OGH 9Ob79/10y

OGH9Ob79/10y22.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerin V*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die Pistotnik & Krilyszyn Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Antragsgegner R***** T*****, vertreten durch Mag. Heinz Wolfbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen gerichtlicher Genehmigung der Aufkündigung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. September 2010, GZ 40 R 53/10f-11, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom 23. Februar 2010, GZ 29 Nc 10/09p-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Rekursgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, einen Bewertungsausspruch zu fassen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 30.000 EUR übersteigt oder nicht übersteigt.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind zu zwei Drittel bzw zu einem Drittel Miteigentümer einer Liegenschaft, die an den Antragsgegner vermietet wurde. Über Antrag der Antragstellerin genehmigte das Erstgericht die Einbringung einer gerichtlichen Aufkündigung des Bestandverhältnisses.

Über Rekurs des Antragsgegners änderte das Rekursgericht die erstgerichtliche Entscheidung im Sinn der Abweisung der beantragten Genehmigung der Aufkündigung ab. Dabei sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige. Der ordentliche Revisionsrekurs sei gemäß § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig, weil die Umstände des Einzelfalls maßgeblich gewesen seien.

Das Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I 2009/52, verfolgte mit seinen Änderungen in den zivil- und zivilverfahrensrechtlichen Bestimmungen primär das Ziel, die Gerichte zu entlasten. Zu diesem Zweck wurden unter anderem im Außerstreitgesetz die Wertgrenzen angehoben (RV 113 BlgNR 24. GP 10, 20). Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2009 - diese Fassung ist anzuwenden, wenn das Datum der Entscheidung der zweiten Instanz (wie im vorliegenden Fall) nach dem 30. 6. 2009 liegt (Art 16 Abs 4 Budgetbegleitgesetz 2009) - ist der Revisionsrekurs (außer im hier nicht relevanten Fall des § 63 Abs 3 AußStrG) jedenfalls dann unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. § 62 Abs 3 AußStrG gilt gemäß § 62 Abs 4 AußStrG nicht, soweit der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist. Hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht nach § 62 Abs 1 AußStrG zulässig ist, so kann gemäß § 62 Abs 5 AußStrG dennoch ein Revisionsrekurs erhoben werden, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt 30.000 EUR übersteigt, oder soweit er nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (außerordentlicher Revisionsrekurs).

Indem das Rekursgericht in seiner Entscheidung einen Bewertungsausspruch fasste, ging es implizit und zutreffend davon aus, dass der vorliegende Entscheidungsgegenstand rein vermögensrechtlicher Natur ist (vgl RIS-Justiz RS0007110, RS0007215, RS0109789 ua). Sein Bewertungsausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, erlaubt allerdings keine Beurteilung der Zulässigkeit des vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurses der Antragsstellerin durch den Obersten Gerichtshof, weil seit dem Budgetbegleitgesetz die maßgebliche Wertgrenze des § 62 Abs 3 und 5 AußStrG nicht mehr bei 20.000 EUR, sondern bei 30.000 EUR liegt. Das Rekursgericht hat zwar hinsichtlich seines Ausspruchs den Wortlaut des § 59 Abs 2 AußStrG für sich, der vom Budgetbegleitgesetz 2009 unberührt nach wie vor lediglich auf 20.000 EUR abstellt. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits zu 3 Ob 250/09z darauf hingewiesen, dass es sich dabei in § 59 Abs 2 AußStrG um ein Redaktionsversehen handelt, weil die dort unverändert gebliebene Wertgrenze von 20.000 EUR mit dem gesetzgeberischen Willen nicht mehr übereinstimmt, weil sie nicht den Änderungen durch das Budgetbegleitgesetz 2009 Rechnung trägt. In einem derartigen Fall ist es zulässig, eine Vorschrift gegen ihren eindeutigen Wortsinn zu verstehen. Wenn der Gesetzgeber eine Korrektur eines solchen offenkundigen Redaktionsversehens unterlässt, kann der Fehler auch im Weg der Gesetzesauslegung beseitigt werden (3 Ob 250/09z ua).

Im vorliegenden Fall lässt sich aus dem bisherigen Ausspruch des Rekursgerichts nur ableiten, dass der Entscheidungsgegenstand 20.000 EUR übersteigt, nicht jedoch, worauf es hier ankommt, ob er auch 30.000 EUR übersteigt. Der Bewertungsausspruch wird daher vom Rekursgericht entsprechend der Rechtslage nach Anhebung der Wertgrenzen durch das Budgetbegleitgesetz 2009 zu ergänzen bzw abzuändern sein. Zu diesem Zweck ist der Akt dem Rekursgericht zurückzustellen (3 Ob 250/09z).

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