OGH 8ObS315/97z

OGH8ObS315/97z13.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr.Michael Manhard und Mag.Thomas Kallab als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herbert Z*****, vertreten durch Dr. Georg Kahlig ua, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Bundessozialamt W*****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen S 82.794,66 s.A.

Insolvenz-Ausfallgeld, infolge der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Juni 1997, GZ 10 Rs 124/97x-19, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21. Jänner 1997, GZ 16 Cgs 49/96d-15, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 82.794,66 samt 4 % Zinsen seit 1.7.1994 zu bezahlen, abgewiesen wird.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit S 12.165,28 (einschließlich S 2.020,88 Umsatzsteuer und S 40,- Barauslagen) bestimmten Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei mit S 3.043,20 (einschließlich S 507,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisions- verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1.11.1992 bis 31.3.1994 bei einer GmbH als Angestellter beschäftigt. Am 28.1.1994 erwarb er von der bisherigen Alleingesellschafterin sämtliche Geschäftsanteile. Am 31.3.1994 schied er als Dienstnehmer aus dem Unternehmen aus, blieb aber vorerst weiterhin Alleingesellschafter der GmbH. In den Monaten nach Übernahme der Geschäftsanteile bemerkte der Kläger, daß er von der Vorgesellschafterin durch objektiv unrichtige Angaben über die Vermögensverhältnisse der GmbH bei Erwerb der Geschäftsanteile in Irrtum geführt worden war. Unter Vorlage des Entwurfes einer Irrtumsanfechtungsklage, wobei er drohte, diese umgehend beim zuständigen Gericht einzubringen, veranlaßte er die Vorgesellschafterin am 28.6.1994 zum Abschluß eines Rückabtretungsvertrages, in dem ua festgehalten wurde: "Als Tag des Übergangs aller mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten auf die Übernehmerin wird der 28.1.1994 vereinbart. ...Da sich jedoch die Voraussetzungen, von denen die Vertragsparteien beim Vertragsabschluß am 28.1.1994 ausgegangen sind, sowie die Aktiven der Gesellschaft und die geschäftlichen Erfolgsaussichten als unzutreffend erwiesen haben, wird der Verrechnungsstichtag auf den vorgenannten Stichtag rückbezogen." Am 14.9.1994 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet.

Der Kläger machte bei der beklagten Partei Insolvenz-Ausfallgeld in der nicht zuerkannten Höhe von S 82.794,66 betreffend Entgeltansprüche aus der Zeit vom 28.1.1994 bis 31.3.1994 inklusive Sonderzahlungen sowie Kündigungs- und Urlaubsentschädigung geltend und klagte in der Folge diesen Betrag ein, der von der beklagten Partei in der mündlichen Streitverhandlung vom 23.4.1996 der Höhe nach außer Streit gestellt wurde.

Strittig blieb nur, ob der Kläger trotz der infolge Irrtumsanfechtung vereinbarten ex tunc-Beseitigung seiner Gesellschafterstellung dem ausgeschlossenen Personenkreis des § 1 Abs 6 Z 3 aF (nunmehr Z 4) IESG zuzuordnen ist oder nicht.

Das Erstgericht gab im zweiten Rechtsgang auf Grund der ihm überbundenen Rechtsansicht des Berufungsgerichts dem Klagebegehren - mit Ausnahme der unbekämpft gebliebenen Abweisung eines Zinsenbegehrens - statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof mangels Vorliegens einer höchstgerichtlichen Judikatur zur oben genannten Frage zu.

In der dagegen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision beantragt die beklagte Partei die Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinn abzuändern.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Kläger leitet seine Ansprüche auf Insolvenz-Ausfallgeld gerade aus der Zeit vom 28.1.1994 bis 31.3.1994 ab, in deren er tatsächlich Alleingesellschafter der GmbH war und ihm damit zweifelsohne ein beherrschender Einfluß auf die Gesellschaft zustand. Einer solchen Person steht für die Zeit ihrer beherrschenden Einflußmöglichkeit kein Insolvenz-Ausfallgeld zu (§ 1 Abs 6 Z 3 aF, nunmehr Z 4 IESG). Genauso wie es bei der Geschäftsführerstellung nicht darauf ankommt, ob der Geschäftsführer tatsächlich auf die Geschicke der GmbH Einfluß genommen hat (diese Durchschnittsbetrachtung wurde auch vom VfGH gebilligt - VfSlg 9935 -), kommt es auch bei der Stellung als Gesellschafter mit beherrschendem Einfluß nur auf die typischerweise gegebene Einfluß- und Informationsmöglichkeit, an; bereits diese rechtfertigt sachlich den Ausschluß (vgl VfSlg 9935). Dies geht deutlich auch aus der Formulierung des Gesetzes hervor (beherrschender Einfluß "zusteht", nicht "ausübt").

Daran ändert auch der Umstand nichts, daß die Stellung als Gesellschafter vertraglich rückwirkend beseitigt wurde. Diese rückwirkende vertragliche Beseitigung der Stellung als Gesellschafter mag zwar im Innenverhältnis wirken, beseitigt aber jedenfalls nicht rückwirkend die für den Kläger auf Grund seiner damals gegebenen tatsächlichen Stellung als Alleingesellschafter typischerweise gegebene Einfluß- und Informationsmöglichkeit, die den Ausschluß sachlich rechtfertigt. Es handelt sich daher auch dabei um eine rückwirkend nicht mehr beseitigbare Außenwirkung des bereits in Vollzug gesetzten Abtretungsvertrages (siehe SZ 64/127 = JBl 1992, 183; SZ 66/111 = EvBl 1994/69; 8 Ob 39/95; 5 Ob 2267/96k: Mängel des Gesellschaftsvertrages können regelmäßig nur für die Zukunft, somit mit Wirkung ex nunc, geltend gemacht werden: RIS-Justiz 0018376).

Die Entscheidung war daher im klagsabweisendem Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Dem unterlegenen Kläger waren nach Billigkeit die Hälfte seiner Kosten zuzusprechen, weil - worauf der Kläger zu Recht hinweist - eine Rechtsfrage iSd § 46 Abs 1 ASGG vorgelegen ist (SSV-NF 1/66 uva; vgl Kuderna ASGG2 501 mwN); für diesen Teilkostenzuspruch nach Billigkeit spricht zusätzlich, daß dem Kläger dadurch zusätzliche Kosten erwachsen sind, daß das Berufungsgericht im ersten Rechtsgang das Verfahren mit überbundener Rechtsansicht an das Erstgericht zurückverwiesen hat, ohne den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zuzulassen.

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