OGH 9ObA110/91

OGH9ObA110/9119.6.1991

derna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** S*****, Arbeiter, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei B***** Gesellschaft mbH ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen 32.055,57 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16.Jänner 1991, GZ 8 Ra 120/90-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 11.September 1990, GZ 21 Cga 211/89-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.123,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.500 S Barauslagen und 603,84 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war ab 1.September 1978 bei der beklagten Partei beschäftigt. Am Freitag, dem 28.Juli 1989, nahm der Kläger Urlaub und fuhr mit seinem PKW nach Riccione. Er wollte am 30.Juli 1987 nach Kapfenberg zurückkehren, um am 31.Juli 1989 um 14 Uhr zur Nachmittagsschicht wieder den Dienst anzutreten. Am 27.Juli 1989 erkrankte der Kläger. Er fühlte sich deswegen am 30. und 31.Juli 1989 außerstande, nach Kapfenberg zurückzukehren und suchte am 1. August 1989 in Riccione einen Arzt auf, der für den Zeitraum vom 31.Juli bis 3.August 1989 Ruhe- und Behandlungsbedürftigkeit bestätigte. Noch am 1.August 1989 verständigte der Kläger davon telefonisch einen Angestellten der Betriebskrankenkasse der beklagten Partei. Dieser riet ihm, nach der Rückkehr eine Bestätigung eines Arztes über die Erkrankung vorzulegen. Die Betriebskrankenkasse verständigte die beklagte Partei nicht von der telefonischen Krankmeldung des Klägers. Am 4.August 1989 fuhr der Kläger nach Kapfenberg zurück. Für die Zeit ab 7.August 1989 hatte der Kläger einen dreiwöchigen Urlaub mit der beklagten Partei vereinbart. Am 7.August 1989 suchte der Kläger die Betriebskrankenkasse der beklagten Partei auf. Die von ihm überreichte, in italienischer Sprache abgefaßte ärztliche Erkrankungsbestätigung wurde mit dem Bemerken zurückgestellt, er möge eine Übersetzung in die deutsche Sprache anschließen. Am 9. August 1989 wurde die Abwesenheit des Klägers ab 1.August 1989 der Personalabteilung im Betrieb der beklagten Partei mitgeteilt. Auf Anfrage der Personalabteilung gab die Betriebskrankenkasse der beklagten Partei bekannt, daß keine Krankmeldung des Klägers erfolgt sei. Nachdem am 9. und 10.August 1989 vergeblich versucht worden war, den Kläger zu erreichen, wurde am 10.August 1989 schriftlich die vorzeitige Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 82 f GewO erklärt. Nach Erhalt des Entlassungsschreibens sprach der Kläger am 14.August 1989 in der Personalabteilung der beklagten Partei bei ***** P***** vor und erklärte, daß die Entlassung ungerechtfertigt erfolgt sei, weil er krank gewesen sei. Der Kläger wies dabei das in italienischer Sprache abgefaßte ärztliche Attest vom 1.August 1989 vor. Weiters erklärte der Kläger, daß er sich bei der Betriebskrankenkasse krank gemeldet habe. Auf Rückfrage bestätigte der Angestellte der Betriebskrankenkasse, der die telefonische Krankmeldung des Klägers entgegengenommen hatte, daß sich ein Mitarbeiter der beklagten Partei telefonisch krank gemeldet habe; von der Betriebskrankenkasse würden allerdings nur schriftliche Krankmeldungen anerkannt. ***** P***** empfahl dem Kläger daraufhin, sich mit dem ärztlichen Attest bei der Betriebskrankenkasse zu melden. Wegen der ausgesprochenen Entlassung nahm er dem Kläger den Werksausweis ab. Der Kläger ließ daraufhin die Krankheitsbestätigung von einem der italienischen Sprache kundigen Mitarbeiter der beklagten Partei übersetzen und überreichte sie am 16.August 1989 neuerlich bei der Betriebskrankenkasse. Am selben Tag erging von der Betriebskrankenkasse eine Mitteilung an das Personalbüro der beklagten Partei, daß die Krankmeldung des Klägers anerkannt werde. ***** P***** rief daraufhin sofort den Kläger an und teilte ihm mit, daß die Entlassung zurückgenommen werde. Der Kläger solle am 17.August 1989 seinen Werksausweis wieder abholen. Der Kläger erklärte, daß er sich bei der Gewerkschaft erkundigen werde. Am 17.August 1989 erkundigte sich der Kläger bei der Arbeiterkammer in K***** über die rechtlichen Konsequenzen der Entlassung. Als der Kläger auf die Möglichkeit einer Anfechtung der Entlassung hingewiesen wurde, erklärte er, daß er nicht mehr im Betrieb arbeiten wolle. Die Arbeiterkammer forderte daraufhin die beklagte Patei mit Schreiben vom 21.August 1989 auf, die Ansprüche des Klägers wegen ungerechtfertigter Entlassung abzurechnen und den sich ergebenden Nettobetrag dem Kläger zu überweisen. Am 24.August 1989 teilte die beklagte Partei dem Kläger brieflich mit, daß die Entlassung aufgrund der nachträglichen Anerkennung der Krankmeldung zurückgezogen worden sei. Für die unentschuldigte Abwesenheit am 4.August 1989 werde eine Verwarnung ausgesprochen. Gleichzeitig wurde dem Kläger aufgetragen, die Arbeit nach seinem Urlaub am 28.August 1989 wieder aufzunehmen, widrigenfalls ein unbegründeter vorzeitiger Austritt angenommen werde. Der Kläger trat seinen Dienst jedoch nicht mehr an. Mit eingeschriebenem Brief vom 28.August 1989 setzte die beklagte Partei den Kläger daraufhin davon in Kenntnis, daß sie ihn mit sofortiger Wirksamkeit gemäß § 82 lit f GewO entlasse, und zwar für den Fall, daß das Arbeitsgericht einen vorzeitigen Austritt ohne wichtigen Grund nicht annehmen sollte.

Es ist bei der beklagten Partei allgemein üblich, daß ein erkrankter Arbeitnehmer entweder selbst im Betrieb anruft oder einen Angehörigen anrufen läßt. Es kommt aber auch vor und wird von der beklagten Partei akzeptiert, daß eine Krankmeldung des Arbeitnehmers im Wege über die Betriebskrankenkasse erfolgt. Die Betriebskrankenkasse übermittelt dem Personalbüro der beklagten Partei täglich EDV-Ausdrucke mit den Krankmeldungen durch Ärzte oder Krankenhäuser.

Der Kläger begehrt einen Betrag von 32.055,57 S sA an Kündigungsentschädigung mit der Behauptung, die Entlassung sei ungerechtfertigt erfolgt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe die beklagte Partei von seinem Krankenstand am 31. Juli 1989 nicht informiert und sei daher wegen unentschuldigter Abwesenheit am 10.August 1989 entlassen worden. Am 14.August 1989 habe der Kläger der beklagten Partei ein ärztliches Attest vorgelegt, aufgrund dessen die beklagte Partei am 16.August 1989 nachträglich den Krankenstand des Klägers anerkannt habe. Daraufhin sei die Entlassung des Klägers einvernehmlich zurückgezogen worden. Der Kläger sei zum Arbeitsantritt nach Beendigung seines Urlaubs (vom 7.August bis 27. August 1989) aufgefordert worden, widrigenfalls angenommen werde, daß er vorzeitig austrete. Da der Kläger nicht erschienen sei, sei vorsorglich die Entlassung ausgesprochen worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger den Irrtum der beklagten Partei, der Kläger sei in der Woche vom 31.Juli 1989 bis 4.August 1989 der Arbeit ohne rechtmäßigen Hinderungsgrund ferngeblieben, durch Unterlassung einer Krankmeldung im Betrieb veranlaßt habe. Die beklagte Partei sei daher berechtigt gewesen, die Entlassungserklärung sofort nach Aufklärung des Irrtums zurückzunehmen. Das Arbeitsverhältnis habe durch den unbegründeten Austritt des Klägers geendet.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Betriebskrankenkasse als Empfangsbotin der beklagten Partei anzusehen sei; der beklagten Partei sei daher die Krankmeldung des Klägers zugekommen. Darüber hinaus betreffe der Irrtum über das Vorliegen eines Entlassungsgrundes nur das Motiv für die Entlassung und sei daher unbeachtlich.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Unrecht wendet sich die Revisionswerberin allerdings gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, der Irrtum über den Entlassungsgrund betreffe nur das Motiv und sei daher grundsätzlich unbeachtlich. Inhalt der Entlassungserklärung des Arbeitgebers ist die einseitige, sofort wirksame Auflösung des Arbeitsverhältnisses; der Entlassungsgrund, der vom Arbeitgeber nicht einmal genannt werden muß, bildet nicht Inhalt der Erklärung, sondern nur den Beweggrund für die Erklärung (siehe Rummel in Rummel ABGB I2 § 871 Rz 3; Koziol-Welser Grundriß I8 117 f).

Eine Entlassungserklärung kann allerdings sofort, etwa im Zuge unmittelbar nach ihrem Zugang einsetzender Erörterungen, einseitig widerrufen werden; danach ist die Beseitigung der einseitig erklärten Auflösung nurmehr im Einvernehmen mit dem früheren Vertragspartner möglich (Arb 10142 = DRdA 1984, 460 (Schauer); Arb 10209; DRdA 1986, 420 (Kerschner)). Widerspricht der Erklärungsempfänger der Entlassung und ist aus seinem Verhalten erkennbar, daß er eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wünscht, dann ist ein Widerruf der Entlassungserklärung kein einseitiger contrarius actus; der die Entlassungserklärung "widerrufende" Vertragspartner erklärt sich vielmehr damit einverstanden, das Dienstverhältnis, dem Wunsch des anderen entsprechend, weiterhin fortzusetzen (siehe Krejci in Rummel ABGB I2 § 1162 Rz 167). Die vom Kläger nach Empfang des Entlassungsschreibens unter Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses abgegebene Erklärung, die Entlassung sei ungerechtfertigt erfolgt, weil er krank gewesen sei und dies der Betriebskrankenkasse auch gemeldet habe, mußte ***** P***** als Aufforderung, die nach den Behauptungen des Klägers zu Unrecht erfolgte Entlassung zurückzunehmen, auffassen, da der Kläger nicht etwa Ansprüche wegen ungerechtfertigter Entlassung geltend machte, sondern sich lediglich gegen die Entlassung wandte. Wenn daher ***** P***** nach Rückfrage bei der Betriebskrankenkasse über die erfolgte telefonische Krankmeldung dem Kläger empfahl, sich mit dem ärztlichen Attest bei der Betriebskrankenkasse zu melden, dann konnte dies der Kläger nur als bedingte Zustimmung zu seinem Verlangen auf Widerruf der Entlassung für den Fall werten, daß der Kläger den Verhinderungsgrund belegen könne, insbesondere wenn man in Betracht zieht, daß es Sache der Betriebskrankenkasse war, die ärztliche Bestätigung zu prüfen und zu entscheiden, ob eine Arbeitsunfähigkeit begründende Erkrankung im Sinne des § 120 Abs 1 Z 2 ASVG vorlag. Da der Kläger die bezüglich ihrer Herbeiführung nur von seiner Willensbetätigung abhängige - allerdings die Übersetzung der Bestätigung in die deutsche Sprache erfordernde - Bedingung binnen zwei Tagen erfüllte, wurde die erfolgte Entlassung einvernehmlich rückgängig gemacht und damit das alte Dienstverhältnis so fortgesetzt, als ob keine Unterbrechung stattgefunden hätte (siehe Krejci aaO, Kuderna Entlassungsrecht 24 f). Da der Kläger dennoch nach Ablauf seines Urlaubs die Arbeit nicht wieder aufnahm, wurde er am 28. August 1989 von der beklagten Partei zu Recht entlassen, so daß dem Kläger die geltend gemachte Kündigungsentschädigung nicht gebührt.

Der Revision war daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens - Kosten des Berufungsverfahrens wurden von der beklagten Partei nicht verzeichnet - beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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