OGH 9Ob2/22t

OGH9Ob2/22t27.1.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Georg Zimmer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei B*, vertreten durch Adam & Felix Rechtsanwälte KG in Salzburg, wegen Feststellung (8.400 EUR), Wiederherstellung (8.400 EUR) und Unterlassung (8.400 EUR; Gesamtstreitwert 25.200 EUR), über die ordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 21.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. Mai 2021, GZ 2 R 55/21b‑39, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 25. Februar 2021, GZ 7 Cg 1/19m‑34, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00002.22T.0127.000

 

Spruch:

Die Revision wirdzurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.411,20 EUR (darin enthalten 235,20 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft, die an die der Beklagten gehörige Liegenschaft angrenzt. Er bringt vor, die Beklagte führe ohne seine Einwilligung und daher widerrechtlich eine Wasserleitung, eine Stromleitung und eine Fernmeldeleitung über sein Grundstück. Er habe gestützt auf § 523 ABGB Anspruch auf

1. die Feststellung, dass die Beklagte kein Recht auf Führung einer Wasser‑, Strom‑ und einer Fernmeldeleitung auf seinem Grundstück hat;

2. die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands durch Entfernung der Wasser‑, Strom‑ und Fernmeldeleitung der Beklagten auf seinem Grundstück und

3. Anspruch darauf, dass es die Beklagte hinkünftig zu unterlassen habe, sein Eigentum an seinem Grundstück durch das Führen von Leitungen zu stören.

[2] Die Beklagte bestritt.

[3] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Das angefochtene Urteil wurde dahin bestätigt, dass festgestellt wurde, die Beklagte habe kein Recht auf Führung einer Wasserleitung und habe es hinkünftig zu unterlassen, Wasser durch die unterirdisch verlaufenden Wasserleitungsrohre zu leiten. Die darüber hinausgehenden Feststellungs‑ und Unterlassungsbegehren sowie das Beseitigungsbegehren wurden abgewiesen.

[5] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich der Feststellungsbegehren betreffend Wasser‑ und Stromleitung jeweils 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt, hinsichtlich der Fernmeldeleitung 5.000 EUR nicht übersteigt und hinsichtlich der Begehren auf Wiederherstellung und Unterlassung hinsichtlich der verschiedenen Leitungen jeweils 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt.

[6] Die ordentliche Revision wurde zugelassen, weil zur Frage eines Eigentumseingriffs durch bloßes Nutzen von (Strom-, Telekommunikations-)Versorgungsleitungen durch den Endkunden, soweit ersichtlich, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

[7] DieRevision des Klägers ist, soweit sie sich gegen die Abweisung des Feststellungsbegehrens betreffend die Fernmeldeleitung richtet, absolut unzulässig, im Übrigen – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts – nicht zulässig.

[8] 1. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, dann bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand – und damit einen einheitlichen Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts –, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN vorliegen; andernfalls sind sie getrennt zu behandeln (RS0053096).

[9] Wie bereits im Beschluss vom 28. 9. 2021 (9 Ob 55/21k) dargelegt, macht der Kläger getrennt erhobene Feststellungsbegehren hinsichtlich unterschiedlicher Arten unterirdisch verlegter Leitungen (einer Wasserleitung, einer Stromleitung und einer Fernmeldeleitung) geltend, weshalb ein tatsächlicher oder rechtlicher Zusammenhang zwischen diesen Begehren zu verneinen ist. Die Rechtsmittelzulässigkeit ist daher für jeden dieser Ansprüche gesondert zu beurteilen. Da das Feststellungsbegehren hinsichtlich der Fernmeldeleitung mit 5.000 EUR nicht übersteigend beurteilt wurde, ist die Revision nach § 502 Abs 2 Z 1 ZPO in diesem Umfang jedenfalls unzulässig.

[10] 2. Gemäß § 509 Abs 1 ZPO entscheidet der Oberste Gerichtshof über die Revision grundsätzlich in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorherige mündliche Verhandlung. Da der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist, besteht kein Anlass, im Sinne des § 509 Abs 2 ZPO ausnahmsweise eine mündliche Revisionsverhandlung anzuordnen. Der Kläger zeigt nicht auf, warum eine Revisionsverhandlung der Klärung von Rechtsfragen dienlich sein sollte.

[11] 3. Setzt sich die Revision mit den Argumenten des Berufungsgerichts nicht auseinander, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt (RS0043605; RS0043603 [T9]). Diesfalls ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, inhaltliche Fragen zu klären (RS0043603 [T10]).

[12] Der Kläger verweist in seiner Revision darauf, dass weder sein Rechtsvorgänger noch er selbst der Verlegung von Leitungen über seine Liegenschaft zugestimmt haben. Davon ist das Berufungsgericht aber ohnehin ausgegangen. Allerdings hat es die Rechtsansicht vertreten, dass die bereits vor dem Eigentumserwerb des Klägers errichteten Leitungen entweder als unselbständige Bestandteile der Liegenschaft ins Eigentum des Klägers übergegangen seien oder der jeweilige Netzbetreiber über den Grund des Klägers eine Versorgungsleitung führe, um sie der Beklagten an der Anschlussstelle auf ihrer Liegenschaft zur Verfügung zu stellen, weshalb die Anmaßung einer Dienstbarkeit oder die Inanspruchnahme von fremdem Grund durch die Beklagte zu verneinen sei.

[13] Mit dieser Rechtsauffassung setzt sich die Revision jedoch nicht ansatzweise auseinander. Tatsächlich erschöpft sie sich im Verweis auf eine „unzulässige Nutzung, die einen rechtswidrigen Eigentumseingriff darstellt, wodurch die abgewiesenen Begehren zu Recht bestehen“.

[14] Die Revision war daher in diesem Umfang nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt und erlaubt daher keine Auseinandersetzung mit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts.

[15] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Allerdings war revisionsgegenständlich nur der klagsabweisende Teil der Berufungsentscheidung, weshalb der Bemessung der Kosten auch nur dieser Streitwert zugrunde zu legen war.

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