Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.812,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 164,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin beendete am 15. Juli 1979 ihre Lehrzeit als Friseurin und arbeitete danach im Ausbildungsbetrieb noch bis 10. Oktober 1981. Vom 11. Oktober 1981 bis 31. März 1982 war die Klägerin arbeitslos. Sodann war sie Beklagten vom 1. April 1982 bis 17. November 1984 als Friseurgehilfin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch arbeitnehmerseitige Kündigung aufgelöst.
Der Bundeskollektivvertrag für Beschäftigte im Friseurgewerbe sieht für Gehilfen für die Zeit nach Beendigung der Lehre vier Lohnstufen vor, und zwar für die Behaltezeit Lohnstufe 1, nach deren Ende bis zu einem Jahr nach der Auslehre Lohnstufe 2, vom 2. bis einschließlich 4. Jahr nach der Auslehre Lohnstufe 3 und ab dem 5. Jahr nach der Auslehre die Lohnstufe 4.
Die Klägerin wurde beim Beklagten vom 1. April 1982 bis 31. Jänner 1984 nach Lohnstufe 3 und ab 1. Februar 1984 nach Lohnstufe 4 des Kollektivvertrages entlohnt.
Die Klägerin begehrt S 7.858,95 sA an Lohndifferenz mit der Begründung, ihr sei schon ab 15. Juli 1983 der Lohn nach Stufe 4 des Kollektivvertrages zugestanden.
Der Beklagte wandte ein, für die Lohnstufen seien nicht Lebensjahre, sondern Berufsjahre maßgeblich; die Klägerin sei daher unter Außerachtlassung der Zeit ihrer Arbeitslosigkeit richtig eingestuft worden. Darüber hinaus sei der geltend gemachte Anspruch nach § 20 des Kollektivvertrages mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision zulässig sei.
Das Erstgericht gelangte bei Bedachtnahme auf ähnliche kollektivvertragliche Regelungen gemäß § 7 ABGB zur rechtlichen Folgerung, daß auf die tatsächliche Arbeitszeit im erlernten Beruf und nicht auf Kalenderjahre nach Beendigung der Lehrzeit abzustellen sei.
Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, daß schon die Frage nach dem Zweck der Norm im Sinne des § 6 ABGB zur Auslegung führe, daß die Arbeitskraft des Arbeitnehmers nur dann nach Zurücklegung bestimmter Zeiten höher geschätzt werde, wenn sich dadurch die Fertigkeiten im erlernten Beruf vervollkommnet hätten. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn es sich nicht um Lebens- sondern um Berufsjahre handle.
Die von der Klägerin gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision ist gemäß der nach § 101 Abs 2 ASGG mit Rücksicht auf das nach dem 31. Dezember 1986 liegende Datum der angefochtenen Entscheidung auf den vorliegenden Fall bereits anzuwendenden Bestimmung des § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig, weil die durch die Verwendung eines unbestimmten Begriffs im Kollektivvertrag ausgelöste Frage, nach welchen Kriterien die Einordnung in die Lohnstufen zu erfolgen hat, für alle diesem Kollektivvertrag unterliegenden Arbeitsverhältnisse im Sinne einer Beispielswirkung für die Entscheidung späterer Rechtsstreitigkeiten bedeutsam sein kann (Kuderna, ASGG 483; 237 f).
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß Kollektivverträge in ihrem normativen Teil nach den §§ 6 und 7 ABGB auszulegen sind. Schon der Text des Kollektivvertrages - die Bezugnahme auf das Ende der - auf die Ausbildungszeit und nicht auf Lebensjahre abgestellten - Lehrzeit als Ausgangspunkt für die Berechnung der für die Einstufung maßgeblichen
Jahreszeiträume - spricht eher dafür, daß nicht Lebensjahre, sondern Jahre der einschlägigen Berufstätigkeit gemeint sind. Zum selben Ergebnis führt auch die objektiv-teleologische Interpretation. Den Kollektivvertragsparteien ist zumindest im Zweifel zu unterstellen, daß sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen und einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten (Arb. 10.447, 10.480 mwH). Geht man von der Interessenlage des Arbeitgebers aus, dann kann es keinem Zweifel unterliegen, daß Motiv für die Zahlung eines höheren Entgeltes nicht das höhere Lebensalter, sondern die Vervollkommnung der Kenntnisse und Fähigkeiten durch längere Berufserfahrung ist. Aber auch eine Betrachtung aus der Sicht der Arbeitnehmer führt dazu, die Berufserfahrung als maßgebliches Kriterium zu werten. Eine Einstufung nach Lebensjahren seit dem Abschluß der Ausbildung würde für jene Beschäftigten, die ununterbrochen in der Branche berufstätig waren, keinen Vorteil gegenüber einer Einstufung nach Berufsjahren bringen. Hingegen würde eine derartige Einstufung Beschäftigten, die nach Ende der Behaltefrist nicht bzw. nicht ununterbrochen in der Branche tätig waren, nur bei oberflächlicher vordergründiger Betrachtung Vorteile bringen. Eine Einstufung nach Lebensjahren wäre nämlich für diese Arbeitnehmer eher von Nachteil, weil sie höher zu entlohnen wären als Gehilfen mit gleich langer, aber nicht unterbrochener Berufstätigkeit, obwohl sie diesen gegenüber eher als weniger qualifiziert anzusehen wären. Eine Einstufung nach Lebensjahren würde zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung gegenüber den durch längere Berufserfahrung besser qualifizierten Arbeitnehmern führen. Die Einstufung nach Berufsjahren erscheint damit allein sachgerecht und im wohlverstandenen Interesse beider Seiten. Im übrigen kann auf die zutreffende Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 48 ASGG).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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