Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 676,48 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrt den Differenzbetrag zwischen der gesetzlichen sowie kollektivvertraglichen Abfertigung und der im Betrieb der Beklagten seit Jahren ohne Widerrufsvorbehalt in allen in Frage kommenden Fällen den Witwen von Arbeitern bezahlten 100 %igen Abfertigung, die den Arbeitnehmern im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugestanden wäre.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin als Erbin könne sich nicht auf eine betriebliche Übung für eine Erhöhung des gesetzlichen Abfertigungsanspruches der Erben nach § 23 Abs 6 AngG bzw § 2 ArbeiterabfertigungsG stützen. Das Schreiben der Beklagten über die Erhöhung der gesetzlichen Abfertigung sei lediglich eine Auslobung, die zu keiner konkludenten Vertragsergänzung mit dem verstorbenen Ehegatten hätte führen können. Bis zur Vollendung der Leistung (bis zum Tod des Dienstnehmers) hätte die Auslobung daher auch widerrufen werden können.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte fest:
Aufgrund der internen Arbeitsanweisung Nr 192 wurde die Abfertigung nach verstorbenen Arbeitnehmern festgelegt. Danach gebührt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod eines Arbeitnehmers bei Arbeitern unter anderem dem überlebenden Ehegatten die Abfertigung, die dem verstorbenen Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seines Ablebens zugestanden wäre, also 100 %. Von einer Freiwilligkeit oder von einer jederzeitigen Widerrufbarkeit war nie die Rede. Die zugesagten Zahlungen wurden in der Folge über Jahre hindurch bei Anlaßfällen geleistet. Im Zuge einer Neustrukturierung wurden aus finanziellen Gründen Leistungen, die über den Kollektivvertrag hinausgingen, wie auch die hier vorliegende Todfallsabfertigung neu überdacht und mit dem Betriebsrat Gespräche geführt. Eine Einigung kam nicht zustande. In einem Schreiben der beklagten Partei vom 26. 4. 1993 wurde ausgeführt, daß bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod eines aktiven Arbeitnehmers ab sofort nur noch die gesetzliche bzw kollektivvertragliche Abfertigung bezahlt werde. Der Betriebsrat bestritt die Rechtsgültigkeit des Widerrufes. Die Klägerin erhielt nach dem am 28. 6. 1996 verstorbenen Ehegatten 70 % der Abfertigung, die ihm zum Zeitpunkt seines Ablebens zugestanden wäre.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß durch die langjährige Übung im Betrieb der beklagten Partei eine Ergänzung des Einzelarbeitsvertrages des verstorbenen Ehegatten auf die höhere freiwillige Abfertigung zustande gekommen sei, was den Anspruch der überlebenden Ehegattin begründe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Ungeachtet des originären Anspruches auf Todfallsabfertigung nach § 23 Abs 6 AngG bestünde kein Hindernis, auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung zugunsten Dritter weitere Ansprüche zu vereinbaren. In konkludenter Weise sei die generell im Betrieb gehandhabte Regelung über die übergesetzliche Todfallsabfertigung Bestandteil des Einzelvertrages geworden. Diese Regelung, von der der Arbeitnehmer sich Kenntnis verschaffen konnte, sei eingehalten worden, so daß es nicht darauf ankomme, daß es sich nur um eine allgemeine Zusage an die Belegschaft in Form einer internen Arbeitsanweisung gehandelt habe. Die Hinterbliebenenleistung sei daher Gegenstand des Arbeitsvertrages geworden und nicht eines gesonderten Vertragsverhältnisses.
Das Berufungsgericht sprach weiters aus, daß die Revision zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Zum Wesen der betrieblichen Übung gehört, daß sie sich aus der faktischen Leistungserbringung ableitet und unter dem Gesichtspunkt einer konkludenten Vertragsergänzung des Einzelvertrages nach § 863 ABGB gesehen wird, so daß ein Rekurs auf die Absicht der Parteien ausscheidet, wenn diese nicht aus der Leistungserbringung selbst entnehmbar ist. Die Betriebsübung führt auch dann zur Ergänzung des Einzelvertrages, wenn kein Verpflichtungswille des Arbeitgebers vorliegt. Entscheidend ist, was der Arbeitnehmer unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände dem Erklärungsverhalten entnehmen konnte. Der Vertrauensschutz des § 863 ABGB kommt dann zum Tragen, wenn das Verhalten des Arbeitgebers nicht nur objektiv den Schluß auf einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Willen zuläßt, sondern wenn der Arbeitnehmer tatsächlich darauf vertraut hat und darauf vertrauen durfte (Arb 11.655; Infas 1999 A 19; RdW 1998, 92; 9 ObA 290/98g ua). Die generelle interne Anweisung, an die Witwen eine ergänzende Todfallsabfertigung auszuzahlen, im Zusammenhang damit, daß dieser Anweisung bei Anlaßfällen über Jahre hindurch entsprochen wurde, begründet das dem Anspruch der Klägerin zugrundeliegende Erklärungsverhalten des Arbeitgebers und den Vertrauenstatbestand für den verstorbenen Arbeitnehmer. Dabei ist nicht entscheidend, ob diese interne Arbeitsanweisung der Belegschaft und ihren Angehörigen praktisch unbekannt war, weil es nicht darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer davon individuell in Kenntnis gesetzt wurde und Kenntnis hatte, sondern ob er sich diese Kenntnis infolge des tatsächlichen Bestandes der Regelungen und ihrer Handhabung hätte verschaffen können (RdW 1998, 90 = Arb 11.631; RdW 1998, 92). Es ist daher die Rechtsansicht der Vorinstanzen richtig, daß es solcherart zu einer Ergänzung des Einzelvertrages zwischen dem Arbeitgeber und dem verstorbenen Arbeitnehmer gekommen ist und der Arbeitnehmer eine Abfertigungsanwartschaft erworben hatte.
Nach Lehre und Rechtsprechung steht die Toffallsabfertigung den Hinterbliebenen kraft eigenen Rechtes zu (Binder in Runggaldier Abfertigungsrecht 222, 225, 253 mwN; Arb 7309; DRdA 1997/17 [Binder]; DRdA 1999/10 [Riedler]) und ist aus der dienstvertraglichen Stellung des Arbeitnehmers abgeleitet. Auch betriebliche Zusatzleistungen, die zu Beginn oder während des aufrechten Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt werden, sind nicht eine belohnende Schenkung, sondern Entgelt für die zur Verfügung gestellte Arbeitskraft (DRdA 1993/45 [Resch]; Infas 1997 A 83; Ind 1998/2437). Der Arbeitgeber möchte dadurch die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers steigern und diesen verstärkt an den Betrieb binden und erhält für die versprochene Zusatzleistung eine Gegenleistung. Nicht von Relevanz ist, daß der Arbeitnehmer die Zusatzleistungen nicht selbst konsumiert, sondern sie auf seine Angehörigen überleitet oder die Leistungen nach dem Arbeitsvertrag an Dritte (Witwe) versprochen werden (Binder aaO 246; Binder in Schwimann ABGB Praxiskommentar2 Rz 35 f zu § 938). Aus dem synallagmatischen Charakter des zweiseitigen Vertrages über die Zusage von Hinterbliebenenleistungen im Gegensatz zum einseitigen Rechtsgeschäft der Auslobung resultiert aber die Vertragstreue (Infas 1997 A 83), so daß eine einseitige Änderung des Vertrages nicht möglich ist (9 ObA 76/97k).
Das Leistungsversprechen nicht an den Arbeitnehmer, sondern an Dritte bewirkt daher, daß die vertragliche und unantastbare Abfertigungsanwartschaft mit dem Arbeitnehmertod in einen unbedingten Leistungsanspruch des Hinterbliebenen übergeht. Der Dienstvertrag wird somit zu einem Vertrag zugunsten Dritter, der von den Arbeitsvertragsparteien nicht aufgehoben werden kann (Binder aaO 225, 253).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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