OGH 8ObA7/98g

OGH8ObA7/98g29.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rohrer und Dr.Adamovic und die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Walter Zeiler und Sekr. Peter Scherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Herbert L*****, Opernsänger, ***** vertreten durch Dr.Gustav Teicht und Dr.Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, Österreichischer Bundestheaterverband, Wien 1, Opernring 2, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen S 595.000,-- und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3.September 1997, GZ 8 Ra 160/97a-28, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21.Oktober 1996, GZ 24 Cga 113/95b-22, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 18.712,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin keine USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Begründung der Berufungsentscheidung, der Kläger sei wegen seiner ungerechtfertigten Rollenverweigerung (der Rolle des Don Fabricio in der Welturaufführung der Oper "Gesualdo" von Alfred Schnittke, einem Auftragswerk der Wiener Staatsoper) berechtigt entlassen worden, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO/§ 48 ASGG aF).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Mit Tenor wird die hohe Stimmlage der Männerstimme bezeichnet; die einzelnen Stimmfächer (lyrischer Tenor, Tenor-Buffo, Zwischenfach, jugendlicher Heldentenor und schwerer Heldentenor; zitiert nach Brockhaus/Riemann, Musiklexikon) sind keineswegs streng voneinander getrennt, sondern haben fließende Übergänge. Die Ablehnung einer Gesangspartie, die dem Kläger "nicht liegt" mit der Begründung, sie gehe ins Zwischenfach über, ist daher kein gerechtfertigter Grund im Sinne des § 22 SchauspG, zumal nicht festgestellt ist, daß dem Kläger (durch die wenigen Aufführungen) ein Schaden an der Stimme (Registerschaden) drohte. Der unsubstantiierte Hinweis, die Partie liege seiner Stimme nicht, ohne näher einen drohenden Schaden zu bezeichnen, reicht nicht aus. Bei einem erst zu komponierenden Auftragswerk eines zeitgenössischen Komponisten konnten die Streitteile von der Partie, für die der Kläger engagiert wurde, nur ungefähr das Stimmfach kennen. Der Kläger, der nach den Feststellungen auch mit moderner Musik (Schönberg, Krenek) praktisch vertraut war, mußte nach der Übergabe der Partitur im September 1994 und geraume Zeit vor seinem Schreiben vom 20.2.1995, mit dem er seine Mitwirkung absagte, auch ohne Unterstützung durch seinen Gesangspädagogen imstande gewesen sein, verläßlich zu beurteilen, ob er der Partie stimmlich gewachsen war oder nicht, da sich die vom Kläger zu singende Tonhöhe problemlos und ohne größeren Zeitaufwand aus der Partitur ablesen läßt; er hatte sogar noch rund einen Monat vor seiner Absage dem Direktor der Wiener Staatsoper seine Mitwirkung zugesagt.

Die vom Berufungsgericht erwähnten "streitbaren Abwesenheiten", weshalb der Ensemblevertrag mit dem Kläger in drei aufeinanderfolgende Gastspielverträge geändert wurde, sind nicht aktenwidrig, sondern eine kurze Zusammenfassung der festgestellten Vertragsverstöße des Klägers gegen seine Anwesenheitspflicht aus dem Ensemblevertrag. Die geringfügigen Unterschiede in der Stimme (Typus) des Klägers und seines "Einspringers", im Übergangsbereich zwischen einem lyrischen Tenor und dem "Zwischenfach", sind wegen der fließenden Übergänge im Typus der Sänger ohne Belang.

Da das Schauspielergesetz wie das Angestelltengesetz (in § 25 AngG) eine Generalklausel enthält, daß aus wichtigem Grund das Dienstverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst werde könne (§ 37 SchauspG), ist bei der dann folgenden demonstrativen Aufzählung der Entlassungsgründe in § 38 SchauspG in weiterem Maß eine ausdehnende Auslegung und Analogie zu vergleichbaren Entlassungsgründen nach dem Angestelltengesetz zulässig, als dies im Falle einer taxativen Aufzählung von Entlassungsgründen (zB § 82 GewO; § 15 Abs 3 BAG) der Fall wäre. Dem trägt auch Kuderna, Entlassungsrecht2, 196, bei der Erörterung der Entlassungsgründe nach § 38 SchauspG durch den Hinweis "siehe" samt Verweis auf § 27 Z 4 erster und zweiter Tatbestand AngG (dort unter II.A.8.) Rechnung. Wohl wird in § 38 Z 5 SchauspG (wenn das Mitglied ohne rechtmäßigen Grund andere wichtige Vertragspflichten trotz wiederholter schriftlicher Aufforderung oder Ermahnung nicht erfüllt) das Erfordernis der schriftlichen Aufforderung oder Ermahnung genannt, was vor der Entlassung des Klägers unterblieben ist. Hingegen wird beim vergleichbaren Entlassungsgrund der beharrlichen Pflichtenvernachlässigung bei dezidierter Weigerung oder gröblichem Verstoß gegen elementare Vertragspflichten, die eine Ermahnung geradezu zu einem sinnlosen Ritual machte - der Kläger hat nicht einmal behauptet, er wäre durch eine Ermahnung zu einer Rücknahme seiner Absage bewogen worden -, diese als entbehrlich angesehen (Arb 11.281/V; Arb 11.284/III ua). Dazu kommt, daß das Fehlen der schriftlichen Aufforderung durch andere Umstände, die dem vertragswidrigen Verhalten des Klägers erhöhtes Gewicht geben, in wertender Betrachtung wettgemacht wird. Der Kläger hat bis zu seiner Absage der Mitwirkung an einer Welturaufführung mehr als die Hälfte der zum Studium der Partie zur Verfügung stehenden Zeit verstreichen lassen, wobei ihm bekannt sein mußte, daß je schwieriger die Rolle (von ihm und der Direktion) eingeschätzt wird, es um so schwieriger sein werde, einen adäquaten Ersatz in einer verkürzten Vorbereitungszeit zu finden. Bei der Welturaufführung, an der mitzuwirken der Reputation des Klägers nur förderlich sein konnte, war eine erhöhte Aufmerksamkeit der Musikwelt zu erwarten, sodaß das Interesse der Wiener Staatsoper an einer wohl vorbereiteten und gut geprobten Aufführung über die Bedeutung einer Premiere eines gängigen Repertoirestückes hinausging.

Die Frage, ob die drei Gastspielverträge als Einheit oder als gesonderte Verträge zu verstehen sind, verliert an Bedeutung, wenn der Rücktritt vom Vertrag gemäß § 41 Abs 1 SchauspG - im Falle der Annahme, es handle sich um drei gesonderte Verträge und der Kläger hätte nur im ersten Vertragsverhältnis einen Entlassunggrund gesetzt - aus eben denselben Gründen erfolgen kann, der den Unternehmer zur Entlassung berechtigt. Wenn also die Zusammengehörigkeit der Verträge für drei Spielzeiten trotz ihrer Entstehung aus einem Ensemblevertrag noch zweifelhaft sein sollte, dann ist der Zusammenhang zumindest von solcher Art, daß der zur Entlassung berechtigende Grund hinsichtlich des ersten Gastspielvertrages zum Rücktritt hinsichtlich des zweiten und dritten Gastspielvertrages berechtigt, da die beklagte Partei aufgrund des Verhaltens des Klägers - ungerechtfertigte und überdies verspätete Weigerung, den ersten Gastspielvertrag zu erfüllen - befürchten mußte, der Kläger werde auch seine Verpflichtungen aus den beiden anderen Gastspielverträgen nicht mehr getreulich erfüllen und dadurch die dienstlichen Interessen der beklagten Partei gefährden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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