Spruch:
Der Ablehnungsantrag wird abgewiesen.
Text
Begründung
Mit Beschlüssen des Landesgerichts Feldkirch als Handelsgericht vom 18. 6. 2010, GZ 47 Fr 1930/09x-222, 47 Fr 1929/09w-223, 47 Fr 1928/09v-224, 47 Fr 1927/09t-225, 47 Fr 1926/09s-226, 47 Fr 1925/09p-227, 47 Fr 1924/09m-228, 47 Fr 1923/09k-229, 47 Fr 1922/09i-230, 47 Fr 1921/09h-231 und 47 Fr 1886/09g-232, wurden über Dr. M***** H***** als Geschäftsführer der W***** GmbH (idF: Gesellschaft) wegen Verletzung der Offenlegungspflicht nach den §§ 277 ff UGB für die Geschäftsjahre 1998 bis 2008 Zwangsstrafen verhängt und für den Fall des Nicht-Einreichens der vollständigen Jahresabschlüsse weitere Zwangsstrafen angedroht.
Soweit von Relevanz, gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 3. 12. 2010, AZ 3 R 98/10a, 99/10y, 100/10w, 101/10t, 102/10i, 103/10m, 104/10h, 105/10f, 106/10b, 107/10z, 108/10x und 166/10a, dem gegen diese Beschlüsse gerichteten Rekurs der Gesellschaft und des Geschäftsführers (ON 233) keine Folge, wies ihre Anträge, beim Verfassungsgerichtshof die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 B-VG zu beantragen und/oder beim Europäischen Gerichtshof einen Antrag auf Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV zu stellen, zurück, ihre Anträge, die verfahrensgegenständlichen Zwangsstrafenverfahren mit anderen gegen den Geschäftsführer der Gesellschaft behängenden Zwangsstrafenverfahren zu verbinden, ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.
Im Rahmen ihres dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurses lehnen die Gesellschaft und der Geschäftsführer den Hofrat des Obersten Gerichtshofs ***** Dr. G***** als befangen ab, weil sich dieser literarisch für eine immer extremere Verschärfung der Offenlegungspflichten nach dem UGB einsetze, die Richtlinie nicht ausreichend effektiv umgesetzt erachte und unter Zitierung eigener Aufsätze den Eindruck zu vermitteln suche, „das Schrifttum“ verlange eine effektivere Ausgestaltung. Auch verschweige er, dass das Publizititätsrichtlinie-Gesetz (PuG) 2006 eine Konfrontation mit der damals ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs dargestellt habe, der Oberste Gerichtshof ausdrücklich gegen die Novelle des PuG 2006 Stellung bezogen habe und auch der Europäische Gerichtshof Erleichterungen der Bilanzregeln für zulässig ansehe.
In seiner Stellungnahme dazu erachtete sich Hofrat des Obersten Gerichtshofs ***** Dr. G***** für nicht befangen. Er sei nicht nur in der wissenschaftlichen Diskussion, sondern auch und gerade im Rahmen seiner richterlichen Tätigkeit stets für neue Argumente offen und gegebenenfalls zur Revision seines Standpunkts bereit.
Rechtliche Beurteilung
Der Ablehnungsantrag ist nicht berechtigt.
Befangenheit liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt, somit eine Hemmung zu unparteiischer Entscheidung durch sachfremde psychologische Motive gegeben ist. Auch wenn grundsätzlich schon der Anschein einer Befangenheit genügt, so setzt ein solcher voraus, dass konkrete Umstände dargetan werden, die geeignet erscheinen, aus der Sicht eines objektiven Beurteilers die volle Unbefangenheit des betreffenden Richters aus persönlichen Gründen in Zweifel zu ziehen (RIS-Justiz RS0096914; RS0096880). Das Vertreten einer, sei es auch in der Rechtsprechung abgelehnten, Rechtsmeinung bildet im Allgemeinen keinen Ablehnungsgrund. Ebenso ist es kein Ablehnungsgrund, wenn der Richter schon eine bestimmte Rechtsansicht in einem Rechtsstreit geäußert (RIS-Justiz RS0045916; s auch RS0111290) oder in Form wissenschaftlicher Abhandlungen veröffentlicht hat (RIS-Justiz RS0045916 [T2] = 4 Ob 36/89). Eine Besorgnis der Befangenheit liegt erst dann vor, wenn der abgelehnte Richter zu erkennen gegeben hätte, dass er nicht bereit wäre, seine damals vertretene Rechtsansicht erneut selbst kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls seine Meinung zu ändern (RIS-Justiz RS0036155).
Nach diesen Grundsätzen gibt aber alleine der Umstand, dass sich Hofrat des Obersten Gerichtshofs ***** Dr. G***** - wenn auch nicht im Sinne der Antragsteller - bereits literarisch zu den rechtlichen und faktischen Gegebenheiten beim Vollzug der Offenlegungspflichten nach den §§ 277 ff UGB geäußert hat, keinen Grund zur Annahme, dass er sich bei einer Entscheidung über das Rechtsmittel der Antragsteller von sachfremden Motiven leiten lassen könnte. Der Ablehnungsantrag bietet auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er aufgrund seiner Publikation keine Bereitschaft mehr hätte, unter dem Eindruck des Rechtsmittels seine Rechtsansicht erneut kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls seine Meinung zu ändern.
Dem Ablehnungsantrag war daher ein Erfolg zu versagen.
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