Spruch:
Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden hinsichtlich der Entscheidung über die Klageforderung dahin abgeändert, dass sie in diesem Umfang als Teilurteil zu lauten haben:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 22.714,15 samt 6,5 % Zinsen seit 19. 5. 2001 zu zahlen. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere EUR 1.772,71 sA zu zahlen, wird abgewiesen. Die Entscheidung über die hierauf entfallenden Verfahrenskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten."
Die Kosten des hierauf entfallenden Revisionsverfahrens bleiben ebenfalls der Endentscheidung vorbehalten.
Im Übrigen - nämlich hinsichtlich der Entscheidung über die Gegenforderung - werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des hierauf entfallenden Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin kaufte vom Beklagten laut schriftlichem Kaufvertrag vom 13. 12. 2000 um S 280.000,- zuzüglich 20 % Umsatzsteuer einen gebrauchten LKW Mercedes 410 mit Kühlkofferaufbau und Kühlaggregat. Im Vertragstext ist festgehalten, dass beide Vertragsteile „ausdrücklich auf das Rechtsmittel, diesen Kaufvertrag wegen jeglicher Verletzung anzufechten" verzichten. Der gesamte Vertragstext einschließlich dieser Klausel war von den Parteien durchbesprochen worden. Der Kaufpreis wurde der Klägerin bis 31. 12. 2001 gestundet.
Der auf dem LKW montierte Kofferaufbau, bei dem es sich in Wahrheit nicht um einen Kühlkoffer, sondern um einen Frischdienstkoffer handelte, war im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses so mangelhaft, dass ein Transport von gekühlten Lebensmitteln damit keinesfalls zulässig war. Auf Grund der Undichtheit des zu kleinen Kühlaggregats konnte keine konstante Temperatur um ca. 0 Grad gewährleistet werden. Auch die am Aufbau vorhandenen rostigen Stahlzurrschienen sind bei einem Kühlkoffer nicht zulässig.
Der LKW war vom Beklagten von Jänner bis August 2000 an einen Dritten vermietet worden, der das Fahrzeug zum Transport gekühlter Hühner verwendete. Seit Oktober 2000 wurde das Fahrzeug von der Klägerin - gegen Mietentgelt - benützt. Am 11. 9. 2000 beauftragte die Klägerin ein Fachunternehmen, den Kühlkompressor des Kühlaggregats zu reparieren. Die Reparaturkosten betrugen S 12.912,-. Überdies hatte die Klägerin bei einem anderen Unternehmen Instandsetzungsarbeiten um S 11.491,- beauftragt.
Im Jänner 2001 erlangte die Klägerin erstmals Kenntnis davon, dass der LKW-Aufbau nicht den lebensmittelpolizeilichen Bestimmungen entspricht. Trotzdem setzte sie das Fahrzeug bis August 2001 und danach auch noch im Frühjahr 2002 und im März 2003 zum Transport von Hühnern ein.
Die Klägerin teilte dem Beklagten erst mit Schreiben vom 10. 9. 2001 und vom 4. 10. 2001 mit, dass sie über den Zustand und den Wert des Fahrzeugs in Irrtum geführt worden sei und daher vom Kaufvertrag zurücktrete.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten letztlich die Zahlung von EUR 24.486,86 sA. Der Beklagte schulde ihr für von der Klägerin in seinem Auftrag verkaufte Grillhühner, für zur Verfügung gestellte Gewürze und für das Aufstellen von Hüpfburgen und Zelten insgesamt EUR 22.714,15. Zusätzlich werde der Ersatz der von der Klägerin gezahlten Reparaturrechnungen betreffend den damals noch im Eigentum des Beklagten stehenden LKW begehrt.
Der Beklagte bestritt die Forderung von EUR 22.714,15 nicht, wohl aber seine Zahlungspflicht für die geltend gemachten Reparaturkosten. Überdies wendete er die von ihm mit EUR 24.418,07 bezifferte Kaufpreisforderung aus dem Verkauf des LKW als Gegenforderung ein. Hilfsweise machte er als Gegenforderung ein Benützungsentgelt für die Nutzung des LKW durch die Klägerin bis Mai 2003 in Höhe von EUR 22.535,- sowie den von ihm bis zum Frühjahr 2003 getragenen Versicherungsaufwand für den LKW von EUR 3.706,31 geltend. Die Parteien seien Kaufleute iSd HGB, sodass der im Kaufvertrag vereinbarte Gewährleistungs- und Anfechtungsausschluss wirksam sei. Auch eine Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte des wahren Werts sei ausgeschlossen. Zudem habe die Klägerin etwaige Mängel der Kaufsache bei Unterfertigung des Kaufvertrags gekannt, allfällige Mängel nicht rechtzeitig iSd § 377 HGB gerügt und durch die Weiterbenutzung des Fahrzeugs in Kenntnis des Mangels auf eine Anfechtung verzichtet.
Die Klägerin hielt dem entgegen, im Jänner 2001 vom Kaufvertrag zurückgetreten zu sein und den Beklagten zur Abholung des LKW aufgefordert zu haben. Der Rücktritt sei gerechtfertigt, weil sie vom Beklagten mit entsprechenden Dokumenten und Nachweisen über die fehlende Betriebssicherheit in Irrtum geführt worden sei und der tatsächliche Wert des LKW von maximal S 42.500,- nicht einmal die Hälfte des vereinbarten Kaufpreises erreicht habe. Der Kaufpreis sei daher auch wucherisch. Der Kühlaufbau habe von Anfang an gegen lebensmittelpolizeiliche Bestimmungen verstoßen. Der Beklagte habe die Klägerin arglistig darüber getäuscht, dass ein Kühlkoffer vorhanden sei, der zum Transport von Hühnern geeignet sei, obwohl das Fahrzeug in Wahrheit nur einen wertlosen Frischdienstkoffer aufweise. Dies sei erst durch das im Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten hervorgekommen. Da der LKW für den bedungenen Zweck nicht geeignet sei, stehe dem Beklagten kein Benützungsentgelt zu.
Das Erstgericht erkannte die Klageforderung mit EUR 22.714,15 sA und die Gegenforderung des Beklagten bis zur Höhe der Klageforderung als zu Recht bestehend und wies demgemäß das Klagebegehren ab. Zur Gegenforderung - nur diese ist Gegenstand des Revisionsverfahrens - führte das Erstgericht aus wie folgt:
Da beide Parteien als Kaufleute iSd § 1 HGB zu qualifizieren seien, sei die Anfechtung des Vertrags aus dem Titel der Gewährleistung oder wegen Verkürzung über die Hälfte ausgeschlossen. Die Anfechtung wegen Irrtums sei zwar grundsätzlich möglich, unter Kaufleuten jedoch von der Einhaltung der Rügepflicht nach § 377 HGB abhängig, wenn der Kauf für beide Seiten ein Handelsgeschäft sei. Hier sei die Rüge der Mängel des LKW verspätet erfolgt, sodass jegliche Anfechtung des Vertrags ausgeschlossen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und erachtete den Einwand der Klägerin, es liege kein beiderseitiges Handelsgeschäft vor, als unzulässige Neuerung.
Im Übrigen pflichtete es der Klägerin bei, dass sich der Verkäufer, der den Mangel arglistig verschwiegen habe, gemäß § 377 Abs 5 HGB nicht auf die Obliegenheit des Käufers zur Mängelrüge berufen könne und dass dem arglistigen Verschweigen eines Mangels die arglistige Vorspiegelung einer Eigenschaft gleiche. Die bloß nicht zutreffende Zusicherung bestimmter Eigenschaften allein lasse aber die Rügeobliegenheit nicht entfallen. Arglist durch Verschweigen eines Mangels liege erst dann vor, wenn der Verkäufer in Kenntnis des Mangels verkaufe und gleichzeitig damit gerechnet habe, dass dem Käufer die Mangelhaftigkeit nicht bekannt sei. Weiters müsse sich der Verkäufer bewusst gewesen sein, dass der Käufer den Vertrag möglicherweise nicht oder nicht zu den gleichen Bedingungen geschlossen hätte, wenn er über den Mangel aufgeklärt worden wäre. Bei Eigenschaften der Ware, die typischerweise vom Verkehr als so wesentlich angesehen werden, dass eine Aufklärung üblich sei, könne sich der Verkäufer nicht darauf berufen, er habe nicht angenommen, dass der verschwiegene Mangel für den Käufer von Bedeutung sei. Hier stehe zwar fest, dass es sich beim am LKW montierten Aufbau entgegen der Umschreibung des Leistungsgegenstandes im Kaufvertrag nicht um einen Kühlkofferaufbau, sondern um einen Frischdienstkoffer handelte, mit dem ein Transport von gekühlten Lebensmitteln unzulässig sei. Daraus allein ergebe sich jedoch „in Verbindung mit den übrigen Beweisergebnissen" noch nicht ein arglistiges Verhalten des Beklagten, weil selbst aus dem Umstand, dass der Beklagte den mit einem Aufbau samt Kühlaggregat versehenen LKW gekauft und den Einbau eines neuen Kühlaggregats veranlasst habe, nicht zwingend ableitbar sei, dass er gewusst oder es für möglich gehalten habe, dass es sich beim Aufbau um keinen Kühlkofferaufbau handle und das von einer Fachfirma eingebaute Kühlaggregat nicht typengenehmigt sei. Von einer arglistigen Täuschung der Klägerin durch den Beklagten bei Abschluss des Kaufvertrags könne daher weder nach den erstgerichtlichen Feststellungen noch nach den sonstigen Ergebnissen des Beweisverfahrens ausgegangen werden.
Zu Recht habe daher das Erstgericht den Vertrag dem § 377 HGB unterstellt und die Rechtzeitigkeit der erst im September 2001 erhobenen Mängelrüge verneint. Damit seien alle vertragsrechtlichen Ansprüche aus der Mangelhaftigkeit der Ware ausgeschlossen. Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin.
Der Beklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus den im Folgenden dargestellten Gründen zulässig und im Sinne der Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen auch berechtigt.
Dass sich der Verkäufer, der den Mangel arglistig verschwiegen hat, nicht auf § 377 Abs 5 HGB berufen kann, hat das Berufungsgericht richtig erkannt. Ebenso zutreffend sind die Ausführungen des Berufungsgerichtes, mit denen es darstellt, unter welchen Voraussetzungen arglistiges Verhalten des Verkäufers anzunehmen ist. Insofern reicht es aus, auf die eingehenden Ausführungen der zweiten Instanz zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ob - wie die Klägerin in erster Instanz vorgebracht hat - der Beklagte arglistig gehandelt hat, ist allerdings den erstgerichtlichen Feststellungen nicht zu entnehmen: Zur Frage, ob der Beklagte gewusst oder für möglich gehalten hat, dass der LKW für Kühltransporte nicht geeignet ist, dass der Aufbau kein Kühlkoffer sondern nur ein Frischhaltekoffer ist und dass das Kühlaggregat - wie von der Klägerin geltend gemacht - nicht typengenehmigt ist, wurden weder positive noch negative Feststellungen getroffen. Gleiches gilt für die Frage, ob der Beklagte gewusst bzw für möglich gehalten hat, dass der Beklagten von all diesen Umständen nichts gewusst hat. Das Fehlen entsprechender Feststellungen wurde von der Klägerin in der Berufung auch geltend gemacht. Das Berufungsgericht hielt diesem Einwand einerseits entgegen, dass sich arglistiges Verhalten des Beklagten aus den tatsächlich getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes nicht ableiten lässt. Dem ist beizupflichten. Darüber hinaus würdigte es aber andererseits die ihm als maßgebend erscheinenden Beweisergebnisse und vertrat die Auffassung, dass auch auf dieser Grundlage nicht von einer arglistigen Täuschung der Klägerin durch den Beklagten ausgegangen werden könne. Mit diesen zuletzt wiedergegebenen Ausführungen hat das Berufungsgericht in Wahrheit auf Grund eigener Beweiswürdigung eine für die rechtliche Beurteilung erforderliche Tatsachenfeststellung getroffen. Vom Erstgericht unterlassene Feststellungen können aber nur nach einer Beweiswiederholung (oder -ergänzung) getroffen werden (E.Kodek in Rechberger² ZPO § 488 Rz 4 mwN), die hier nicht erfolgt ist. Damit erweist sich - was in der Revision auch geltend gemacht wurde - das Berufungsverfahren als mangelhaft.
Dieser Mangel ist auch wesentlich, weil von den in Rede stehenden Feststellungen abhängt, ob die Klägerin das Recht, den Vertrag wegen Irrtums anzufechten, verloren hat. Dass die Klägerin durch die Weiterbenützung des Fahrzeugs trotz Kenntnis des Mangels auf die Anfechtung (schlüssig) verzichtet habe, trifft nämlich nicht zu. Abgesehen davon, dass die Klägerin (bislang allerdings ungeprüft) behauptet, das wahre Ausmaß des Abweichens der Ware vom Kaufvertrag erst im Laufe des Verfahrens erkannt zu haben, konnte der Beklagte bis zur Rücktrittserklärung im September 2001 schon deshalb nicht „ohne vernünftigen Grund, daran zu zweifeln" auf einen solchen Verzicht schließen, weil die Klägerin bis dahin den Kaufpreis zurückgehalten hat. Ab der Rücktrittserklärung besteht für die Annahme eines schlüssigen Verzichts von vornherein keine Grundlage mehr.
Da im übrigen Beweisergebnisse zu den hier aufgezeigten Frage bislang fehlen und die Umstände, die für die Beurteilung der Erkennbarkeit des Mangels durch den Beklagten ein umfangreiches Beweisverfahren erwarten lassen, erweist es sich als zweckmäßig, die Entscheidung beider Vorinstanzen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen, das auf der Grundlage der hier vertretenen Rechtsauffassung das Verfahren zu ergänzen haben wird. Da zwischen der schon von den Vorinstanzen als zu Recht bestehend festgestellten Klageforderung, die nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens war, und der eingewendeten Gegenforderung kein rechtlicher Zusammenhang besteht, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen hinsichtlich dieser Forderung im Sinne der Fällung eines stattgebenden Teilurteils abzuändern. Dieses Teilurteil ist im Sinne der §§ 391 Abs 3 und § 392 Abs 1 ZPO als Leistungsurteil zu erlassen. Erst im Endurteil wird der Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung festzustellen und auszusprechen sein, in welchem Umfang die mit dem Teilurteil zuerkannte Klageforderung durch Aufrechnung erloschen ist. Das Teilurteil hat sich dagegen auf den Ausspruch zu beschränken, welche Leistung der Beklagte - ohne Rücksicht auf die Aufrechnungseinrede - zu erbringen hat (RIS-Justiz RS0040693; EvBl 1974/84; zuletzt etwa 1 Ob 82/98k). Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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