European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00091.22F.0124.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 20. 6. 2022 die Anträge der Betroffenen auf Beendigung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung bzw in eventu auf Übertragung der Erwachsenenvertretung auf ihren Lebensgefährten ab, enthob den bisherigen gerichtlichen Erwachsenenvertreter seines Amtes und bestellte Mag. * S* zum neuen gerichtlichen Erwachsenenvertreter.
[2] Der Beschluss wurde für die Betroffene zufolge der Verständigung über die Hinterlegung eines behördlichen Dokuments am Freitag, dem 24. 6. 2022, hinterlegt. Als Beginn der Abholfrist ist Montag, der 27. 6. 2022, ausgewiesen. Aus der Übernahmebestätigung der Hinterlegungsanzeige geht weiter hervor, dass das Schriftstück „abholbereit ab heute 16:30 Uhr oder Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag ab 9:00 Uhr von 27. 6. 2022 bis 11. 7. 2022“ war und noch am Freitag, den 24. 6. 2022, der Betroffenen ausgefolgt wurde („ausgefolgt vor Beginn der Abholfrist“, „Übernahmeverhältnis: Empfänger“ „Identität geprüft“). Die Übernahmebestätigung ist nach der Aktenlage von der Betroffenen unterzeichnet. Der Beschluss wurde weiter sowohl dem enthobenen als auch dem neu bestellten Erwachsenenschutzvertreter zugestellt (Zustellzeitpunkt gemäß § 89d Abs 2 GOG jeweils 23. 6. 2022).
[3] Das Rekursgericht wies den am 11. 7. 2022 eingebrachten Rekurs der Betroffenen als verspätet zurück.
Rechtliche Beurteilung
[4] Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen ist unzulässig.
[5] Die Betroffene erachtet die Einbringung ihres Rekurses gegen den erstgerichtlichen Beschluss deshalb als nicht verfristet, weil nach dem Gesetzeswortlaut des § 17 Abs 3 ZustellG und der Judikatur des Obersten Gerichtshofs hinterlegte Dokumente (erst) mit dem ersten Tag der Frist zur Abholung als zugestellt gelten würden. Der Beginn der Abholfrist sei mit 27. 6. 2022 festgelegt worden, sodass der Beschluss erst mit 27. 6. 2022 als zugestellt gelte.
[6] Damit wird keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt:
[7] Die Frist für den Rekurs beträgt vierzehn Tage. Sie beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des selbständig anfechtbaren Beschlusses (§ 46 Abs 1 AußStrG). Zwar gelten hinterlegte Dokumente mit dem Beginn der Abholfrist als zugestellt (§ 17 Abs 3 ZustG). Erhält der Empfänger das hinterlegte Zustellstück aber vor Beginn der Abholfrist ausgefolgt, ist § 24a ZustG (Zustellung am Ort des Antreffens) beachtlich, wonach dem Empfänger an jedem Ort zugestellt werden kann, an dem er angetroffen wird, wenn er 1. zur Annahme bereit ist oder 2. über keine inländische Abgabestelle verfügt. Diese Bestimmung wird nach der Rechtsprechung auch dann angewendet, wenn der Empfänger das hinterlegte Zustellstück vor Beginn der Abholfrist ausgefolgt erhält; die Zustellung ist damit wirksam. Das Zustellstück wird ihm nämlich bei der Geschäftsstelle des Zustelldienstes, also gemäß § 24a Z 1 ZustG am Ort des Antreffens, mangelfrei zugestellt; einer Heilung nach § 7 ZustG bedarf es nicht (RS0129524; 10 ObS 35/14s; 4 Ob 186/17g).
[8] Das Rekursgericht hat für die Zustellung daher zutreffend auf den 24. 6. 2022 abgestellt und den Rekurs der Betroffenen als verspätet erachtet. Eine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG liegt nicht vor.
[9] Der Revisionsrekurs der Betroffenen ist zurückzuweisen.
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