Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 266,69 EUR (darin enthalten 44,45 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 7. 4. 2003 bis 18. 11. 2003 bei der K***** GmbH als Arbeiter beschäftigt. Sein Dienstverhältnis endete durch berechtigten vorzeitigen Austritt gemäß § 25 KO, nachdem am 11. 11. 2003 der Konkurs über das Vermögen dieses Unternehmens eröffnet worden war. Dem Kläger wurde von der Beklagten eine Kündigungsentschädigung unter Zugrundelegung einer mindestens vierwöchigen Betriebszugehörigkeit als Insolvenz-Ausfallgeld bezahlt.
Der Betrieb wurde in der Folge von der E***** GmbH weitergeführt. Der Kläger war in diesem Unternehmen vom 19. 11. 2003 bis 28. 6. 2004 als Arbeiter im Metallgewerbe beschäftigt. An seiner Tätigkeit änderte sich nichts.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 8. 7. 2004 wurde schließlich auch über das Vermögen dieser GmbH der Konkurs eröffnet. Auch dieses Dienstverhältnis endete durch berechtigten vorzeitigen Austritt des Klägers.
Die Beklagte erkannte dem Kläger eine Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 29. 6. 2004 bis 9. 7. 2004 sowie eine Urlaubsersatzleistung für einen Arbeitstag zu und lehnte das weitere Begehren des Klägers auf Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 10. 7. 2004 bis 30. 7. 2004 sowie eine Urlaubsersatzleistung für zwei Arbeitstage mit Bescheid vom 1. 10. 2004 ab.
Gegenstand dieses Verfahrens ist das Begehren des Klägers auf Zahlung der Kündigungsentschädigung für den Zeitraum 10. 7. 2004 bis 30. 7. 2004 und eine Urlaubsersatzleistung für zwei Arbeitstage in der unstrittigen Höhe von insgesamt 1.006 EUR netto. Der Kläger bringt dazu vor, dass der anzuwendende Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe vorsehe, dass für alle Ansprüche des Arbeitnehmers, die von einer ununterbrochenen Dauer eines Arbeitsverhältnisses abhingen, die Dienstzeiten in Betrieben des gleichen Unternehmens, die nicht länger als 90 Tage unterbrochen gewesen seien, zusammenzurechnen seien. Seine Dienstzeit bei der Vorgängergesellschaft sei daher anzurechnen. Ausgehend von einer ein Jahr übersteigenden Dienstzeit habe er Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung im Ausmaß von vier Wochen.
Die Beklagte wendet ein, dass der anzuwendende Kollektivvertrag eine Zusammenrechnung nur für Dienstzeiten in Betrieben desselben Unternehmens vorsehe. Die Unternehmen der E***** GmbH und der K***** GmbH seien jedoch nicht ident. Außerdem widerspreche eine doppelte Berücksichtigung von Dienstzeiten dem Sicherungszweck des IESG.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Eine wörtliche Interpretation des Art V des anzuwendenden Kollektivvertrages ergebe, dass nur jene Dienstzeiten anzurechnen seien, die in Betrieben des gleichen Unternehmens zurückgelegt worden seien. Der Kläger sei jedoch bei völlig voneinander unabhängigen Rechtssubjekten beschäftigt gewesen. Selbst wenn der Kollektivvertrag die vom Kläger gewünschte Auslegung zuließe, wäre ein Zuspruch nach § 3 Abs 3 IESG verwehrt, weil die vom Kläger als anrechenbar bezeichneten Zeiten bereits bei früheren Beendigungsansprüchen berücksichtigt worden seien.
Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung Folge und änderte das Ersturteil im Sinn einer gänzlichen Klagestattgebung ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, inwieweit eine aufgrund eines Kollektivvertrages mögliche wiederholte Anrechnung von Vordienstzeiten dem Schutzzweck des IESG entspreche, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung existiere.
Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass Art V des hier anzuwendenden Kollektivvertrages für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe die Anrechnung von Vordienstzeiten unter dem Titel „Betriebszugehörigkeit" wie folgt regle:
„1. Für alle Ansprüche des Arbeitnehmers, die von der ununterbrochenen Dauer eines Arbeitsverhältnisses abhängen, sind Dienstzeiten in Betrieben des gleichen Unternehmens, die nicht länger als 90 Tage (bis 31. 12. 1988: 60 Tage) unterbrochen wurden, zusammenzurechnen.
2. Der Anspruch auf Zusammenrechnung entfällt, wenn das vorhergehende Arbeitsverhältnis durch Entlassung oder durch Austritt ohne wichtigen Grund beendet wurde....."
Kollektivverträge seien in ihrem normativen Teil nach den §§ 6f ABGB auszulegen. Dabei dürfe den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie eine gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten. Bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten sei jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspreche. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 9 ObA 25/00t zur gleichlautenden Wortfolge „die Dienstzeiten im Betrieb des gleichen Unternehmens......" im Kollektivvertrag für die eisen- und metallerzeugende und -verarbeitende Industrie ausgesprochen, dass die Beibehaltung der Wendung „des gleichen Unternehmens" anstelle „des gleichen Arbeitgebers oder des gleichen Unternehmers" nach Inkrafttreten des EFZG darauf schließen lasse, dass die Kollektivvertragsparteien bewusst diese weite Fassung gewählt hätten, damit auch dort, wo zwar die Person des Arbeitgebers strittig sein könnte, aber Betrieb und Unternehmen keiner wesentlichen Änderung unterzogen worden seien, die Zusammenrechnungsregel Anwendung finden solle.
Diese Auslegung sei auch für die im Wesentlichen gleichlautende Bestimmung im Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe heranzuziehen. Die Kollektivvertragsparteien hätten nach Veröffentlichung der Entscheidung 9 ObA 25/00t die Wortfolge „Dienstzeiten in Betrieben des gleichen Unternehmens" beibehalten und nicht geändert.
Gemäß § 3 Abs 3 erster Satz IESG seien der Berechnung des Insolvenz-Ausfallgeldes für gesicherte Ansprüche unbeschadet des zweiten Satzes nur die gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Kündigungsfristen unter Bedachtnahme auf die Kündigungstermine und die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen zugrundezulegen. Gemäß § 3 Abs 2 IESG sei eine einzelvertragliche Anrechnung von Vordienstzeiten unter Bedachtnahme auf § 1 Abs 3 Z 2 IESG nur soweit möglich, als es sich um die Anrechnung von tatsächlich geleisteten Beschäftigungszeiten handle oder solche Zeiten nicht bereits bei früheren Beendigungsansprüchen berücksichtigt worden sein. Diese Bestimmung betreffe nach ihrem klaren Wortlaut nur die Vordienstzeitanrechnung im Arbeitsvertrag, nicht aber eine solche kraft Gesetzes, Kollektivvertrages oder Betriebsvereinbarung.
Doppelzahlungen aus dem Insolvenz-Ausfallgeld- Fonds für idente Zeiträume stünden nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch generell nicht zu. Der Oberste Gerichtshof habe daher die Ansicht vertreten, dass in analoger Anwendung des § 1 Abs 3 Z 3a IESG nicht zweimal Kündigungsentschädigung für denselben Zeitraum begehrt werden könne (Arb 11.831). Hier begehre der Kläger allerdings nicht für denselben Zeitraum Kündigungsentschädigung. Er begehre lediglich bei Berechnung seiner Kündigungsentschädigung die Berücksichtigung von Vordienstzeiten, die die Beklagte bei Bezahlung der Kündigungsentschädigung aufgrund der Beendigung des ersten Dienstverhältnisses bereits berücksichtigt habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob gegenüber der Beklagten die Kündigungsentschädigung unter Berücksichtigung der gesamten Vordienstzeiten (7. 4. 2003 bis 18. 11. 2003) geltend gemacht werden könne: Hier habe bereits eine Betriebszugehörigkeit von vier Wochen eine Kündigungsentschädigung im Ausmaß von einer Woche bedingt. Auch unter sinngemäßer Anwendung des in der Rechtsprechung herrschenden Grundsatzes, dass abgefertigte Zeiten insoweit für Entstehen und Höhe eines weiteren Abfertigungsanspruches nicht zu berücksichtigen seien, als sie für die bereits bezahlte Abfertigung rechtlich notwendig gewesen seien, sei jedenfalls die „übriggebliebene" Zeit aus dem ersten Dienstverhältnis (7. 5. 2003 bis 18. 11. 2003) der Zeit des zweiten Dienstverhältnisses zuzuschlagen. Rechne man diese „übriggebliebene Zeit" der Dienstzeit des zweiten Dienstverhältnisses hinzu, ergebe sich bereits eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von einem Jahr. In diesem Fall betrage aber gemäß Art IV 3. des Kollektivvertrages die Kündigungsfrist vier Wochen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Der erkennende Senat teilt die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes zur Gänze (§ 510 Abs 3 ZPO).
Ergänzend ist hinzuzufügen:
Die Revision bezweifelt zunächst nicht ernstlich, dass die Auslegung des Art V des unstrittigerweise anzuwendenden Kollektivvertrages für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe durch das Berufungsgericht richtig ist: Das vom Berufungsgericht erzielte Auslegungsergebnis entspricht der Auslegung des in der interessierenden Frage wortgleichen Abschnittes V 1. des Kollektivvertrages für die eisen-, metallerzeugende und -verarbeitende Industrie durch den Obersten Gerichtshof (9 ObA 25/00t = wbl 2000/314 = ZIK 2002/282).
Dass § 3 Abs 3 Satz 2 IESG nur Vordienstzeitenanrechnungen im Arbeitsvertrag, nicht aber solche kraft Kollektivvertrages betrifft, ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut (siehe auch Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4, 230). Die Revision bezweifelt gar nicht, dass eine kollektivvertraglich normierte Anrechnung von Vordienstzeiten nicht unter § 3 Abs 3 Satz 2 IESG zu subsumieren ist.
Schließlich sind aber auch die Ausführungen des Berufungsgerichtes, dass hier eine doppelte Berücksichtigung derselben Betriebszugehörigkeitszeiten bei Errechnung der Kündigungsentschädigungen ohnedies nicht vorlag, zutreffend: Bereits eine Betriebszugehörigkeit von vier Wochen bedingt nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag die Geltung einer einwöchigen Kündigungsfrist. Nur unter Zugrundelegung einer einwöchigen Kündigungsfrist wurde nach Beendigung des ersten Dienstverhältnisses von der Beklagten Kündigungsentschädigung zuerkannt. Wenn man bloß die aus dem ersten Dienstverhältnis unter Abzug von vier Wochen verbleibende Dienstzeit der nunmehrigen zweiten Dienstzeit im „gleichen Unternehmen" hinzurechnet, ergibt sich bereits eine Betriebszugehörigkeit von mehr als einem Jahr, die ihrerseits wieder die Anwendung des Art IV 3. des Kollektivvertrages bedingt, der bei Betriebszugehörigkeit von einem Jahr eine vierwöchige Kündigungsfrist vorsieht. Zu einer von der Rechtsprechung verpönten (8 ObS 289/98b = Arb 11.831) Doppelleistung aus dem Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds für idente Zeiträume kommt es daher hier nicht.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.
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