Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revision selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 1. 10. 1996 bis zur Arbeitgeberkündigung zum 31. 8. 1997 bei der J***** GmbH als Angestellte beschäftigt. Da im Jänner 1998 auf die Gehälter von Dezember 1996 bis Mai 1997 und die Sonderzahlungen lediglich Akontozahlungen in der Höhe von S 29.000,-- geleistet wurden, schickte die Klägerin am 8. 1. 1998 ein Aufforderungsschreiben über restliche S 118.298,-- netto an ihren ehemaligen Arbeitgeber. Nach Ablauf der Zahlungsfrist wandte sich die Klägerin an die Arbeiterkammer Wien, welche am 17. 2. 1998 ein Aufforderungsschreiben an die J. B***** GmbH richtete.
Am 24. 2. 1998 wurde folgende Vereinbarung abgeschlossen:
"Hiermit vereinbaren Herr Franke R*****, Geschäftsführer der Firma B***** GmbH, und Frau P***** Ursula eine monatliche Rate von S 8.000,-- (dies ist ein Mindestbetrag, sollte es Herrn F***** möglich sein, wird auch eine höhere Rate überwiesen).
Die offene Schuld wird anerkannt, die erste Rate wird Anfang März 1998 auf mein Konto .... bei ..... überwiesen".
Die Firma J. B***** GmbH zahlte in weiterer Folge vereinbarungsgemäß zum jeweiligen Fälligkeitstermin die Raten bis inklusive Juni 1998, sodass zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung über die Jamrat B***** GmbH am 13. 7. 1998 folgende Ansprüche aushafteten.
Gehalt1. 12. 96-31. 05. 97 S 141.539,45 netto
Weihnachtsremuneration 1. 10. 96-31. 12. 96 S 5.969,09 netto
Urlaubszuschuss 1. 10. 96-31. 12. 96 S- 51.500,00 netto
abzüglich Zahlungen S 5.969,09 netto S 101.977,63 netto
Außer Streit steht, dass diese Forderung vom Masseverwalter im Konkurs anerkannt wurde, die Entgeltforderung gegenüber der Gemeinschuldnerin zu Recht besteht und unberichtigt aushaftet, sowie weiters, dass die Gemeinschuldnerin am 24. 2. 1998 einen offenen Betrag von S 118.298,-- anerkannt hat, in der Folge noch S 16.320,37 bezahlt wurden und das ausstehende Entgelt nicht in einem Verfahren in Arbeitsrechtssachen nach dem ASGG geltend gemacht wurde.
Die Klägerin begehrte den Klagsbetrag als Insolvenzausfallgeld. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei die Klägerin mit Ausnahme der anteiligen Sonderzahlungen für 1996 bis inklusive November 1996 gehaltsbefriedigt gewesen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe sie mehrfach die Bezahlung des offenen Entgelts (ab Dezember 1996) urgiert. Sodann sei mit dem früheren Arbeitgeber eine Ratenvereinbarung getroffen worden. Bis einschließlich Juni 1998 seien zum jeweiligen Fälligkeitstermin die Raten auch bezahlt worden. Die Klägerin habe im Konkursverfahren der Arbeitgeberfirma den Klagsbetrag angemeldet und Insolvenz-Ausfallgeld beantragt. Die offene Forderung sei zwar von der Masseverwalterin im Konkursverfahren anerkannt worden, die beklagte Partei habe aber den Zuspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld unter Hinweis auf § 3a Abs 1 IESG abgelehnt.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, gemäß § 3a Abs 1 IESG bestehe kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Grund des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes ab.
In rechtlicher Hinsicht führte es aus, gemäß § 3a Abs 1 IESG idF BGBl I 107/1997 gebühre Insolvenz-Ausfallgeld für das dem Arbeitnehmer für die regelmäßige Arbeitsleistung in der Normalarbeitszeit gebührende Entgelt einschließlich der gebührenden Sonderzahlungen, das vor mehr als sechs Monate vor dem Stichtag (§ 3 Abs 1) fällig geworden sei, nur dann, wenn dieses bis zum Stichtag im Verfahren in Arbeitsrechtssachen nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz zulässigerweise geltend gemacht und das diesbezügliche Verfahren gehörig fortgesetzt worden sei. Der gerichtlichen Geltendmachung stehe die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens und eines Verfahrens vor der Gleichbehandlungskommission gleich. Stichtag sei der Zeitpunkt der Eröffnung des Konkurses.
In der Regierungsvorlage sei im § 3a Abs 1 IESG noch vorgesehen gewesen, dass "zur Vermeidung entbehrlicher Prozesse auch ein schriftliches Anerkenntnis des Arbeitgebers ausreichen solle, das das Bundessozialamt aber nur dann binden solle, wenn an dessen Rechtmäßigkeit keine Zweifel bestünden". Der Sozialausschuss habe die Alternative des schriftlichen Anerkenntnisses jedoch beseitigt, da "hiedurch erreicht werde, dass allfällige Manipulationen zu Lasten eines Dritten, nämlich des Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds noch stärker vermieden werden könnten".
Entsprechend dem klaren Wortlaut des Gesetzes und dem klaren Willen des Gesetzgebers bleibe es dem Gericht verwehrt, das schriftliche Anerkenntnis der Gemeinschuldnerin zu berücksichtigten, möge im konkreten Fall auch kein Missbrauch zu befürchten gewesen sein. Die Klägerin hätte rechtzeitig ein arbeitsgerichtliches Verfahren einleiten können und nach Ende ihres Arbeitsverhältnisses sei ihr dies auch zumutbar gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.
In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass eine durch Analogie zu füllende Lücke im Gesetz nicht vorliege. Die Schließung einer rechtspolitischen Lücke sei dem Gesetzgeber vorbehalten (SZ 49/45; Arb 10.573 ua). Zwar habe der Gesetzgeber durch die Änderung des § 3a Abs 1 IESG durch BGBl I 1999/73 auch jene Fälle geregelt, in denen zB der Arbeitnehmer wegen der Entgeltrückstände berechtigt vorzeitig ausgetreten sei, mit dem Arbeitgeber diesbezüglich eine Ratenvereinbarung schließe, dieser eine Zeitlang die vereinbarten Raten entrichte, dann aber im Hinblick auf seine schlechter werdende wirtschaftliche Situation dazu nicht mehr in der Lage sei und habe dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag ende, die 6-Monatsfrist ausgehend vom vor dem Stichtag liegenden arbeitsrechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses bemessen (s Holzer/Reissner/Schwarz, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz4 236). Die angeführte Änderung sei jedoch erst mit 1. 5. 1999 in Kraft getreten und sei nicht anzuwenden, wenn der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der im Sinne des § 1 Abs 1 IESG gleichgestellte Beschluss vor dem 1. 5. 1999 gefasst wurde (vgl § 17a Abs 16 IESG). Bei der Entscheidung, auch auf die vorerwähnten Sachverhalte Bedacht zu nehmen, handle es sich jedoch um eine rechtspolitische Entscheidung des Gesetzgebers und nicht um eine planwidrige Lücke. Gerade der Umstand, dass der Gesetzgeber berechtigt sei, die Rückwirkung eines Gesetzes anzuordnen, im vorliegenden Fall aber nicht einmal rückwirkend jene Fälle erfasst habe, in denen zum Zeitpunkt 1. 5. 1999 ein Verfahren anhängig gewesen sei, liege nahe, dass der Gesetzgeber nicht eine "ursprünglich planwidrige Unvollständigkeit" habe beseitigen wollen, sondern lediglich dem Umstand Rechnung getragen habe, dass rechtspolitisch eine Miteinbeziehung auch der oben angeführten Sachverhalte, bei denen eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Fonds im Regelfall ausgeschlossen werden könne, in den Regelungsbereich des § 3a IESG als wünschenswert erschienen sei.
Die Revision sei zulässig, da eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vorliege, zumal eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 3a Abs 1 IESG fehle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die rechtliche Begründung des Berufungsgerichtes, der Klägerin gebühre auf Grund des rund 11 Monate vor der Konkurseröffnung beendeten Arbeitsverhältnisses für den Entgeltrückstand aus diesem ungeachtet einer vom Arbeitgeber teilweise eingehaltenen Ratenvereinbarung gemäß § 3a Abs 1 IESG (idF der IESG-Novelle 1997, BGBl I 1997/107) kein Insolvenz-Ausfallgeld, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).
Den Revisionsausführungen ist zu erwidern:
Schon das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass in der Regelung des § 3a Abs 1 IESG keine Lücke enthalten ist, mag auch der Gesetzgeber die strenge Regelung in der Novelle 1999 etwas gemildert haben. Auch wenn eine andere, den Arbeitnehmer im Falle einer vom Arbeitgeber teilweise erfüllten Ratenvereinbarung, die mehr als 6 Monate vor Konkurseröffnung bzw vor Ende des Arbeitsverhältnisses geschlossen wurde, begünstigende Regelung wünschenswert erschiene, so ist es dem Gericht doch verwehrt, eine rechtspolitische Lücke zu schließen.
Dem Gesetzgeber ist es nicht verwehrt, "einfache und leicht handhabbare Regelungen zu treffen" (VfSlg 9654, 11.469 und 11.775). Er darf von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (VfSlg 8871, 11.193); dass dabei Härtefälle entstehen können, macht eine Regelung dann nicht gleichheitswidrig, wenn es sich um einen atypischen, nur ausnahmsweise auftretenden Fall handelt (Mayer B-VG2, 467 zu Art 2 StGG).
Soweit die Revisionswerberin mit einem verfassungswidrigen Eingriff in wohlerworbene Rechte argumentiert, weil sie sich nach der damaligen Rechtslage mit einer außergerichtlichen Regelung begnügen durfte und ihr der Gesetzgeber mit der Übergangsbestimmung eine unerfüllbare Bedingung auferlegt habe, ist sie darauf hinzuweisen, dass die Novelle BGBl I 107/1997, durch die § 3a in das IESG eingefügt wurde, am 19. 8. 1997 kundgemacht wurde. Für die im Sinne des § 40 Abs 1 ASGG qualifiziert vertretene Klägerin war es daher zum Zeitpunkt der Vereinbarung vom 24. 2. 1998 erkennbar, dass eine bloß außergerichtliche Einigung über die Zahlung der bereits länger aushaftenden Entgeltrückstände im Falle einer Insolvenz des Arbeitgebers nach dem 31. 3. 1998 zum Verlust der Sicherung führen werde. Die behauptete Gleichheitswidrigkeit durch Benachteiligung von teilzeitbeschäftigten oder keinem Kollektivvertrag unterliegenden Arbeitnehmern ist im Falle der Klägerin zu verneinen, weil nicht einmal behauptet wurde, das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe nicht die Normalarbeitszeit umfasst oder sei keinem Kollektivvertrag unterlegen.
Auch der behauptete Verstoß gegen die Richtlinie 80/987/EWG liegt nicht vor, weil gemäß Art 3 und 4 der RL die Zahlungspflicht der Garantieeinrichtung auf das Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses, die in einem Zeitraum von sechs Monaten vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen, begrenzt werden kann und mit einer Beschränkung der über diesen Mindeststandard hinausgehenden Ansprüche daher nicht gegen Art 10 der RL verstoßen wird.
Es besteht somit kein Anlass für die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens oder zur Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG; Billigkeitsgründe, zufolge derer ein Kostenanspruch trotz des Unterliegens erfolgen müsste, sind weder bescheinigt, noch der Aktenlage zu entnehmen.
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