OGH 8ObA88/99w

OGH8ObA88/99w7.6.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Gunther Krainhöfner und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. David G*****, Angestellter, ***** vertreten durch Frischenschlager & Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei M***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr. Hermann Aflenzer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Kündigungsanfechtung (Streitwert für RATG S 300.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. Dezember 1998, GZ 11 Ra 245/98y-51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 23. März 1998, GZ 28 Cga 8/95x-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.725,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.287,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Begründung der Berufungsentscheidung, daß die betrieblichen Kündigungsrechtfertigungsgründe gegenüber dem Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses überwiegen, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Revisionsausführungen ist zu erwidern:

Das "Nachschieben" des Anfechtungsgrundes, die Kündigung würde andere Arbeitnehmer desselben Betriebes weniger hart treffen als den Kläger ("Sozialvergleich" iSd § 105 Abs 3 zweiter Unterabsatz ArbVG), drei Jahre nach der am 13. 3. 1995 überreichten Klage, nämlich erst in der Verhandlung vom 23. 3. 1998 (ON 41, AS 103), und damit weit außerhalb

der 14-tägigen Anfechtungsfrist ist dem Kläger verwehrt (SZ 69/256 =

DRdA 1997/39, 323 [Ritzberger-Moser] = Arb 11.568); auf die besondere

Anleitungs- und Belehrungspflicht (§ 39 Abs 2 Z 1 ASGG) kann sich der Kläger, der schon in der Klage qualifiziert vertreten war, nicht berufen.

Die betrieblichen Gründe, nämlich ein dringender Sanierungsbedarf - noch bevor das Unternehmen der beklagten Partei einer Reorganisation im Sinne des URG bedürfte - überwiegen die persönlichen Nachteile des zum Zeitpunkt der Kündigung 34 Jahre alten Klägers. Ein Großteil der voraussichtlich zu erwartenden Einkommensminderung des Klägers auf einem neuen Arbeitsplatz ist auf die weit überkollektivvertragliche Entlohnung des Klägers zurückzuführen, sodaß die diesbezügliche Interessenbeeinträchtigung gegenüber anderen vergleichbaren Fällen erheblich relativiert wird. Der Wegfall der Funktion des Klägers und die Wahrnehmung seiner Agenden durch andere Arbeitnehmer ist betriebswirtschaftlich gerechtfertigt und unterliegt insoweit nicht der gerichtlichen Überprüfung; insbesondere kann der beklagten Partei nicht zum Vorwurf gemacht werden, nicht die Position eines Mitgliedes der Geschäftsführung der beklagten Partei (Prokurist Dr. T*****) statt der des Klägers "weg-rationalisiert" zu haben (vgl ASoK 1999, 34). Rationalisierungsmaßnahmen sind nicht erst dann gerechtfertigt, wenn anders eine Existenzbedrohung nicht mehr abgewendet werden könnte, sondern schon im Vorfeld solcher Bedrohung steht es einem verantwortungsbewußten Unternehmer frei, einer betriebswirtschaftlichen Bedrohung des Unternehmens vorbeugend zu begegnen.

Die Verschuldung des Klägers und seiner berufstätigen Ehefrau durch den Hausbau in einer Größenordnung von 1,4 Mio S mit einer monatlichen Rückzahlung von ca S 10.000,-- läßt die Beeinträchtigung der Interessen des Klägers noch nicht gegenüber den betrieblichen Gründen überwiegen. Die betriebliche Notwendigkeit, durch Personaleinsparungen - außer dem Kläger wurden zwischen 1992 und 1997 rund 60 Mitarbeiter gekündigt - einer Überschuldung vorzubeugen, wobei schon erhebliche Eigenkapitalmittel dem Unternehmen zugeführt werden mußten, um eine Überschuldung und ein "negatives Eigenkapital" (§ 225 Abs 1 HGB) zu vermeiden, wiegt schwerer als die Beeinträchtigung der Interessen des Klägers durch die Kündigung, auch wenn man auf die Belastung des Klägers mit Rückzahlungsraten für einen Kredit Bedacht nimmt, wobei es unerheblich ist, ob der Kläger das Haus vor oder nach Zugang der Kündigung baute (die vom Kläger diesbezüglich gerügte aktenwidrige Argumentation des Berufungsgerichtes ist daher unerheblich).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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