OGH 9ObA101/93

OGH9ObA101/939.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Helmuth Prenner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ernst J*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Helmut Salzbrunn, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** Betriebsberatungsgesellschaft mbH, ***** wegen S 585.589,24 brutto und S 54.070,60 netto sA sowie Ausstellung eines Dienstzeugnisses (im Revisionsverfahren S 68.507,23 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember.1992, GZ 33 Ra 79/92-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 26.September 1991, GZ 16 Cga 1018/91-15, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird zum Teil Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich des Zahlungsbegehrens dahin abgeändert, daß sie einschließlich des bestätigten und nicht angefochtenen Teils zu lauten haben:

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger S 474.636,85 brutto und S 54.070,60 netto jeweils zuzüglich 4 % Zinsen seit 1.3.1991 binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger S 110.952,39 brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit 1.3.1991 binnen 14 Tagen zu zahlen, wird abgewiesen.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 113.613,-- (darin S 17.155,50 Umsatzsteuer und S 10.680,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 7.947,60 (darin S 924,60 Umsatzsteuer und S 2.400,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 6.623,04 (darin S 603,84 Umsatzsteuer und S 3.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten seit Ende März 1987 bis 26.2.1991 als Organisations-Programmierer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch berechtigten vorzeitigen Austritt des Klägers wegen Nichtzahlung des Entgelts.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger (neben bereits rechtskräftig zuerkannten Beträgen) die für das Revisionsverfahren noch wesentlichen Beträge von S 124.100,-- an Überstundenentgelt für 378 Überstunden aus der Zeit von Jänner bis April 1988 und von S 75.384,62 an Urlaubsentschädigung für 56 Werktage aus den Urlaubsjahren 1989/90 und 1990/91.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe die behaupteten Überstunden nicht geleistet; diese seien auch weder angeordnet worden noch notwendig gewesen. Alle Ansprüche des Klägers seien noch vor Einbringung der Klage befriedigt worden. Der Kläger habe seine Erholungsurlaube aus den Jahren 1989 und 1990 zur Gänze verbraucht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit insgesamt S 444.483,-- brutto und S 54.070,-- netto sA (richtig: S 54.070,60 netto; s AS

111) statt und wies das Mehrbegehren von S 134.106,24 brutto sA (richtig: S 141.106,24 brutto sA) ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Das Gehalt des Klägers betrug ab 1.7.1987 S 18.000,-- brutto, ab Mai 1988 S 20.000,-- brutto, ab 1.9.1990 S 29.000,-- brutto und ab 1.1.1991 S 30.000,-- brutto, jeweils 14mal jährlich.

In der Zeit von Jänner 1988 bis April 1988 leistete der Kläger zahlreiche Überstunden, deren Notwendigkeit allen Beteiligten bekannt war. Er fertigte darüber Überstundenlisten an, die er jeweils am Ende des Monats, teils spätestens nach einem Monat, zur Abrechnung vorlegte. Die genaue Anzahl der Überstunden ist nicht feststellbar. Es waren ca. 20 Überstunden mit 25 % Zuschlag, ca. 150 mit 50 % Zuschlag und ca. 82 mit 100 % Zuschlag. Für diese Überstunden erhielt der Kläger weder eine finanzielle Vergütung noch Zeitausgleich.

Im Urlaubsjahr 1987/88 nahm der Kläger keinen Urlaub in Anspruch. Er verbrauchte die ihm zukommenden 30 Werktage erst im Urlaubsjahr 1988/89, in dem er noch weitere 6 Werktage Urlaub konsumierte. 1989/90 hatte er 6 Werktage und 1990/91 19 Werktage Urlaub.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die vom Kläger geleisteten Überstunden von Jänner bis April 1988 gemäß § 273 Abs 1 ZPO mit ca. 2/3 der behaupteten Überstunden festzusetzen seien. Da der Kläger in dieser Zeit S 18.000,-- brutto im Monat verdient habe, ergebe sich einschließlich der Einbeziehung des durch die Überstunden erhöhten Urlaubsentgeltes dafür ein Betrag von S 58.775,-- brutto.

Gleiches gelte für die Urlaubsentschädigung aus den Urlaubsjahren 1989/90 und 1990/91. Da der verbrauchte Urlaub jeweils auf den ältesten offenen Urlaubsanspruch anzurechnen sei, sei der Urlaubsanspruch nicht verfallen. Von einem Monatsgehalt von S 30.000,-- sei aber nur für das Jahr 1991 auszugehen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß es dahingestellt bleiben könne, ob zwischen den Parteien die Abgeltung von Überstunden durch Zeitausgleich vereinbart worden sei. Mangels einer kollektivvertraglichen Bestimmung oder einer individuellen Vereinbarung werde das Überstundenentgelt für Angestellte gemäß § 1154 Abs 2 ABGB mit Monatsende fällig. Liege eine Vereinbarung über einen Zeitausgleich vor, lebe der Anspruch auf Vergütung der Überstunden in Geld in jenem Umfang wieder auf, wie er im Zeitpunkt der Fälligkeit des Überstundenentgelts bestanden habe.

Ähnlich verhalte es sich mit der Berechnung der Urlaubsentschädigung. Als Urlaubsentschädigung stehe dem Kläger jenes Entgelt zu, das ihm gebührt hätte, wenn er seinen Urlaub in dem Urlaubsjahr, in dem der Urlaubsanspruch entstanden sei, verbraucht hätte. Das Erstgericht sei daher bei der Ermittlung der dem Kläger zustehenden Ansprüche auf Überstundenentgelt und Urlaubsentschädigung zutreffend von jenem Gehalt des Klägers ausgegangen, das er im Zeitpunkt der Entstehung der Ansprüche bezogen habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihm ein weiterer Betrag von S 68.507,23 brutto sA zugesprochen werde.

Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zum Teil berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der Kläger seinen restlichen Anspruch auf S 68.507,23 brutto sA bereits in der Berufung dahin aufschlüsselte, daß er S 38.353,38 an weiterem Überstundenentgelt und S 30.153,85 an restlicher Urlaubsentschädigung begehre. Der Anspruch auf Urlaubsentgelt für 1988 ist nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens.

Die Erwägungen des Berufungsgerichtes über die Höhe des Überstundenentgelts bei vereinbartem Freizeitausgleich können auf sich beruhen, da das Erstgericht keine derartige Vereinbarung feststellte (vgl. Grillberger, AZG § 10 Erl 5.1 ff). Das Erstgericht stellte lediglich fest, daß der Kläger für die Überstunden von Jänner bis April 1988 keine Vergütung erhielt; weder in Form von Zeitausgleich noch finanziell. Eine Vereinbarung, daß Überstunden generell durch Freizeit auszugleichen seien, wurde auch nicht behauptet. Aus der von der Beklagten vorgelegten Beilage./8 ergibt sich lediglich, daß der Kläger am 24.4.1990 um einen Zeitausgleich am 30.4.1990 ersucht hatte. Abgesehen davon kann die Vorlage von Urkunden das entsprechende Parteienvorbringen nicht ersetzen. Die Vorinstanzen haben daher die Überstundenvergütung zu Recht nach dem bis Mai 1988 bezogenen Entgelt des Klägers ermittelt (§ 48 ASGG).

Hinsichtlich des restlichen Betrages von S 30.153,85 brutto sA an Urlaubsentschädigung ist dem Revisionswerber jedoch darin beizupflichten, daß ein Arbeitnehmer, der den ihm zustehenden Urlaub noch nicht verbraucht hat, Anspruch auf eine Urlaubsentschädigung in der Höhe des ihm während des Urlaubs gebührenden Urlaubsentgelts hat (Klein-Martinek, Urlaubsrecht 117 f; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 360 f; Mayr in Adametz-Basalka-Mayr-Stummvoll, Kommentar zum Urlaubsgesetz § 9 Rz 12 ff; Arb 8937, 9643, 9781, 10.095, 10.275, 10.409; SZ 61/254; WBl 1988, 371 uva). Auch nicht verbrauchte Urlaubsansprüche aus früheren Jahren sind, soweit sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht verjährt sind, voll zu entschädigen. Für die Frage der Bemessung des ausstehenden Urlaubsentgelts ist entgegen der Ansicht der Vorinstanzen daher der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblich. Diese Beendigung gilt als Urlaubsantritt, so daß dieser Zeitpunkt für die Bemessung der Urlaubsentschädigung für den gesamten nicht verbrauchten Urlaub herangezogen werden muß (vgl Cerny, Urlaubsrecht6, 158; auch Schrank, Aktuelle Rechtsfragen zu Ausmaß und Verbrauch des Urlaubs, ZAS 1992, 181 ff, 192; Andexlinger, Verwirkung gehorteten Urlaubs?, RdW 1988, 322). Dem Kläger steht daher der geforderte Differenzbetrag zu.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet. Weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz stehen dem Kläger nicht zu, da das Berufungsgericht diese Kosten ohnehin bereits in Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO festgesetzt hat. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründen unter Einschluß eines zweitinstanzlichen Kostenerfolges auf einem Rechtsmittelerfolg in Höhe von S 30.153,85.

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