OGH 9ObA10/89

OGH9ObA10/8915.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer und Helga Kaindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. Wilhelm S***, Angestellter, Eferding, Kopalstraße 2, vertreten durch Dr. Peter Posch und Dr. Ingrid Posch, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei V***-A*** AG, Linz, vertreten durch Dr. Harry Zamponi ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 119.900,16 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Oktober 1988, GZ 12 Ra 83/88-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 28. März 1988, GZ 27 Cga 1141/87-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.028,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war von August 1978 bis März 1987 bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Kläger, der ab dem Jahre 1979 mehrmals im Ausland eingesetzt wurde, aufgelöst.

Die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten für Entsendung ins Ausland enthalten in der Fassung vom März 1982 folgende hier wesentliche Bestimmungen:

"3.3 Besteuerung

3.3.1 Für begünstigte Tätigkeiten im Sinne des § 3 Z 14 a EStG:

3.3.1.1 Für allfällige ausländische Personalsteuern und ausländische Sozialversicherungsbeiträge kommt das Unternehmen auf. Als Abgeltung für die Übernahme der ausländischen Personalsteuer wird die fiktive errechnete österreichische Steuer zu einem mit dem Betriebsrat zu vereinbarenden Prozentsatz einbehalten (derzeit 50 %), wobei es ohne Belang ist, ob und wie viel im Ausland an Steuern anfällt.

3.3.1.2 Da ausländische Steuern vom Unternehmen zu tragen sind, haben Mitarbeiter vor persönlichem Kontakt mit ausländischen Steuerbehörden die Vorgangsweise mit V***-A*** AG, Abteilung Finanzen-Steuerwesen, abzustimmen. Allfällige Schäden aus einem Verstoß gegen diese Regelung gehen zu Lasten des einzelnen Mitarbeiters.

3.3.1.3 Kommt es zu einer Besteuerung im Ausland, ist hievon die Abteilung Finanzen-Steuerwesen unter Anschluß der entsprechenden Unterlagen (Bescheide, Zahlungsbelege) umgehend zu verständigen.

......"

Etwaige Überschüsse aus diesem Einbehalt werden von der Beklagten im sogenannten "Steuertopf" verwaltet. Ist eine Überdeckung vorhanden, wird der Überschuß aliquot, entsprechend den im Wege des Abzuges geleisteten Beiträgen, an die (im Ausland eingesetzten) Arbeitnehmer zurückgezahlt. Die letzte Auszahlung belief sich auf ca. 10 % der geleisteten Beiträge. Derartige Auszahlungen erfolgen etwa drei bis vier Jahre nach der Leistung der entsprechenden Beiträge. Ausgeschiedene Mitarbeiter erhalten die Ausschüttung, wenn sie sich im Betrieb melden. In der Personalabteilung der Beklagten werden jährlich etwa 3000 Auslandsentsendungsverträge bearbeitet bzw. abgeschlossen. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung eines Betrages von S 119.900,16 sA. Er sei von November 1984 bis einschließlich März 1987 in Libyen eingesetzt gewesen. Während dieser Entsendung sei mit 50 % der fiktiven österreichischen Abgaben erheblich mehr als die in Libyen zu zahlende Steuer einbehalten worden. Die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Entsendung habe der Kläger nur unter wirtschaftlichem Druck unterschrieben. Die Entsendungsbedingungen seien gesetz- und sittenwidrig. Der Arbeitgeber dürfe nur die den jeweiligen Verhältnissen tatsächlich entsprechenden Steuern einbehalten; durch die Vereinbarung werde er in die Lage versetzt, Teile des Entgeltes einzubehalten, ohne dem Arbeitnehmer eine adäquate Gegenleistung zu bieten. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Auch wenn es sich um einen Lohnverzicht handle, sei dieser zulässig, weil die Einkünfte des Klägers weit über dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt lägen. Mit der Regelung in den Entsendungsbedingungen sei der ab 1. Jänner 1980 bestehenden Rechtslage Rechnung getragen worden, wonach Einkünfte inländischer Arbeitnehmer für bestimmte Tätigkeiten im Ausland von den inländischen Steuern befreit seien. Unbeschadet dessen unterlägen die Arbeitnehmer der Steuerpflicht in dem Staat, in dem sie ihre Tätigkeit verrichteten. Mit der getroffenen Lösung sei die stark differierende Abgabenbelastung in den verschiedenen Einsatzländern im Interesse der Arbeitnehmer und auch des Unternehmens ausgeglichen worden. Im Interesse der Arbeitnehmer sei es gelegen, Gewißheit über die Höhe der Nettoeinkünfte zu haben und von der Gefahr befreit zu sein, oft Jahre nach dem tatsächlichen Einsatz mit nachträglichen Forderungen belastet zu werden; darüber hinaus sollten die Arbeitnehmer nicht Gefahr laufen, in einem Land tätig zu werden, das wegen seiner hohen Abgabenbelastung nicht attraktiv sei. Im Interesse des Unternehmens sei es gelegen, daß Mitarbeiter nicht nur Einsatzorte mit geringer Abgabenbelastung anstreben. Das Unternehmen verwende die einbehaltenen Beträge ausschließlich zur Erfüllung der ausländischen Abgabenverpflichtungen der Arbeitnehmer; der Aufwand für die damit verbundenen administrativen Tätigkeiten gehe zu Lasten des Unternehmens. Überschüsse, die sich aus dem Saldo zwischen der Einzahlung der Arbeitnehmer und den Aufwendungen aus dem Titel "Abgaben" ergäben, würden quotenmäßig, den Einzahlungen entsprechend, rückerstattet, wogegen Unterdeckungen vom Unternehmen getragen würden. Die Rechte der einzelnen Arbeitnehmer würden in deren Auftrag von der Belegschaftsvertretung wahrgenommen, die an der Abwicklung mitwirke. Es handle sich um eine Solidaritätsaktion im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer, an der die Beklagte nur insoweit beteiligt sei, als sie die administrativen Lasten, die Haftung und das Risiko trage.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Als der Kläger im Jahr 1980 nach Schweden entsandt wurde, lehnte er die 1980 in die Entsendungsbedingungen aufgenommene Bestimmung über den Einbehalt von 50 % der fiktiven österreichischen Lohnsteuer ab. Der Aufenthalt in Schweden wurde noch nach den alten Vertragsbedingungen abgewickelt. Im Jahr 1981, etwa drei Wochen vor einer Entsendung nach Italien, wurden dem Kläger die neuen Vertragsbedingungen für Entsendungen ins Ausland von der Sachbearbeiterin zur Unterschrift vorgelegt. Als der Kläger die Unterfertigung verweigerte und erklärte, bei solchen Vertragsbedingungen nicht ins Ausland fahren zu wollen, sagte ihm sein Vorgesetzter, er solle keine Schwierigkeiten machen, er sei ja schließlich wegen der Auslandseinsätze aufgenommen worden. Sollte der Kläger nicht ins Ausland gehen, habe er in seiner Abteilung keine der Ausbildung des Klägers entsprechende Beschäftigung. Der Kläger unterschrieb schließlich, weil er für den Fall seiner Weigerung mit einer Kündigung rechnete. Von Jänner 1982 bis April 1983 war der Kläger in Saudi-Arabien, wo überhaupt keine Steuern, sondern nur Sozialversicherungsabgaben zu zahlen waren. Einen Tag vor seiner Entsendung nach Libyen, am 15. Oktober 1984, gab der Kläger eine schriftliche Erklärung ab, in der er die Übernahme der Allgemeinen Vertragsbedingungen für Entsendungen in das Ausland in der Fassung vom März 1982 bestätigte und zur Kenntnis nahm, daß diese Bedingungen künftig wesentlicher Bestandteil der jeweils gesondert abzuschließenden Entsendungsverträge für Auslandseinsätze seien. Für den Einsatz in Libyen wurde ein Monatsgehalt von S 24.240,-- brutto sowie zusätzlich 8 libysche Dollar pro Tag Anwesenheit auf der Baustelle vereinbart. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Vereinbarung des Einbehaltes von 50 % der fiktiven österreichischen Abgaben den Kläger gröblich benachteilige, weil der einbehaltene Betrag die von der Beklagten als Gegenleistung zu tragenden libyschen Abgaben bei weitem übersteige. Der Ausgleich von Vorteilen und Belastungen unter den im Ausland eingesetzten Arbeitnehmern des Unternehmens könne dies nicht sachlich rechtfertigen. Die Vereinbarung sei daher gemäß § 879 Abs 3 ABGB nichtig. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat die Rechtsauffassung, die Bestimmung des § 879 Abs 3 ABGB sei schon deswegen nicht anwendbar, weil mit der strittigen Vereinbarung das Entgelt des Arbeitnehmers und daher die an ihn zu erbringende Hauptleistung bestimmt werde. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Da der Kläger vor seiner ersten Entsendung seinen gewöhnlichen

Arbeitsort in Österreich hatte und überdies zwischen den

Auslandseinsätzen immer wieder in Österreich tätig war, kommt gemäß

§ 44 Abs 1 Satz 2 IPRG österreichisches Recht zur Anwendung

(vgl. ZAS 1987, 50 mit diesbezüglich zustimmender Besprechung von

Beck-Managetta/Mayer-Maly = Arb. 10.537 = SZ 59/91 =

JBl. 1987, 196 = EvBl 1986/178 = RdW 1987, 59; Schwimann

DRdA 1981, 281 ff !283 ).

Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, ist eine ausdrücklich vereinbarte, die Rechtsstellung des Arbeitnehmers für die Zukunft teilweise verschlechternde einvernehmliche Vertragsänderung soweit wirksam, als auch der geänderte Vertragsinhalt den durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung zwingend normierten Mindestanforderungen entspricht. Daß der Arbeitnehmer für den Fall der Ablehnung des Vorschlages des Arbeitgebers mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnete, macht die Vereinbarung nicht anfechtbar (vgl. DRdA 1984, 352 ff !mit Anmerkung von Eypeltauer = SZ 56/149 = Arb. 10.303 = EvBl 1984/48 = RdW 1983, 113).

Auch das Vorliegen einer Sittenwidrigkeit der Vereinbarung nach § 879 Abs 3 ABGB hat das Berufungsgericht zutreffend verneint. Selbst wenn man dem Revisionswerber folgt und den Begriff der Hauptleistung eng versteht (vgl. Krejci in Rummel ABGB § 879 Rz 238), ist für den Kläger nichts gewonnen, weil der Kläger durch die vereinbarte Abzugspauschalierung für Zwecke des Ausgleiches unterschiedlicher Besteuerung in den Einsatzländern jedenfalls nicht gröblich benachteiligt wurde. Abgesehen davon, daß das Streben des Unternehmens, seinen Arbeitnehmern durch Ausgleich der sich durch die unterschiedliche Besteuerung in den Einsatzländern ergebenden Vor- und Nachteile ein vom Einsatzort unabhängiges, überdies von vornherein bestimmbares Nettoeinkommen zu gewährleisten, durch den im Arbeitsrecht geltenden Gleichbehandlungsgrundsatz und daher durch die "Natur des Rechtsgeschäftes" gerechtfertigt ist (vgl. Krejci aaO Rz 241), stünde es der Beklagten jedenfalls frei, der unterschiedlichen Besteuerung durch eine unterschiedliche Bruttoentlohnung je nach Einsatzland Rechnung zu tragen. Wenn die Beklagte nun - sei es aus administrativen oder anderen Gründen - nicht diese gemäß § 879 Abs 3 ABGB jedenfalls unanfechtbare Möglichkeit einer sachlich gerechtfertigten unterschiedlichen Festsetzung der Hauptleistung wählte und die materielle Gleichbehandlung der entsandten Arbeitnehmer in bezug auf die Nettoentlohnung im Wege eines von der tatsächlichen Besteuerung im Einsatzland unabhängigen Pauschalabzuges erzielte, kann darin eine gröbliche Benachteiligung des Klägers im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB nicht erblickt werden, zumal nicht einmal behauptet wurde, daß die Pauschalabzüge von dem sich insgesamt tatsächlich ergebenden Steueraufwand erheblich nach oben abgewichen wären (orientiert man sich an der letzten Ausschüttung, ergab sich eine Überdeckung von nur 10 % der Abzüge) und ein Überschuß nicht etwa vom Unternehmen lukriert, sondern an die entsandten Arbeitnehmer entsprechend ihren Beiträgen zum gemeinsamen Fonds ausgeschüttet wurde.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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