Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.655,68 (darin enthalten S 609,28 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt Senioren-, Wohn- und Pflegeheime zur Betreuung von pflegebedürftigen Senioren. Diese Tätigkeit unterliegt nicht der Gewerbeordnung und die Beklagte ist auch nicht Mitglied der Wirtschaftskammer. Sie verfügt über keine Gewerbeanmeldung, jedoch eine Bewilligung der Steiermärkischen Landesregierung nach dem steiermärkischen Pflegeheimgesetz, nicht aber über eine Bewilligung zum Betrieb eines Pflegeheimes nach dem Krankenanstaltengesetz.
Die Beklagte ist nicht Mitglied des Dachverbandes für private Altenpflegeheime und gehört keinem Kollektivvertrag an. In dem von ihr betriebenen Pflegeheim werden 25 Heimbewohner von etwa 15 - 16 Bediensteten, darunter einigen diplomierten Krankenschwestern, sonstigem Pflegepersonal und Raumpflegerinnen betreut. Die ärztliche Versorgung erfolgt nicht durch einen angestellten Arzt, sondern nach Bedarf durch einen "Hausarzt".
Mit 24. 9. 1999 begann die Klägerin, die eine Ausbildung als Sanitäterin und einen 6-monatigen Kurs als Heimhelferin absolviert hat, als Heimhilfe - primär zur Durchführung der Nachtdienste - mit einem vereinbarten Nettomonatslohn von S 12.000,-- zu arbeiten. Sie hatte dabei Medikamente zu verabreichen und die Heiminsassen während der Nachtstunden vollständig zu betreuen, also umzulagern, allenfalls einzucremen, zu wickeln, umzuziehen, die Bettwäsche zu wechseln, zu waschen und zu duschen und auch für die Zubereitung und Verabreichung des Frühstücks zu sorgen. Nebenbei sollte sie - soweit Zeit dazu verblieb - auch die Wäsche waschen und bügeln.
Sie leistete im September 1999 77 Stunden mit fünf Nachtdiensten, im Oktober 1999 unter Berücksichtigung des Krankenstandes insgesamt 179 Stunden mit vier Nachtdiensten und im November 1999 insgesamt 176 Stunden bei 14 Nachtdiensten. Im Dezember 1999 erbrachte sie dann noch bei einem Nachtdienst insgesamt 22 Stunden.
Sie erhielt dafür von der Beklagten für September 1999 brutto S 3.768,80, für Oktober 1999 S 16.152,--, für November 1999 S 22.364,-- (darin S 16.152,-- an Monatslohn sowie Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration von je S 3.106,--), und für Dezember 1999 S 3.230,--. Weiters wurde ihr für die im November 1999 geleisteten 28 Überstunden ein Betrag von netto S 1.680,-- bar ausgezahlt. Sie beendete dann am 7. 12. 1999 ihr Arbeitsverhältnis, da sie niemanden zur Beaufsichtigung ihres Kleinkindes hatte und unterfertigte dabei eine Erklärung, wonach im Hinblick auf den ungerechtfertigten vorzeitigen Austritt ein Verlust sämtlicher, von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängiger Ansprüche eintrete.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Differenz des gezahlten Gehaltes zu dem hier nach dem Mindestlohntarif für Hausangestellte zustehenden Mindestansatz. Sie stützt sich darauf, dass das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz sowie der Mindestlohntarif zur Anwendung komme, nicht jedoch ein Kollektivvertrag, da die Beklagte nicht Mitglied des Dachverbandes für private Altenpflegeheime sei. Der Stundensatz des Mindestlohntarifes für Kranken- und Altenbetreuer, die nicht in die Hausgemeinschaft aufgenommen wurden, betrage ab 1. 1. 1999 S 110,80, zusätzlich sei pro Nachtdienst eine Zahlung von S 496,40 zu leisten.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass weder das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz noch der Mindestlohn zur Anwendung kommen würden, weil es sich beim Betrieb der Beklagten um einen gewerblichen Betrieb handle bzw um eine Pflegeanstalt und daher die Ausnahmebestimmungen des § 1 Abs 4 lit a und c des HGHAngG zur Anwendung kommen würden. Auch habe die Klägerin auf ihre Ansprüche verzichtet.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es beurteilte den einleitend dargestellten Sachverhalt rechtlich dahin, dass aus der vorzeitigen Beendigung und der dabei unterfertigten Erklärung kein Verzicht auf die rückständigen Lohnansprüche abzuleiten sei.
Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz anzuwenden. Die typische Erscheinungsform einer Hauswirtschaft umfasse jedenfalls Tätigkeiten wie Kochen, Aufräumen, Waschen, aber auch die Pflege und Beaufsichtigung von Kindern oder die Tätigkeit von Hauslehrern, Säuglingsschwestern oder Hauskrankenpflegerinnen. Entscheidung sei das Überwiegen der jeweiligen Tätigkeit.
Das Waschen und An- und Auskleiden erfordere keine qualifizierte pflegerische Ausbildung, weshalb es sich um Dienste im Sinne des Abs 1 HGHAngG handelt.
Die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 lit a HGHAngG komme nicht zur Anwendung, da es sich zwar bei den von der Beklagten geführten Pflegeheim um einen gewerblichen Betrieb handle, der jedoch weder einer Gewerbebehörde noch einer gewerbebehördlichen Anmeldung unterliege und auch keine arbeitsrechtlichen Sonderregelungen für das Arbeitsverhältnis vorhanden seien.
Gegen das Vorliegen der Ausnahme des § 1 Abs 4 lit c HGHAngG hinsichtlich der Heil- oder Pflegeanstalten spreche, dass das Pflegeheim der Beklagten ja eben gerade nicht dem Krankenanstaltengesetz unterliege, sondern nur dem steiermärkischen Pflegeheimgesetz. Die Ausnahmebestimmung stelle aber - so wie das Krankenanstaltengesetz - primär auf die ärztliche Betreuung medizinischer Versorgung von kranken Personen ab. Daher falle die Tätigkeit der Klägerin in der auf die Pflege von älteren Menschen ausgerichteten Hauswirtschaft der Beklagten in den typischen Bereich einer für Dritte geführten Hauswirtschaft.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es hielt den Ausführungen der Beklagten, dass das Bestehen eines kollektivvertragsfähigen Verbandes, und zwar des Dachverbandes für private Altenpflegeheime die Anwendbarkeit des Mindestlohntarifes ausschließe, entgegen, dass die Beklagte in erster Instanz einen dahingehenden Einwand nicht erhoben habe und dieser nunmehr gegen das Neuerungsverbot verstoße. Auch das Berufungsgericht ging davon aus, dass die Tätigkeit der Klägerin dem Hausgehilfen- und Hausangstelltengesetz unterliege, das auch für Arbeiten in der Hauswirtschaft juristischer Personen gelte. Dabei sei nicht auf die Unterscheidung zwischen Privatwirtschaft und Erwerbswirtschaft abzustellen, sondern auf die typischen Erscheinungsformen der Hauswirtschaft und die dabei anfallenden Arbeiten. Dieser seien mit jener der Klägerin in dem Seniorenpflegeheim vergleichbar. Auch die Ausnahmebestimmungen des § 1 Abs 4 lit a und c HGHAngG seien nicht anzuwenden, und zwar jene der lit a mangels Fehlens eines arbeitsrechtlichen Sondergesetzes. Auch handle es sich bei Pflegeheimen nicht um Heil- und Pflegeanstalten iSd § 1 Abs 4 lit c HGHAngG, da bei diesen die Notwendigkeit einer ärztlichen Betreuung der Kranken im Vordergrund stehe, nicht jedoch bei dem von der Beklagten betriebenen Pflegeheim.
Die Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da zur Frage, ob auch Bedienstete eines von einer Kapitalgesellschaft geführten Seniorenpflegeheimes, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz und der Mindestlohntarif für im Haushalt Beschäftigte anzuwenden sei, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt. Eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Anwendung des Mindestlohntarifes für im Haushalt Beschäftigte auf Heimhilfen liegt nicht vor.
Die Grundlage für die Erlassung des Mindestlohntarifes liegt nun nicht im Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz (HGHAng), sondern in §§ 22 ff des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG). Danach kann das Bundeseinigungsamt auf Antrag einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft der Arbeitnehmer Mindestentgelte festlegen, wenn für Gruppen von Arbeitnehmern einen Kollektivvertrag nicht abgeschlossen werden kann, weil eine kollektivvertragsfähige Körperschaft auf Arbeitgeberseite nicht besteht und die Mindestentgelte nicht durch Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung festgelegt wurden. Beim Mindestlohntarif handelt es sich um eine Verordnung (vgl zuletzt OGH 9 ObA 202/00x mwN = Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht II3, 158 RIS-Justiz RS0008777).
Der wesentliche Einwand der Beklagten liegt nun darin, dass das Bestehen des kollektivvertragsfähigen Dachverbandes für private Altenpflegeheime schon als solches die Anwendbarkeit des Mindestlohnes ausschließe. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, sodass die von der Beklagten geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vorliegt. Um eine Neuerung handelt es sich nicht, da sich die Klägerin selbst auf diesen Umstand berufen hat.
Der Ansicht der Beklagten, dass nun allein schon das Bestehen eines Arbeitgeberverbandes, dem sie gar nicht angehört, die Erlassung eines Mindestlohntarifes ausschließe, ist nun schon der Zweck der Regelungen über die Mindestlohntarife entgegenzuhalten. Soll dieser doch Arbeitnehmern, deren Lohnbedingungen wegen des Fehlens einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft auf Arbeitgeberseite nicht durch Kollektivvertrag geregelt werden kann, hinsichtlich der Lohngestaltung Schutz zu gewähren (vgl dazu Strasser in Floretta/Strasser ArbVG, 145; Cerny in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller Arbeitsverfassungsgesetz 22, 143).
Die Regelungen über die Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit an auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvereinigungen im § 4 Abs 2 ArbVG sehen nun neben der Gegnerunabhängigkeit und der Aufgabenstellung, die Arbeitsbedingungen innerhalb des Wirkungsbereiches zu regeln, vor, dass die Berufsvereinigung in ihrer Vertretung einen größeren fachlichen und räumlichen Wirkungsbereich haben muss und dass ihr vermöge der Zahl der Mitglieder und des Umfanges der Tätigkeit eine maßgebende wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Schon daraus ergibt sich, dass nicht alle Arbeitgeber in einem bestimmten Bereich der freiwilligen Berufsvereinigung angehören müssen. Kollektivvertragsangehörig sind aber - von hier nicht maßgeblichen Erweiterungen abgesehen - im Wesentlichen nach § 8 ArbVG nur jene Arbeitgeber, die Mitglied der kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung sind. Schon daraus ergibt sich, dass in einem bestimmten wirtschaftlichen Bereich eine Berufsvereinigung und darauf aufbauend die Kollektivvertragsangehörigkeit auch nur Teilbereiche erfassen kann. Daraus folgt aber auch, dass für den verbleibenden Teilbereich weiter eine "Gruppe von Arbeitnehmern" im Sinne des § 22 Abs 3 ArbVG anzunehmen ist, für die ein Mindestlohntarif erlassen werden kann. Dass diese Arbeitnehmergruppen nicht nur auf die Möglichkeit der Erklärung von Kollektivverträgen zu Satzungen nach § 18 Abs 3 ArbVG verwiesen werden sollen, ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Regelung des § 22 Abs 3 Z 2 ArbVG, der eben bei der Erlassung des Mindestlohntarifes ausdrücklich darauf abstellt, dass eine Erklärung eines Kollektivvertrages zur Satzung noch nicht erfolgt "ist".
Daher ist nicht nur darauf abzustellen, ob einen fachlichen Bereich überhaupt eine kollektivvertragsfähige Berufsvereinigung besteht, sondern ob der konkrete Arbeitgeber auch Mitglied dieser Berufsvereinigung ist (siehe Strasser in Floretta/Strasser HdKommArbVG 148) und daher für ihn auch konkret kollektivvertragliche Regelungen abgeschlossen werden könnten, unabhängig ob dies dann auch tatsächlich erfolgte. In diesem Sinne hat auch der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 28. 1. 1999 zu 8 ObA 338/98h (= Arb 11.823 = DRdA 2000/17 [Weiss] = ZAS 2000/15 [Strasser]) ausgesprochen, dass selbst bei Angehörigkeit zu einer solchen kollektivvertragsfähigen Berufsvereinigung zu prüfen ist, ob es zum konkreten Aufgabenkreis dieser Berufsvereinigung gehört, für diese Arbeitnehmergruppen Kollektivverträge abzuschließen. Schließlich ist auch darauf zu verweisen, dass nach § 24 Abs 3 Arbeitsverfassungsgesetz Mindestlohntarife durch Kollektivverträge und Satzungen ja nur insoweit außer Kraft treten, als sie vom Geltungsbereich des jeweiligen Kollektivvertrages erfasst werden, also der jeweilige Arbeitgeber kollektivvertragsangehörig ist.
Auszugehen ist also von dem hier vorliegenden Mindestlohntarif für im Haushalt Beschäftigte. Dieser bestimmt seinen Geltungsbereich wie folgt:
Geltungsbereich
a) Räumlich: für das Bundesland Steiermark;
b) fachlich und persönlich: für Arbeitnehmer/innen, die unter den I. Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes vom 14. Dezember 1973, BGBl Nr 22/1974, in der jeweils geltenden Fassung, und
aa) unter das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz (HGHAngG) vom 23. Juli 1962, BGBl Nr 235, in der jeweils geltenden Fassung fallen;
bb) nicht unter das HGHAngG fallen, jedoch bei Arbeitgeber/innen, für die keine kollektivvertragsfähige Körperschaft besteht oder die nicht selbst kollektivverrtragsfähig sind, einschlägige Arbeiten verrichten oder die im Auftrage solcher Arbeitgeber/innen bei dritten Personen diese Arbeiten in privaten Haushalten verrichten. Ausgenommen sind jene Arbeitnehmer/innen, deren Reinigungs- und Aufräumungsarbeiten als Wartung und Reinhaltung des Hauses zu werten sind."
Aus der Festlegung des Geltungsbereiches ergibt sich jedoch, dass gar nicht entscheidend ist, ob auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz anzuwenden ist (§ 1 lit b sublit aa des Mindestlohntarifes), sondern nur, ob die Klägerin bei der Beklagten für die - wie bereits dargestellt keine kollektivvertragsfähige Körperschaft (Berufsvereinigung) besteht - "einschlägige Arbeiten" verrichtet (§ 1 lit b sublit bb des Mindestlohntarifes). Mit den "einschlägigen Arbeiten" stellt der Mindestlohntarif eindeutig auf die Tätigkeiten einer Hausgehilfin- und Hausangestellten ab. Dazu kann auf die zu § 1 HGHAngG entwickelte Judikatur zurückgegriffen werden, die von den Vorinstanzen zutreffend dargestellt und angewendet wurde (§ 510 Abs 3 ZPO).
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass die unter den Geltungsbereich des Mindestlohntarifs für im Haushalt Beschäftigte fallenden Arbeitnehmer vom Geltungsbereich des Mindestlohntarifes für Arbeitnehmerinnen in Betrieben sozialer Dienste (vgl M 3/96 XXII/96/1, nunmehr M 5/2000/XXII/96/2) ausgenommen wurden.
Insgesamt kommt der Revision der Beklagten jedenfalls keine Berechtigung zu.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.
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