Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 7.360,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 669,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war im Geschäftshaus der beklagten Partei seit 2. September 1985 als Leiterin der Lebensmittelabteilung und des Cafes beschäftigt. Am 19. Juni 1986 wurde sie entlassen. Die Klägerin behauptet, ungerechtfertigt entlassen worden zu sein und begehrt an Gehalt vom 1. bis 19. Juni 1986, Kündigungsentschädigung samt aliquoten Sonderzahlungen bis 30. September 1986, Urlaubsentschädigung und Abfertigung einen Betrag von insgesamt S 243.933,39 brutto abzüglich S 41.784,-- netto. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Klägerin habe mehrere unterstellte Dienstnehmer zu überreden versucht, das Dienstverhältnis aufzugeben und zu einem Konkurrenzunternehmen überzuwechseln. Die Klägerin habe es auch unterlassen, für die zeitgerechte Verwertung von Waren mit Ablaufdatum Sorge zu tragen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß die Klägerin mehreren Arbeitnehmern die Adressen anderer Dienstgeber gegeben, sie zu einem Vorstellungsgespräch ermutigt und damit die Auflösung ihrer Dienstverhältnisse zumindest begünstigt habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es änderte das Ersturteil dahin ab, daß es der Klägerin S 237.933,39 brutto abzüglich S 41.784,-- netto sA zusprach und das Mehrbegehren von S 6.000,-- - insoweit unbekämpft - abwies. Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung nach teilweiser Beweiswiederholung folgende Feststellungen zugrunde:
Im Tiefparterre des Geschäftshauses der beklagten Partei befindet sich eine Feinkostabteilung, die sie gemeinsam mit der Fa. F*** F*** betreibt. Die beklagte Partei bietet das Trocken- und Weinsortiment, die Fa. F*** F*** Fleisch- und Milchprodukte sowie Obst an. Die beklagte Partei beschäftigte dort außer der Klägerin noch zwei und die Fa. F*** F*** etwa zehn Angestellte. Aufgabe der Klägerin war es, den Einkauf der von der beklagten Partei vertriebenen Waren zu besorgen und die Personalangelegenheiten der in der Feinkostabteilung beschäftigten Dienstnehmerinnen wahrzunehmen. Die Klägerin hatte auch das Verbrauchsdatum der einzelnen Waren zu überwachen. Während des aufrechten Dienstverhältnisses wurde die Klägerin diesbezüglich nicht beanstandet. Nach der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses wurde festgestellt, daß das Verbrauchsdatum von 60 Stück Seelachs, 18 Stück Gänseleber, 10 Stück Vegetable, 12 Stück Monte und 9 Stück Topfenknödel abgelaufen war.
Die in der Feinkostabteilung der beklagten Partei tätige und bei der Fa. F*** F*** beschäftigte Gerlinde R*** war mit ihrem Arbeitsverhältnis unzufrieden. Sie fragte im Juni 1986 die Klägerin gesprächsweise, ob sie einen Lehrplatz für sie wüßte, da sie die Absicht habe, etwas zu lernen. Die Klägerin schrieb daraufhin der Gerlinde R*** den Namen des für die Einstellung von Dienstnehmern Verantwortlichen der S***-Zentrale auf einen Zettel. Die in gleicher Weise wie Gerlinde R*** beschäftigte Helene G*** äußerte gegenüber der Klägerin den Wunsch nach einer Stellung mit einem besseren Einkommen. Daraufhin übergab die Klägerin der Helene G*** zwei Adressen (K*** S*** und Fa. S***).
Im Juni 1986 teilte die ebenfalls in der Feinkostabteilung tätige und bei der Fa. F*** F*** beschäftigte Karoline R*** der Klägerin mit, daß sie die Absicht habe, sich zu verändern. Sie bat die Klägerin, ihr für ein Vorstellungsgespräch bei der Fa. S*** freizugeben. Die Klägerin entsprach dieser Bitte, teilte dies aber dem Geschäftsführer der beklagten Partei, Erwin S***, mit. Als dieser von Karoline R*** vom Verhalten der Klägerin erfuhr, entließ er diese am 19. Juni 1986. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß der durch Abwerben verwirklichte Entlassungsgrund der Untreue nur dann vorliege, wenn ein Dienstnehmer aus eigener Initiative versuche, einen Mitbediensteten für ein anderes Unternehmen zu gewinnen. In dieser Form habe aber die Klägerin nicht gehandelt. Vielmehr seien Mitbedienstete an sie herangetreten, um sie bezüglich eines Arbeitsplatzwechsels zu fragen. Daß die Klägerin daraufhin diesen Mitbediensteten Ratschläge erteilt habe, sei kein Entlassungsgrund iS des § 27 AngG. Für die Verwirklichung des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit reiche fahrlässiges Handeln des Arbeitnehmers aus, das aber so schwerwiegend sein müsse, daß dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch während der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden könne. Daß die Klägerin bewußt gegen die Interessen ihres Dienstgebers handeln wollte, sei nicht hervorgekommen. Ihr Verhalten sei auch nicht so vertrauensunwürdig, daß der Beklagten eine Weiterbeschäftigung nicht zugemutet werden könnte.
Auch die Verletzung der Pflicht zur Überwachung der Aufbrauchsfrist einzelner Waren sei kein Entlassungsgrund. Die beklagte Partei habe nicht vorgebracht, in welcher Weise die Klägerin bei Ablauf der Verbrauchszeit von Lebensmitteln vorzugehen hatte und welche weiteren Maßnahmen von ihr zu ergreifen gewesen wären.
Die beklagte Partei erhebt gegen den stattgebenden Teil der Entscheidung der zweiten Instanz Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin ist der Ansicht, daß die Klägerin durch ihr Verhalten wenigstens vertrauensunwürdig geworden sei, zumal an Angestellte in leitender Stellung im allgemeinen strengere Anforderungen zu stellen seien.
Auch bei Anlegung dieses Maßstabes hat jedoch die Klägerin keinen Entlassungsgrund gesetzt. Ein Dienstnehmer, der während seines aufrechten Dienstverhältnisses bewußt und vorsätzlich einen anderen Angestellten zu bewegen sucht, das Dienstverhältnis zu lösen und in ein Konkurrenzunternehmen einzutreten, erfüllt die Voraussetzungen des Enlassungstatbestandes der Untreue nach § 27 Z 1 AngG (Arb 7.851, 7.901; SozM I A/d 1016; RdW 1987, 60). Wer hingegen nur ein Gespräch über die Möglichkeit eines Dienstgeberwechsels mit Arbeitskollegen einleitet, verletzt die Interessen des Dienstgebers noch nicht so schwer, daß diesem eine Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Es kommt wesentlich auf Art und Inhalt des Gespräches an, ob es nämlich nur den Zweck der Information hatte oder auch den noch nicht vorhandenen Entschluß des Dienstnehmers zu einem Übertritt in ein anderes Dienstverhältnis einleiten oder fördern sollte (SozM I A/d 1016; RdW 1987, 60). Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei die Berechtigung der Entlassung der Klägerin damit begründet, daß sie mehrere ihr untergebene Dienstnehmer zu überreden versucht habe, das Dienstverhältnis aufzugeben und zu einem Konkurrenzunternehmen überzuwechseln. Das hat jedoch das Beweisverfahren nicht ergeben. Die Klägerin hat die festgestellten Gespräche über den beabsichtigten Dienstgeberwechsel dreier ihr unterstellter Dienstnehmer nicht einmal eingeleitet. Vielmehr sind die beiden Dienstnehmerinnen Gerlinde R*** und Helene G***, die im übrigen nicht bei der beklagten Partei, sondern bei der mit dieser zusammenarbeitenden Fa. F*** F*** beschäftigt waren, aus eigenem Antrieb an die Klägerin mit der Bitte herangetreten, ob sie einen besseren Arbeitsplatz wüßte; sie seien nämlich mit dem gegenwärtigen nicht zufrieden. Die Klägerin hat sich darauf beschränkt, den beiden Mitbediensteten Adressen zu nennen, an die sie sich wenden könnten. Daß die Klägerin die Absicht gehabt hat, die beiden bereits zu einem Dienstgeberwechsel geneigten Mitbediensteten für ein bestimmtes Konkurrenzunternehmen abzuwerben, oder sie in ihrem Vorhaben zu bestärken, konnte nicht festgestellt werden. Die nur über Ersuchen der an einen Dienstgeberwechsel interessierten Mitbediensteten erfolgte Nennung möglicher anderer Arbeitsplätze erfüllt weder den Tatbestand der Untreue noch der Vertrauensunwürdigkeit.
Der dritten Mitbediensteten, Karoline R***, hat die Klägerin nur für ein Vorstellungsgespräch freigegeben, ohne auf den von dieser Dienstnehmerin in Erwägung gezogenen Dienstgeberwechsel irgendeinen Einfluß zu nehmen.
Daß nach der Auflösung des Dienstverhältnisses der Klägerin im Geschäft der beklagten Partei verschiedene Lebensmittel vorgefunden wurden, deren Verbrauchsdatum abgelaufen war, läßt allein noch nicht den Schluß auf eine erhebliche Dienstpflichtverletzung durch die Klägerin zu. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, hat die beklagte Partei kein Vorbringen darüber erstattet, wie die Klägerin, abgesehen von der Entfernung dieser Waren vom Verkauf, vorzugehen hatte. Insbesondere steht nicht fest, ob es ihr möglich gewesen wäre, durch einen entsprechend kalkulierten Einkauf einen derartigen Ablauf der Verbrauchszeit überhaupt zu vermeiden.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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