Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Parteien beantragten, den zwischen dem Erstantragsteller als Wahlvater und dem Zweitantragsteller als Wahlkind am 5. 11. 2009 abgeschlossenen Adoptionsvertrag zu bewilligen. Der Erstantragsteller ist österreichischer Staatsbürger, der Zweitantragsteller syrischer Staatsbürger, beide sind muslimischen Glaubens.
Das Erstgericht wies den Antrag ab: Nach § 26 Abs 1 IPRG seien die Voraussetzungen für die Annahme an Kindesstatt und die Beendigung der Wahlkindschaft nach dem Personalstatut jedes Annehmenden und dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen. Da das Wahlkind eigenberechtigt sei, seien hier die Personalstatute sowohl des Wahlvaters (österreichisches Recht) als auch des Wahlkindes (syrisches Recht) zu beachten. Nach syrischem Recht richte sich die Möglichkeit einer Adoption danach, welcher Religion der Beteiligte angehöre und welches religiöse Recht demzufolge zur Anwendung komme. Für Personen muslimischer Glaubenszugehörigkeit sei eine Adoption aber ausgeschlossen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es verneinte einen Verstoß des - auch - anzuwendenden syrischen Rechts gegen den österreichischen ordre public (§ 6 IPRG). Es komme nicht darauf an, ob die religiös differenzierende Adoptionsregelung des syrischen Rechts nach österreichischem Recht diskriminierend empfunden wird. Die Verneinung der Möglichkeit einer Erwachsenenadoption - und um eine solche handle es sich hier - sei für sich kein Verstoß gegen den ordre public. Damit stehe der in § 26 Abs 1 IPRG vorgesehenen Anwendung syrischen Rechts kein Hindernis entgegen.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu beantworten sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, in Zulassung des Rechtsmittels die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Adoption bewilligt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch zulässig, weil noch keine Rechtsprechung dazu besteht, ob § 6 IPRG der Anwendung eines ausländischen Personalstatuts entgegensteht, wenn dieses - abhängig von der Religionszugehörigkeit - eine Annnahme an Kindesstatt nicht zulässt; er ist aber nicht berechtigt.
Gemäß § 26 Abs 1 erster Satz IPRG sind die Voraussetzungen der Annahme an Kindesstatt und der Beendigung der Wahlkindschaft nach dem Peronalstatut jedes Annehmenden und dem Personalstatut des Kindes zu beurteilen. Nur dann, wenn das Kind noch nicht eigenberechtigt ist, ist sein Personalstatut nur hinsichtlich seiner Zustimmung oder desjenigen Dritten maßgebend, zu dem es in einem familienrechtlichen Verhältnis steht (§ 26 Abs 1 zweiter Satz IPRG).
Nach dem - hinsichtlich des Wahlkindes -anzuwendenden syrischen Recht ist eine Adoption wohl möglich, wenn der syrische Staatsbürger zB jüdischer oder katholischer Religion ist, weil die familienrechtliche Gesetzgebung auf das jeweilige religiöse Recht der betreffenden Person verweist. Hingegen kennt das - auf den Zweitantragsteller als Muslim anzuwendende - islamische Recht überhaupt keine Möglichkeit der Adoption (Klinkhardt in MünchKomm5 Art 22 EGBGB Rn 56; Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, 130).
Die Revisionsrekurswerber berufen sich auf § 6 IPRG. Die Adoptionsregelung des syrischen Rechts sei nicht anzuwenden, weil sie zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung nicht vereinbar sei: Die Differenzierung einer Adoptionsmöglichkeit nach Religionszugehörigkeit sei diskriminierend und widerspreche auch dem Grundsatz der Trennung von Staat und Kirche.
Nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0077010; RS0110743) ist von der ordre-public-Klausel des § 6 IPRG grundsätzlich sparsamster Gebrauch zu machen; Ein bloßer Widerspruch zu zwingenden österreichischen Vorschriften reicht nicht aus, vielmehr müssen durch die Anwendung des fremden Rechts die Grundwerte der österreichischen Rechtsordnung verletzt sein (RIS-Justiz RS0110743). Die zweite wesentliche Voraussetzung für eine Ablehnung des fremden Rechts ist, dass das Ergebnis der Anwendung und nicht bloß das fremde Recht selbst anstößig ist (RIS-Justiz RS0110743; Verschraegen in Rummel II3, § 6 IPRG Rz 3).
Nach den Materialien zum FamErbRÄG 2004 (Erläut RV 471 BlgNR 22. GP 1, 11, 34) wurde die Situation als unbefriedigend empfunden, dass es möglich sei, dass ein österreichischer Staatsbürger einen volljährigen fremden Staatsangehörigen an Kindesstatt annehme, auch wenn das Heimatrecht des Wahlkindes eine Erwachenenadoption oder überhaupt eine Adoption nicht zulasse. Wörtlich heißt es: „Dieser Umstand ist zusammen mit dem großzügigen österreichischen Adoptionsrecht, das für die Erwachsenenadoption neben den allgemeinen Adoptionsvoraussetzungen wie dem gebotenen Altersunterschied nur ein gerechtfertigtes Anliegen des Annehmenden oder des Wahlkindes voraussetzt, genutzt worden, um dem ausländischen Adoptivkind eine gegenüber anderen Ausländern günstigere fremdenrechtliche Position zu verschaffen. Rechtsvergleichend gesehen untersagen - wohl auch zur Missbrauchsvermeidung - die meisten mittel- und osteuropäischen Staaten, viele afrikanische, süd- und nordamerikanische Rechtsordnungen die Erwachsenenadoption. Zulässig ist die Erwachsenenadoption hingegen grundsätzlich in den meisten Staaten Ost- und Südostasiens (nicht aber etwa auf den Philippinen) sowie in Westeuropa (außer etwa Niederlande, Großbritannien, Spanien, Irland und Portugal); auch in diesen Rechtsordnungen ist die Erwachsenenadoption oft an besondere zusätzliche Voraussetzungen, wie das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen Wahlkind und Annehmenden (zB Griechenland) oder eine Wohngemeinschaft (zB Schweiz), geknüpft. Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, soll nun eine kumulative Rechtsanwendung vorgesehen werden, weil im Fall einer Erwachsenenadoption die Verbindung des eigenberechtigten (volljährigen) Kindes zu seinem Herkunftsland tendenziell stärker ist, als beim nicht eigenberechtigten (minderjährigen) Kind, und gleich starke Beziehungen zum Personalstatut des/der Annehmenden und zum Personalstatut des Wahlkindes bestehen. Für nicht eigenberechtigte (minderjährige) Kinder ändert sich die geltende Rechtslage im Hinblick auf den zweiten Satz nicht. Durch diese kumulative Rechtsanwendung soll die Entscheidung des Heimatstaats des eigenberechtigten (volljährigen) Wahlkindes, die Adoption nicht oder nur unter besonderen Umständen zuzulassen, respektiert werden. Die Adoption einer eigenberechtigten (volljährigen) Person soll daher in Zukunft nicht mehr zulässig sein, wenn deren Personalstatut die Adoption entweder generell (zB wenn das Rechtsinstitut der Adoption nicht bekannt ist) oder wegen ihres Alters nicht zulässt; solche Personen können in Österreich nicht mehr wirksam adoptiert werden. Eine Neuregelung im internationalen Privatrecht neben einer restriktiveren Ausgestaltung der Erwachsenenadoption im materiellen Recht ist durchaus sinnvoll. Diese Neuregelung stellt nämlich auch einen Schritt zur Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse dar; sie setzt die Möglichkeit herab, dass ein Wahlkind nach dem Personalstatut der Wahleltern (also nach österreichischem Recht), nicht aber nach seinem eigenen Recht als adoptiert gilt. Am besten lassen sich hinkende Adoptionsverhältnisse durch eine kumulative Anwendung des Personalstatuts der Wahleltern und des Wahlkindes vermeiden. …“.
Aus den vorgenannten Materialien ergibt sich zunächst, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer (Erwachsenen-)Adoption zwischen Angehörigen verschiedener Staaten nicht als Notwendigkeit ansieht, sondern akzeptiert, dass andere Staaten dieses Institut nicht haben. Die Unmöglichkeit der Adoption eines ausländischen Erwachsenen verstößt daher nicht schon per se gegen den ordre public.
Das Argument der Revisionsrekurswerber, dass die syrische Regelung einerseits diskriminierend sei, andererseits aber auch im Gegensatz zum Säkularitätsprinzip stehe, muss nicht geprüft werden, weil es die oben genannte weitere Voraussetzung für die Anwendung der ordre-public-Klausel nicht berücksichtigt, wonach es nicht auf die allfälige Anstößigkeit des fremden Rechts, sondern nur auf die Anstößigkeit des Ergebnisses der Anwendung ankommt (RIS-Justiz RS0110743; Verschraegen in Rummel II3,§ 6 IPRG Rz 3). Das Ergebnis, dass die Erwachsenenadoption hier nicht möglich ist, widerspricht aber den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung nicht.
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