert und aus familiären Gründen auf der bestehenden Gleitzeitregelung bestanden. Diese Weigerung sei einer der Gründe für die Kündigung gewesen. Da er mit seiner Weigerung offenbar nicht unberechtigte Ansprüche geltend gemacht habe, sei die somit aus einem unzulässigen Motiv ausgesprochene Kündigung unwirksam.

Ein weiterer Kündigungsgrund sei gewesen, dass der Kläger vom Beklagten verschlechternd versetzt worden sei und dieser Versetzung widersprochen habe. Das mit dem Beginn der Tätigkeit der Region Wien angewendete Anforderungsprofil sei vom bisherigen Arbeitsvertrag wesentlich abgewichen. Auch dieses Kündigungsmotiv sei daher unzulässig, was ebenfalls zur Unwirksamkeit der Kündigung führe. Schließlich sei die Kündigung auch deshalb ausgesprochen worden, weil der Nebenintervenient einen vom Beklagten zu Unrecht angezweifelten Krankenstand in Anspruch genommen habe. Gegen die sonstigen Usancen sei der Urlaub des Nebenintervenienten für Ostern 2001 in seiner Abwesenheit festgelegt worden. Von ihm geäußerte Änderungswünsche seien aus unsachlichen Gründen abgelehnt worden. Der Nebenintervenient habe daher trotz entsprechender Urlaubswünsche am 2. 4. 2001 Dienst versehen, um eine Berufungsbeantwortung zu verfassen. Dabei sei er schikanös in seiner Aufmerksamkeit gestört worden, bis er sich nicht mehr arbeitsfähig gefühlt habe. Der von ihm unverzüglich konsultierte Arzt habe ihn krank geschrieben. Der Krankenstand sei daher nicht vorgetäuscht gewesen, sodass auch in diesem Zusammenhang ein unzulässiges Kündigungsmotiv vorliege.

Zur Sozialwidrigkeit:

Die Familie des Nebenintervenienten sei auf dessen Arbeitseinkommen angewiesen. Unter Berücksichtigung seiner Ausbildung, seiner langjährigen Tätigkeit für die Beklagte und des gerade für Juristen angespannten Arbeitsmarkts werde es ihm nicht gelingen, in angemessener Frist einen adäquaten Arbeitsplatz zu erlangen.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen.

Zum Vorwurf der Motivkündigung:

Die Umorganisation der GPA sei erfolgt, um eine bessere Betreuung der Mitglieder zu erreichen. Eine Einschränkung der Tätigkeit des Nebenintervenienten auf Arbeitsrechtssachen sei nie erfolgt. Ebenso wenig habe es eine Betriebsvereinbarung iSd ArbVG über die Einführung einer Gleitzeitregelung gegeben. Die Gleitzeit sei lediglich in der Rechtsabteilung der GPA praktiziert und de facto von der Geschäftsleitung nicht unterbunden worden. Obwohl ihm die Notwendigkeit der Neureglung dargelegt worden sei, habe der Nebenintervenient eine Änderung der Gleitzeitregelung bzw einen Verzicht darauf abgelehnt. Dies sei aber nicht der Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gewesen. Auch sein Widerstand gegen die neue Tätigkeit sei nicht Grund für die Kündigung gewesen, zumal er ja die ihm neu zugeordnete Tätigkeit angetreten habe. Die Kündigung sei vielmehr wegen seines absolut inakzeptablen Verhaltens im Zusammenhang mit einem Urlaubsverbrauch im April 2001 sowie deshalb ausgesprochen worden, weil es dem Nebenintervenienten an fachlicher Eignung, an Integrierbarkeit, an Kooperations- und Gesprächsbereitschaft sowie an Teamfähigkeit fehle, was zu massiver Unzufriedenheit der Teammitglieder mit seiner Tätigkeit geführt habe. Dem Urlaubswunsch des Nebenintervenienten für April 2001 habe wegen eines Personalengpasses nicht entsprochen werden können. Damit habe er sich nicht abgefunden und einen umfangreichen e-mail-Verkehr mit der Geschäftsleitung abgewickelt. Letztlich sei er am 2. 4. 2001 zum Dienst erschienen, wobei er wegen einer dringenden Terminarbeit von der Mitgliederberatung freigestellt worden sei. Ungeachtet dessen habe er erklärt, nicht mehr in der Lage zu sein, seine offenen Arbeiten zu erledigen und arbeitsunfähig zu sein. Noch am selben Tag habe er sich für die Zeit vom 2. 4. bis 6. 4. 2001 krank schreiben lassen. Seine Gesundmeldung habe er aber erst am 13. 4. 2001 mitgeteilt. Der Krankenstand sei offensichtlich nur vorgetäuscht gewesen und habe dazu gedient, Arbeit abzuschieben.

Zur Sozialwidrigkeit:

Die in der Person des Nebenintervenienten liegenden Kündigungsgründe rechtfertigten die Kündigung. Zudem seien seine Interessen durch die Kündigung nicht wesentlich beeinträchtigt. Er nehme offenbar absichtlich keine andere ihm zumutbare Tätigkeit an. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es traf überaus umfangreiche Feststellungen (S 28 bis 67 des Ersturteils), deren wesentlicher Inhalt sich wie folgt zusammenfassen lässt:

Zu Beginn seines Arbeitsverhältnisses war der Nebenintervenient mit Arbeits- und Sozialrechtssachen befasst, ab jenem Zeitpunkt, in dem die GPA in Sozialrechtssachen nicht mehr vor Gericht vertrat, nur mehr mit Arbeitsrechtssachen. In geringem Ausmaß - bei Bedarf - war er mit Mitglieder- und Betriebsräteberatung sowie mit der Führung von Kollektivvertragsverhandlungen und mit Schulungstätigkeiten befasst. Erstauskünfte musste er in der früheren Organisationsstruktur nicht erteilen. Vorrangig war die Prozesstätigkeit in Arbeitsrechtssachen. Eine Zusage, dass er außer der von ihm durchgeführten Arbeiten keine weiteren mehr ausüben müsse, wurde ihm nie gemacht. In der bisherigen Rechtsschutzabteilung Wien bestanden zunächst fixe Arbeitszeiten, was immer wieder zu Problemen führte. Da entsprechende Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung zu keinem Ergebnis führten, führte die Abteilungsleiterin, die dazu nicht befugt war, einseitig und ohne Zustimmung der Landesleitung ein Gleitzeitmodell ein. Die Geschäftsführung war damit nicht einverstanden und legte der Abteilungsleiterin nahe, das System zu beenden. Ungeachtet dessen wurde dieses System von seiner Einführung im Jahr 1993 bis zum Jahreswechsel 2000/2001 letztlich toleriert. Eine zur Jahreswende 1996/1997 erfolgte Anordnung der Geschäftsführung, die Gleitzeitregelung nicht mehr weiterzuführen, wurde von den Bediensteten mit dem Hinweis nicht beachtet, sie seien der Meinung, dass die Gleitzeitvereinbarung Inhalt der Einzelverträge geworden sei. Dem Nebenintervenienten kam diese Regelung entgegen, weil sie ihm ermöglichte, an Montagen, wenn seine Frau aus beruflichen Gründen dazu nicht in der Lage war, seine Kinder um 15:30 Uhr von Schule und Kindergarten abzuholen.

Im Jahr 2000 wurde eine neue Organisationsstruktur des Beklagten beschlossen. Ua wurde die in Wien bestehende Rechtsschutzabteilung aufgelöst und Wien in acht Betreuungsbezirke eingeteilt. Die im Rechtsschutz tätigen Sekretäre sollten näher an die praxisbezogene Arbeit herangeführt und schon bei den Erstgesprächen beigezogen werden. Ihnen wurde nunmehr Beratungstätigkeit an der Basis und ein „Radldienst" zur Mitgliederberatung auch in allgemeinen Belangen abverlangt. Zudem sollten die Rechtsschutzsekretäre vermehrt Betriebsräte zu Betriebsversammlungen oder Besprechungen begleiten. Dies brachte „eine lawinöse Mehrbelastung" der Rechtsschutzsekretäre mit sich, deren Arbeit sich fortan nicht mehr hauptsächlich auf die Vertretung vor Gericht beschränkte. Der Nebenintervenient war damit nicht einverstanden und erklärte der Geschäftsführung, lieber ungestört in seinem Zimmer sitzen und seine Akten bearbeiten zu wollen; mit der Mitgliederberatung wolle er nichts zu tun haben. Zudem wollte die Geschäftsführung den Bewerbern für die Region Wien einen Verzicht auf die Gleitzeitreglung abringen. Der Nebenintervenient weigerte sich aber, einen solchen Verzicht abzugeben. Er bewarb sich zwar um die Position eines Rechtsschutzsekretärs im Regionalsekretariat Wien, allerdings mit dem Zusatz, dass er Wert darauf lege, zum bisherigen Entgelt und unter den bisherigen sonstigen Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt zu werden. Er wurde daraufhin als Rechtsschutzsekretär dem Regionalsekretariat Wien mit dem Beisatz zugewiesen, dass für ihn die gleiche Arbeitszeitreglung wie für die anderen Kollegen gelte. Eine weitere Auseinandersetzung betraf das Zimmer des Nebenintervenienten: Im September 2000 wurde ihm ein freiwerdendes Zimmer zugewiesen. Zunächst war geplant, das Zimmer auszumalen und mit einem Teppichboden zu versehen. Am 11. 9. 2000 wurde der Nebenintervenient davon verständigt, dass dafür kein Geld vorhanden sei. Auch Materialkosten für das Selbstausmalen könnten nicht übernommen werden. Dennoch malte der Nebenintervenient das Zimmer selbst aus. Am 25. 1. 2001 ordnete die Geschäftsführung an, dass der Nebenintervenient das kleinste Zimmer von etwa 8 m² Größe zu beziehen habe. Als Rechtsschutzsekretär solle er seinem Team näherrücken, weil das der internen Kommunikation förderlich sei. In das dem Nebenintervenient vorher zugewiesene Zimmer (im selben Stock) zog ein jüngerer Sekretär ein. Versuche des Nebenintervenienten, auf seinem von ihm selbst ausgemalten Zimmer zu bestehen, blieben ergebnislos. Dem Nebenintervenienten wurde die Verfolgung egoistischer Partikularinteressen vorgeworfen.

Auch als ein Vorgesetzter dem Nebenintervenienten in einem Einzelgespräch zusicherte, man werde im Fall eines Verzichts auf die Gleitzeitregelung auf seine persönlichen Verhältnisse Rücksicht nehmen und ihm die Versorgung und Abholung seiner Kinder weiter ermöglichen, beharrte der Nebenintervenient auf der Beibehaltung der bisherigen Regelung. Ihm wurde daraufhin erklärt, dass seine Weigerung Konsequenzen haben müsse.

Zu all diesen Konfliktpunkten kam es zu einem umfangreichen Mailverkehr zwischen der Geschäftsleitung und dem Beklagten, in dem der Beklagte auf den von ihm eingenommenen Rechtsstandpunkten beharrte.

Der nächste Konflikt betraf die Urlaubseinteilung für April 2001. Da der Nebenintervenient die Besprechung über die Urlaubseinteilung vorzeitig verlassen hatte, um seinen Sohn von der Schule abzuholen, erfolgte die Regelung in seiner Abwesenheit. Da er vorher geäußert hatte, zu Ostern Urlaub nehmen zu wollen - einen genauen Zeitraum hatte er nicht angegeben - wurde für ihn als möglicher Urlaub die Woche vor bzw nach Ostern berücksichtigt. Letztlich gab er per Mail seinen Urlaubswunsch für die Zeit vom 2. 4. bis 19. 4. 2001 bekannt und begehrte für den 20. 4. 2001 Zeitausgleich. Es wurde ihm aber mitgeteilt, dass dieser Urlaubswunsch für die Zeit vom 2. bis zum 6.

4. wegen personeller Schwierigkeiten nicht genehmigt werden könne und dass ihm am 20. 4. kein Zeitausgleich gewährt werde. Er habe jedoch die Möglichkeit, an diesem Tag einen Urlaubstag zu konsumieren. Der Nebenintervenient betrachtete die dafür angegeben Gründe als vorgeschoben und wertete dies als Mobbing. Es kam abermals zu einem Mailverkehr, in dessen Verlauf der Nebenintervenient eine nachvollziehbare Begründung verlangte und auf seinen Wünschen beharrte. Die Geschäftsführung blieb jedoch bei ihrem Standpunkt und erklärte, ein Nichterscheinen am 2. 4. 2001 als Entlassungsgrund zu werten. Zudem wies sie darauf hin, dass mit der Versetzung des Nebenintervenienten in die Region Wien die Gleitzeitvereinbarung für ihn nicht mehr gelte, weshalb auch ein Zeitausgleich am 20. 4. 2001 nicht möglich sei.

Am 2. 4. erschien der Nebenintervenient zum Dienst. Er wollte eine an diesem Tag einzubringende Berufungsbeantwortung verfassen. Die über den Verlauf des Vormittags des 2. 4. vom Erstgericht getroffenen vierseitigen Feststellungen lassen sich dahin zusammenfassen, dass der Nebenintervenient durch tatsächliche Störungen und durch die Vermutung, die Geschäftsführung wolle ihn durch Störmanöver vom ungestörten Arbeiten abhalten, in einen psychischen Ausnahmezustand geriet und deshalb einen Arzt aufsuchte. Der Arzt stellte beim Nebenintervenienten, der über Schwindel, Kopfschmerz und Schlaflosigkeit klagte, ein exogenes Überlastungssyndrom fest, schrieb ihn ab dem 2. 4. 2001 krank und überwies ihn zu einem HNO-Arzt, einem Internisten und zu einem Neurologen/Psychiater. Der Krankenstand des Nebenintervenienten war berechtigt. Mit 6. 4. 2001 wurde der Nebenintervenient vom Krankenstand abgeschrieben „und versah weiterhin Dienst". Am 17. 4. 2001 teilte die GPA dem Beklagten eine Sachverhaltsdarstellung mit. Am 21. 5. 2001 erhielt der Nebenintervenient die Kündigung.

Der Nebenintervenient ist als Jurist am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vor 9 bis 12 Monaten intensiver persönlicher Arbeitsplatzsuche vermittelbar. Er ist als zum Zeitpunkt der Kündigung 45-jähriger dem Kreis langzeitarbeitsloser Personen zuzurechnen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass er früher als sechs bis 12 Monate nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses eine annähernd gleichwertige und gleichwertig dotierte Arbeitsstelle erlangen kann.

Das Erstgericht erachtete als erwiesen, dass die Vorgangsweise der Geschäftsführung bei der Zuweisung der Arbeitszimmer und der Einteilung des Nebenintervenienten am 2. 4. 2001 zur Mitgliederberatung eine Reaktion auf die Starrköpfigkeit des Nebenintervenienten war. Der Geschäftsführung war bewusst, dass der Montag dem Nebenintervenienten wegen seiner Kinder besonders wichtig war.

In seinen Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, dass die Gleitzeitregelung durch die Duldung des Dienstgebers Inhalt des Einzelvertrags des Nebenintervenienten geworden sei und dass sich dieser daher zu Recht auf diese Regelung berufen habe. Auch im Hinblick auf die neue Verwendung an der Basis sei der Standpunkt des Nebenintervenienten gerechtfertigt gewesen, weil eine verschlechterte Arbeitssituation vorgelegen sei. Der Krankenstand des Nebenintervenienten sei gerechtfertigt gewesen. Es liege eine ungerechtfertigte Motivkündigung vor. Darüber hinaus sei die Kündigung auch sozial ungerechtfertigt, weil sie wesentliche Interessen des Nebenintervenienten beeinträchtige und betriebliche oder persönliche Kündigungsgründe nicht erwiesen seien. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Auf die umfassende Beweisrüge des Beklagten ging es inhaltlich nur teilweise ein, nämlich im Wesentlichen nur auf die Rüge der Feststellung, wonach der Krankenstand des Beklagten gerechtfertigt gewesen sei. Diese Feststellung wurde vom Berufungsgericht übernommen.

Auf die Einwände gegen die übrigen bekämpften Feststellungen ging das Berufungsgericht inhaltlich nicht abschließend ein, wobei es zwar einen Teil dieser Feststellungen als „missverständlich" bezeichnete bzw auf das Fehlen einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung und auf die fehlende Trennung zwischen Feststellungen und Beweiswürdigung hinwies, letztlich aber eine nähere Erörterung als überflüssig erachtete, weil diese Feststellungen für die rechtliche Beurteilung irrelevant seien.

In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass der Beklagte sein ursprünglich weitergehendes Vorbringen im Laufe des Verfahrens eingeschränkt und letztlich nur das Verhalten des Nebenintervenienten in Zusammenhang mit seinem Osterurlaubswunsch, die Frage des Krankenstands und das Fehlen der fachlichen Eignung, der Integrierbarkeit und der Kooperationsfähigkeit des Nebenintervenienten als Grund für die Kündigung geltend gemacht habe. Alle Fragen im Zusammenhang mit dem Recht des Nebenintervenienten auf Gleitzeit und mit seinem ablehnenden Verhalten gegenüber der Neuorganisation und seinen neuen Aufgaben seien daher für die Entscheidung nicht relevant. Im Übrigen falle aber auch bei Beurteilung des Gesamtverhaltens des Nebenintervenienten eine Interessenabwägung (im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit) zu Lasten der Beklagten aus.

Nach § 105 Abs 5 ArbVG habe der Kläger, der eine Motivkündigung behauptet, das Vorliegen eines verpönten Motivs glaubhaft zu machen. Ein strenger Nachweis sei vom Gesetz nicht gefordert. Mache der Arbeitgeber seinerseits glaubhaft, dass ein anderes Motiv für die Kündigung ausschlaggebend gewesen sei, habe das Gericht eine Abwägung der beiderseits geltend gemachten Motive vorzunehmen. Spreche bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen des zu missbilligenden Motivs, sei der Anfechtung stattzugeben.

Mit seinem Beharren auf der Gleitzeitregelung habe der Nebenintervenient nicht offenbar unberechtigte Ansprüche geltend gemacht. Die inhaltlichen Vorgaben hinsichtlich der Arbeitsleistung des Nebenintervenienten seien nicht von Relevanz, weil die Berufungswerberin in erster Instanz jeglichen Zusammenhang zwischen dieser Frage und der Kündigung in Abrede gestellt habe. Der Krankenstand des Klägers sei nicht - wie vom Beklagten behauptet - als Druckmittel eingesetzt worden, sondern berechtigt gewesen. Das Erstgericht sei „damit auf Basis des festgestellten Sachverhaltes im Ergebnis völlig zu Recht davon ausgegangen, dass eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der zu missbilligenden Motive für die Kündigung, nämlich die nicht offenbar unberechtigte Geltendmachung von Ansprüchen" durch den Nebenintervenienten „hinsichtlich der Gleitzeit" spreche.

Die Kündigung sei überdies auch sozialwidrig. Das Vorbringen des Beklagten, der Nebenintervenient sei in einer das Betriebsklima gefährdenden Weise nicht integrierbar gewesen, entferne sich vom festgestellten Sachverhalt. Den Feststellungen seien keine in der Person des Arbeitnehmers gelegenen Umstände zu entnehmen, die die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers in relevantem Ausmaß nachteilig berühren könnten. Zum Vorwurf mangelnder Integrierbarkeit, Kooperation und Teamfähigkeit des Nebenintervenienten seien überhaupt keine Hinweise in den Feststellungen enthalten. Im Zusammenhang mit seinem Urlaubswunsch habe sich der Nebenintervenient ohnedies den Wünschen des Beklagten gebeugt. Sein Krankenstand sei gerechtfertigt gewesen. Dass er in verschiedenen Zusammenhängen beharrlich auf seinen Standpunkten beharrt und versucht habe, seinen Dienstgeber von der Richtigkeit seiner Argumente zu überzeugen, entspreche jenem Verhalten, dass er für Mitglieder des Beklagten in deren Arbeitsrechtsstreitigkeiten an den Tag legen müsse. Darin liege keine Pflichtverletzung und auch kein Mangel an Integrationsfähigkeit. Ein verständiger Arbeitgeber eines Gewerkschaftsrechtsschutzsekretärs könne durch ein solches Verhalten nicht zur Kündigung veranlasst werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, es im klageabweisenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Nebenintervenient erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des darin enthaltenen Aufhebungsantrags auch berechtigt.

I. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass der Beklagte im Lauf des Verfahrens sein Vorbringen weitgehend eingeschränkt und nur mehr das Verhalten des Nebenintervenienten in Zusammenhang mit seinem Osterurlaubswunsch, die Frage des Krankenstands und das Fehlen der fachlichen Eignung, der Integrierbarkeit und der Kooperationsfähigkeit des Nebenintervenienten als Grund für die Kündigung geltend gemacht habe. Daraus leitet die zweite Instanz ab, dass der Beklagte das Beharren des Nebenintervenienten auf der bisher praktizierten Gleitzeitregelung, seinen Widerstand gegen die Eingliederung in die neue Organisationsstruktur und die daraus resultierenden Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen nicht als Kündigungsgrund geltend gemacht habe, weshalb es sich mit darauf bezogenen Berufungsausführungen nicht auseinandersetzen müsse. Diese Auffassung der zweiten Instanz wird vom Revisionswerber zu Recht bekämpft. Es trifft zwar zu, dass der Beklagte in seinem Schriftsatz ON 5 vorgebracht hat, den Nebenintervenienten nicht wegen des Beharrens auf der Gleitzeitregelung oder der Weigerung, seinen neuen Arbeitsplatz auszufüllen, gekündigt zu haben; er hat allerdings - wie das Berufungsgericht ohnedies ausführt - den beim Nebenintervenienten gegebenen Mangel an Integrierbarkeit und Kooperationsbereitschaft als Grund für die Kündigung geltend gemacht und damit - wie seinem erstinstanzlichen Vorbringen in seiner Gesamtheit zu entnehmen ist - das Gesamtverhalten des Nebenintervenienten im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Organisationsstruktur und damit insbesondere auch sein striktes Beharren auf der bisherigen Arbeitszeitregelung und auf den bisherigen Arbeitsinhalten und Arbeitsbedingungen sowie die dadurch ausgelösten Auseinandersetzungen angesprochen. Das Berufungsgericht durfte daher die darauf bezogenen Berufungsausführungen nicht als durch das Vorbringen des Beklagten nicht gedeckt abtun, was umso mehr gilt, als das Berufungsgericht selbst letztlich - wenn auch durch Feststellungen nicht gedeckt (dazu siehe unten) - das Beharren auf der Gleitzeitregelung als Kündigungsmotiv der Beklagten wertete und auch anderen Details der durch die Einführung der neuen Organisationsstruktur ausgelösten Auseinandersetzungen in seinen Erwägungen breiten Raum gibt.

II. Nicht berechtigt ist allerdings der Vorwurf, das Berufungsgericht habe sich zu Unrecht nicht mit dem für die Beurteilung der Gleitzeitregelung maßgebenden Einwand des Beklagten auseinandergesetzt, es fehle an Feststellungen über § 7 Abs 3 der Arbeitsordnung des Beklagten. Wie schon im bisherigen Verfahren verweist der Revisionswerber selbst darauf, dass er einen „Verzicht" des Nebenintervenienten auf die bisherige Regelung erwirken wollte, was aber bedeutet, dass es ihm nicht um die Durchsetzung eines bestehenden Rechtsanspruchs ging. Damit ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, der Nebenintervenient habe insoweit auf einem offenbar nicht unberechtigten Anspruch beharrt, sodass die Erörterung von Bestimmungen der Arbeitsordnung entbehrlich sei, durch das Vorbringen des Beklagten selbst gedeckt.

III. Der Vorwurf des Revisionswerbers, das Berufungsgericht habe seine Tatsachenrüge nicht erledigt, ist jedenfalls hinsichtlich seiner Einwendungen gegen die Feststellung des Erstgerichts über den Dienstantritt des Nebenintervenienten nach seinem Urlaub im April 2001 berechtigt:

Das Erstgericht hat dazu festgestellt, dass der Nebenintervenient mit 6. 4. 2001 vom Krankenstand abgeschrieben wurde und wieder seinen Dienst versehen habe. Diese Feststellung wurde vom Berufungsgericht als „missverständlich", aber - weil sie keinen von der Beklagten geltend gemachten Kündigungsgrund betreffe - irrelevant bezeichnet. Tatsächlich ist diese Feststellung nicht missverständlich, sondern in ihrer Aussage völlig klar. Mit dem Wort „missverständlich" nimmt das Berufungsgericht aber offenbar auf den Umstand Bezug, dass diese Feststellung in klarem Widerspruch zu den Verfahrensergebnissen steht, zumal der Nebenintervenient die Behauptung des Beklagten, er (der Nebenintervenient) habe dem Beklagten die Beendigung des Krankenstands am 6. 4. 2001 erst am 13. 4. 2001 mitgeteilt, in seiner Aussage vom 15. 1. 2004 ausdrücklich bestätigt hat. Wenngleich der Nebenintervenient dieses Versäumnis mit seiner „Gesamtsituation" und damit zu erklären suchte, dass er sich zu diesem Zeitpunkt ohnedies auf Urlaub befand, handelt es sich dabei aber um einen wesentlichen, klärungsbedürftigen Aspekt. Sollte nämlich die erstgerichtliche Feststellung tatsächlich unrichtig sein, stünde damit der Vorwurf einer mehrtätigen unerlaubten Abwesenheit des Nebenintervenienten vom Dienst im Raum, zumindest aber - will man von einer wirksamen Urlaubsvereinbarung für die Zeit ab dem 6. 4. 2001 ausgehen - der Vorwurf der verspäteten Meldung der Beendigung des Krankenstands. In diesem Fall - also im Fall des Erfolgs der Tatsachenrüge in diesem Punkt - wäre es notwendig, sich mit allfälligen Rechtfertigungsgründen auseinanderzusetzen. Solche wurden aber bislang nur in der Aussage des Nebenintervenienten angesprochen; schlüssiges und konkretes Prozessvorbringen dazu haben weder er noch der Kläger in erster Instanz erstattet.

IV. Im Zusammenhang mit der verbleibenden Tatsachenrüge des Beklagten hat das Berufungsgericht zwar erhebliche Distanz zu verschiedenen Feststellungen anklingen lassen („missverständlich" „keine nachvollziehbare Beweiswürdigung"), die bekämpften Feststellungen aber großteils unter Hinweis auf ihre mangelnde Relevanz nicht auf ihre Richtigkeit überprüft. Auch dieser Vorgangsweise kann nur teilweise zugestimmt werden: Das Berufungsgericht hat zu Recht in seiner rechtlichen Beurteilung eine Gesamtwürdigung des Verhaltens des Nebenintervenienten vorgenommen. Diese fällt aber völlig unterschiedlich aus, je nachdem, ob das Verhalten des Nebenintervenienten - wie der Beklagte behauptet - als hinhaltender und grundloser Widerstand gegen eine grundlegende Organisationsänderung zu werten ist oder - ganz oder teilweise - als Reaktion auf ein Verhalten des Dienstgebers, das - so die Darstellung des Nebenintervenienten - einem durch das Beharren auf Rechtspositionen ausgelöstem Mobbingverhalten gleichkommt. Vor diesem Hintergrund können daher auch jene vom Beklagten in der Berufung bekämpften Feststellungen Bedeutung erlangen, die sich nicht unmittelbar mit seinem, sondern primär mit dem Verhalten und den Usancen der Entscheidungsträger des Beklagten auseinandersetzen.

V. Für die den Schwerpunkt des Verfahrens bildende Anfechtung der Kündigung als Motivkündigung ist überdies in erster Linie ein weiterer Umstand von entscheidender Bedeutung:

Wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat, hängt der Erfolg dieser Anfechtung vom Kündigungsmotiv der Beklagten und davon ab, ob dieses Motiv iSd § 105 Abs 1 Z 1 lit i ArbVG verpönt ist oder nicht (was nicht zwingend mit der Frage der Richtigkeit der dem Kündigungsmotiv zugrunde liegenden Erwägungen gleichbedeutend sein muss). Nach § 105 Abs 5 ArbVG obliegt es zunächst dem Anfechtungskläger, ein verpöntes Motiv glaubhaft zu machen. Gelingt ihm dies, ist es Sache des Arbeitgebers, seinerseits glaubhaft zu machen, dass ein anderes Motiv für die Kündigung ausschlaggebend war. Die Frage, welches Kündigungsmotiv als bescheinigt anzusehen ist, ist eine Frage der Beweiswürdigung (8 ObA 180/02g; 8 ObA 123/04b). Das Erstgericht hat aber keinerlei Feststellungen über das (die) Kündigungsmotiv(e) des Beklagten getroffen und insofern auch keine Beweiswürdigung vorgenommen. Es trifft zwar umfangreichste Feststellungen über das der Kündigung vorangegangene Geschehen und über Auseinandersetzungen zwischen den Parteien. Es lässt auch erkennen, dass es das Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit der Zimmerzuteilung und mit der Einteilung des Klägers am 2. 4. 2001 als eine Reaktion auf die Starrköpfigkeit des Nebenintervenienten wertet. Damit ist aber nichts darüber gesagt, aus welchem Grund bzw aus welchem Motiv der Beklagte einige Zeit später die Kündigung des Klägers ausgesprochen hat. Dazu fehlt in den erstgerichtlichen Feststellungen jeglicher Hinweis.

Das Berufungsgericht führt zwar in seinem Urteil aus, dass das Erstgericht „auf Basis des festgestellten Sachverhalts im Ergebnis völlig zu Recht davon ausgegangen (sei), dass eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der zu missbilligenden Motive für die Kündigung, nämlich die nicht offenbar unberechtigte Geltendmachung von Ansprüchen ... hinsichtlich der Gleitzeit, spricht". Diesem Satz fehlt aber im Ersturteil jegliche Grundlage. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Berufungsgericht damit eigene Tatsachenfeststellungen treffen wollte, zumal es keine Beweiswiederholung oder Beweisergänzung vornahm und sich ganz offenkundig auf die Feststellungen des Erstgerichts bezog. Diese enthalten über das Kündigungsmotiv der Beklagten in Wahrheit keinerlei Aussage.

Damit bedarf es aber vor einer Entscheidung über die Anfechtung der Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG weiterer Feststellungen.

VI. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:

Da nach dem derzeit gegebenen Stand nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich das Verfahren über die Anfechtung der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit nach der noch ausstehenden Erledigung der Tatsachenrüge als spruchreif im Sinne einer Stattgebung der Anfechtung erweist, ist die Arbeitsrechtssache an das Berufungsgericht zurückzuweisen. Dieses wird die Tatsachenrüge zu erledigen und auf der dann gegebenen Sachverhaltsgrundlage und unter Beachtung der in dieser Entscheidung angestellten Überlegungen zu beurteilen haben, ob über die Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit im stattgebenden Sinn entschieden werden kann. Ist das nicht der Fall, wird das Verfahren im notwendigen Umfang zu ergänzen - ob vom Berufungsgericht oder vom Erstgericht, wird das Berufungsgericht zu beurteilen haben - und sodann abschließend zu entscheiden sein. VII. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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