OGH 9Nc26/05f

OGH9Nc26/05f27.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdete Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Egon Engin-Deniz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte und gefährdende Partei Mario T*****, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer, Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen Unterlassung, Beseitigung, Urteilsveröffentlichung und einstweiliger Verfügung, die beim Arbeits- und Sozialgericht Wien zu AZ 14 Cga 180/05z anhängig ist, über den Delegierungsantrag der beklagten und gefährdenden Partei in in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Zur Verhandlung und Entscheidung in dieser Rechtssache - auch über den Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung vom 21. September 2005 - wird das Landesgericht Leoben als Arbeits- und Sozialgericht bestimmt.

Text

Begründung

Die klagende und gefährdete Partei (im Folgenden: Klägerin) begehrt in der Hauptsache die Erlassung eines Urteils, mit dem der beklagten und gefährdenden Partei (im Folgenden: Beklagter) das planmäßige Abwerben von Kunden, die Aufstellung wahrheitswidriger Behauptungen über eine angebliche Auflösung ihrer Zweigstelle in J***** sowie das Entgegennehmen und Ausführen von Aufträgen abgeworbener Kunden verboten wird, sowie die Veröffentlichung dieser Entscheidung. Der Beklagte habe ungeachtet eines vereinbarten Konkurrenzverbots für die Dauer eines Jahres nach Beendigung des Dienstverhältnisses bereits während der Kündigungsfrist das ihm zu verbietende vertrags- und wettbewerbswidrige Verhalten gesetzt, insbesondere zahlreiche Kunden der Klägerin dazu gebracht, das Vertragsverhältnis zu beenden und sich in Zukunft vom Beklagten betreuen zu lassen.

Das angerufene Arbeits- und Sozialgericht Wien erließ die darüber hinaus von der Klägerin beantragte einstweilige Verfügung, mit der dem Beklagten das planmäßige Abwerben von Kunden und das Aufstellen und Verbreiten wahrheitswidriger Behauptungen über die weitere Tätigkeit der Klägerin in J***** verboten wurden. Aufgrund der vorgelegten Urkunden, insbesondere einer eidesstättigen Erklärung des Geschäftsführers der Klägerin, wurde als bescheinigt angenommen, dass der Beklagte nach der Kündigungserklärung und einer von der Klägerin erklärten Dienstfreistellung mit (namentlich genannten) Klienten der Klägerin Telefonate geführt habe, in denen er erklärt habe, er werde sich selbständig machen und wolle den jeweiligen Kunden sodann persönlich weiter betreuen. Er habe auch erklärt, die Zweigstelle der Klägerin werde geschlossen bzw in eine andere Stadt verlagert. Der Beklagte bestritt in seiner Klagebeantwortung und in seinem Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung das ihm vorgeworfene Verhalten und beantragte neben seiner Parteienvernehmung auch die Vernehmung der von der Klägerin genannten Kunden als Auskunftspersonen bzw als Zeugen. Darüber hinaus beantragte er die Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Leoben als Arbeits- und Sozialgericht. Eine solche Delegierung würde zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses und zu einer wesentlichen Verbilligung des Verfahrens beitragen, da sämtliche als Zeugen namhaft gemachten Personen im Bezirk J***** niedergelassen oder wohnhaft seien.

Die Klägerin sprach sich gegen die beantragte Delegation aus. Das ursprünglich angerufene Gericht erklärte, die Delegierung wegen der großen Zahl der „rund um J*****" ansässigen Zeugen als zweckmäßig zu erachten.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des an sich zu Recht angerufenen (zuständigen) Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zu Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegation gemäß § 31 JN ist nur dann zu verfügen, wenn ein klares überwiegendes Interesse an der Übertragung der Zuständigkeit bejaht werden kann (EFSlg 82.067 ua). Zweckmäßig ist die Delegation insbesondere dann, wenn damit eine wesentliche Verkürzung des Prozesses und/oder eine wesentliche Verbilligung zu erzielen ist, was regelmäßig zutrifft, wenn sich die Wohnorte der Mehrzahl der Zeugen bzw Parteien im Sprengel des anderen Gerichts befinden (Ballon in Fasching I² § 31 JN Rz 7 mwN). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, sind doch der Beklagte sowie die von ihm nominierten vierzehn Zeugen im Sprengel des Landesgerichtes Leoben wohnhaft und ist auch die zur Parteienvernehmung der Klägerin namhaft gemachte Geschäftsführerin in deren Zweigstelle in J***** beschäftigt. Lediglich der ebenfalls zur Parteienvernehmung geführte Geschäftsführer der Klägerin, dessen Wohnort nicht bekannt ist, ist offenbar - zumindest überwiegend - in Wien tätig. Berücksichtigt man, dass die Anreise der zu vernehmenden Zeugen nach Wien mit erheblichen Kostenaufwand verbunden wäre, kann davon ausgegangen werden, dass durch die beantragte Delegation eine nicht unerhebliche Verbilligung - und wohl auch eine Beschleunigung - des Verfahrens eintreten wird. Dem Hinweis der Klägerin, die Zeugen könnten doch durch ein Rechtshilfegericht vernommen werden, ist zu entgegnen, dass - abgesehen von der Vernehmung des Beklagten - diese Zeugen die einzigen unmittelbaren Beweismittel darstellen, weshalb schon aus Gründen der Unmittelbarkeit eine Vernehmung im Rechtshilfeweg nicht erfolgen sollte (vgl auch EFSlg 87.960 = 3 Nd 9/98).

Der Beklagte hat in seinem Schriftsatz vom 11. 10. 2005 klargestellt, dass sein Delegierungsantrag auch die Verhandlung und Entscheidung über seinen Widerspruch gegen die erlassene einstweilige Verfügung umfasst. Da der Anwendungsbereich des § 31 JN nicht auf das streitige Verfahren beschränkt ist, sondern auch im Exekutions- und im Insolvenzverfahren in Betracht kommt (vgl nur Ballon aaO § 31 JN Rz 2 unter Hinweis auf EvBl 1968/144) und die bereits dargelegten Argumente das Verfahren über den erhobenen Widerspruch gleichermaßen betreffen, wird auch dieses vom Landesgericht Leoben zu führen sein. Damit erweist sich auch die von der Klägerin geäußerte Befürchtung, das Haupt- und das Provisorialverfahren könnten vor zwei verschiedenen Gerichten geführt werden, als unbegründet. Entgegen ihrer Auffassung kommt auch dem Umstand, dass sich das Arbeits- und Sozialgericht Wien bereits im Rahmen des Provisorialverfahrens mit der Sache befasst hat, keine entscheidende Bedeutung zu, erging doch die einstweilige Verfügung ausschließlich aufgrund der von der Klägerin vorgelegten Urkunden, wogegen im Widerspruchsverfahren unter Berücksichtigung der Gegenbehauptungen des Beklagten ein erheblich aufwendigeres Beweisverfahren durchzuführen sein wird, das gegebenenfalls auch eine Reihe zahlreicher (weiterer) Rechtsfragen aufwerfen kann.

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