Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger ist seit Gründung des beklagten Vereins dessen Mitglied.
Die §§ 7, 8 und 14 der Satzung der beklagten Partei haben folgenden Wortlaut:
"§ 7:
Aufhören der Mitgliedschaft:
a) durch den Tod,
b) durch den freiwilligen Austritt, welcher jedoch für das Vereinsjahr nur dann wirksam wird, wenn derselbe spätestens bis zur Jahreshauptversammlung der Vereinsleitung schriftlich oder mündlich bekanntgegeben wird,
d) durch Ausschluß seitens der Vereinsleitung.
§ 8:
Der Ausschluß erfolgt, wenn das Mitglied mit der Zahlung der festgelegten Beiträge länger als 3 Monate vom Tage der ersten Mahnung im Rückstande bleibt und nicht um Stundung angesucht hat, sich den Satzungen nicht fügt, oder durch sein Verhalten das gute Einvernehmen zwischen den Mitgliedern stört. Über den Ausschluß entscheidet die Vereinsleitung mit 2/3 Stimmenmehrheit. Die ausgeschiedenen Mitglieder verlieren sämtliche Ansprüche auf das vorhandene Vereinsvermögen.
....
§ 14
In allen aus dem Vereinsverhältnis entspringenden Streitigkeiten entscheidet ein Schiedsgericht. Der Obmann macht zwei Schiedsrichter namhaft, diese wählen einen Vorsitzenden, der nicht Vereinsmitglied sein muß. Der Schiedsspruch kommt einstimmig oder mit Stimmenmehrheit zustande. Der Vorsitzende hat Stimmrecht. ...."
An der Vorstandssitzung vom 12.Jänner 1994 nahmen der Obmann, der Obmannstellvertreter, der Kassier, der Schriftführer, der Bahnwart und zwei Beiräte teil.
Bei dieser Vorstandssitzung wurde einstimmig beschlossen, den Kläger gemäß § 7 lit d der Satzung auszuschließen, weil er "wiederholt das gute Einvernehmen zwischen den Vereinsmitgliedern gestört hatte, was gemäß § 8 der Satzung einen Ausschlußgrund darstellt". Dies wurde dem Kläger mit Schreiben vom 12.Jänner 1994 mitgeteilt. Dieses Schreiben wurde von sämtlichen Personen, die an der Vorstandssitzung teilgenommen hatten, unterfertigt.
Der Kläger rief das Vereinsschiedsgericht nicht an, weil er erwartete, daß der Obmann der beklagten Partei zwei Personen als Schiedsrichter bestellen werde, die bereits für den Ausschluß des Kläger gestimmt hatten.
Der Kläger begehrt die Feststellung, daß der am 12.Jänner 1994 beschlossene Ausschluß aus dem beklagten Eisschützenverein rechtsunwirksam sei. Ein Ausschlußgrund im Sinne des § 8 der Satzung liege nicht vor; überdies sei dem Kläger nicht - wie im Vereinsgesetz vorgesehen - vor dem Ausschluß die Möglichkeit zu einer Stellungsnahme gegeben worden. Die Schiedsklausel sei sittenwidrig, weil der Obmann des Vereins zwei Schiedsrichter namhaft machen könne.
Der beklagte Verein beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei zu Recht ausgeschlossen worden, weil er gegen Mitglieder der Vereinsleitung tätlich vorgegangen sei und für ihn in verschiedenen Lokalen gerichtliche Lokalverbote bestünden. Außerdem sei er mit den Mitgliedsbeiträgen jahrelang in Verzug geblieben. Schließlich habe es der Kläger unterlassen, vor der Anrufung des Gerichtes das Vereinsschiedsgericht anzurufen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Der Kläger habe den vereinsinternen Instanzenzug nicht ausgeschöpft; besondere Gründe, die die Anrufung des Vereinsschiedsgerichtes für den Kläger unzumutbar machen würden, lägen nicht vor.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des vom Berufungsgericht entschiedenen Streitgegenstandes 50.000 S übersteigt (Berichtigungsbeschluß vom 27. Oktober 1995) sowie, daß die ordentliche Revision unzulässig sei. Obwohl die Auffassung des Klägers, der Obmann werde als Schiedsrichter Personen auswählen, die dem Kläger nicht gut gesonnen seien, einiges für sich habe, könne nicht vorweg von einem für den Kläger negativen Ergebnis des Schiedsverfahrens ausgegangen werden. Auch wenn der Ausschluß des Klägers von einem auf diese Weise zusammengesetzten Schiedsgericht höchstwahrscheinlich bestätigt würde, sei dem Kläger die Anrufung des Vereinsschiedsgerichtes zumutbar, weil ihm danach der Rechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte zustehe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Wie der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen SZ 42/163 und JBl 1994, 833 = ecolex 1994, 619 ausgesprochen hat, kann das Vereinsmitglied bei Vorliegen besonders beachtenswerter Ausnahmsfälle, die im Einzelfall die Anrufung des Vereinsschiedsgerichtes unzumutbar machen, die ordentlichen Gerichte anrufen, ohne vorher den vereinsinternen Instanzenzug auszuschöpfen. Da das in § 14 der Satzung vorgesehene Vereinsschiedsgericht nicht paritätisch besetzt ist, sondern lediglich der Obmann zwei Schiedsrichter namhaft zu machen hat, die dann ihrerseits einen Vorsitzenden wählen, ist die Unparteilichkeit nicht gewährleistet. Da das einzelne Vereinsmitglied in der Regel keinen Einfluß auf die Gestaltung der Statuten hat und daher in einer dem Adressaten staatlicher Normen ähnlichen Unterlegenheitssituation ist, ist eine verstärkte Grundrechtsbindung bei der Satzung von Vereinssatuten zu
bejahen (vgl DRdA 1993/45 [zust Resch] = ZAS 1995/1 [zust Schrammel]
= RdW 1993, 81 [zust Runggaldier]). Die eklatant gegen die Grundsätze
des fair trial nach Art 6 MRK verstoßende Regelung über die Besetzung des Vereinsschiedsgerichtes ist daher gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig (s auch Rummel in Strasser-FS [1983], Privates Vereinsrecht im Konflikt zwischen Autonomie und rechtlicher Kontrolle 829 ff [835]; Fessler/Keller, Österreichisches Vereinsrecht7, 53).
Im fortgesetzten Verfahren werden sich die Vorinstanzen mit den gegen den Kläger erhobenen Vorwürfen auseinanderzusetzen haben; hiebei wird überdies zu beachten sein, daß zulässiger Gegenstand eines Begehrens nach § 228 ZPO nicht die Unwirksamkeit einer Rechtshandlung, sondern das (Fort-)bestehen des betreffenden Rechtsverhältnisses ist (s Rechberger in Rechberger, ZPO § 228 Rz 4 und 5); der Kläger wäre daher zu einer entsprechenden Fassung seines Begehrens anzuleiten.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.
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