OGH 8ObA56/06b

OGH8ObA56/06b15.3.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter DI Wolfgang Broesigke und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat B*****, vertreten durch Dr. Adalbert Laimer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Dr. Roland Gerlach, Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 21.802,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2006, GZ 10 Ra 97/04i-30, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. April 2004, GZ 29 Cga 204/02k-21, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.564,80 (darin enthalten EUR 260,90 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 1.126,62 (darin enthalten EUR 187,80 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das beklagte Luftfahrtunternehmen hat seine Co-Piloten bis 1990 selbst ausgebildet. Die Kosten der Ausbildung mussten dabei von den Piloten im Rahmen von individuellen Rückzahlungsverpflichtungen getragen werden, was wegen der unterschiedlichen Behandlung zu Unzufriedenheiten führte. 1990 hat die Beklagte dann die Co-Pilotenausbildung in einer separaten Gesellschaft ausgelagert. In diesem Zusammenhang wurde auch in dem für die Beklagte geltenden Kollektivvertrag für die I. und II. Offiziere getrennte Gehaltstabellen eingeführt, und zwar für die neu eintretenden sogenannten „Konzernpiloten" - die teilweise auch im Rahmen des Konzern der beklagten Tochtergesellschaft eingesetzt wurden, eine niedrigere Gehaltstabelle. Co-Piloten mit Rückzahlungsverpflichtung an die Beklagte sollte es in Hinkunft nicht mehr geben. Für die früher angestellten Co-Piloten mit Rückzahlungsverpflichtung wurde an einer höheren Gehaltstabelle festgehalten. Für die Verwendungsgruppen I. und IV. Offizier gab es immer einheitliche Gehaltstabellen. Um als I. Offizier fliegen zu können, mussten die als II. Offiziere beschäftigten Co-Piloten nach dreijähriger Tätigkeit und Erwerb der erforderlichen Flugstunden den Linienpilotenschein erlangen. 1997 trat dann eine Neufassung des Kollektivvertrages in Kraft, in der wegen der mittlerweile geändert betrieblichen Organisation (Liquidation eines Tochterunternehmens) der Begriff „Konzernpiloten" im Kollektivvertrag nicht mehr verwendet wurde und die Teilung der beiden Gehaltstabellen für die II. und III. Offiziere beibehalten wurde. Die Unterscheidung erfolgte aber jetzt nur noch dahin, dass die Gehaltstabelle seither mit der Bezeichnung „ohne laufender oder abgeschlossener Rückzahlung der Ausbildungskosten" bezeichnet wird. Die höhere Gehaltstabelle wurde belassen, um der Beklagten die Möglichkeit der Rückkehr in das alte System der Rückzahlungsvereinbarungen offen zu halten, aber auch, weil an die Neueinstellung von bereits fertig ausgebildeten Piloten gedacht wurde.

Als dann 1998 erstmals 12 Piloten, die bereits eine Ausbildung bei einer deutschen Luftfahrtsgesellschaft erhalten hatten als II. Offiziere eingestellt wurden und im Jahr 2000 weitere 12 Piloten einer niederländischen Luftfahrt dazu kamen, die jeweils gegenüber ihren früheren Dienstgebern Ausbildungskosten zurückzuerstatten hatten, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem klagenden Betriebsrat und der Beklagten über die Einstufung. Damals ging es aber noch nicht um die Frage, was gelten sollte, wenn die Beklagte einen Teil der Ausbildungskosten getragen hat. In einem Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG zwischen dem Fachverband der Luftfahrtunternehmungen der Wirtschaftskammer Österreich und dem österreichischen Gewerkschaftsbund wurden ebenfalls Feststellungen zur Frage der Einstufung getroffen (8 ObA 210/02v). Die im sogenannten Flight Operation Manual (FOM) der Beklagten von der obersten Zivilluftfahrtbehörde genehmigten Vorgaben für Flugtätigkeiten bei der Beklagten umfassen auch Fragen der Ausbildung zum Linienpiloten bei der Beklagten.

Allgemein lassen sich die Ausbildungsschritte wie folgt zusammenfassen:

Rechtliche Beurteilung

Im Wesentlichen kann einleitend auf die umfassenden rechtlichen Erörterungen in den Vorentscheidungen unter anderem zu 8 ObA 1/05p sowie 8 ObA 210/02v verwiesen werden.

Die Einstufungsvoraussetzungen für den III. Offizier werden in dem hier maßgeblichen Kollektivvertrag für das Bodenpersonal der Austrian Airlines wie folgt definiert:

„4.1.1 Verwendungsgruppe 01- III Offizier

a) Ein Pilot mit Berufspilotenschein und Instrumentenberechtigung, der im Rahmen einer Ausbildung, die den Zeitraum von 12 Monaten nicht überschreiten soll, im Liniendienst als dritter Pilot oder als Co-Pilot unter Aufsicht von Fluglehrern eingesetzt wird oder

b) als Co-Pilot auf Flugzeugen jener Gewichtsklasse eingesetzt wird, zu deren Führung eine eingetragene Typenberechtigung nicht erforderlich ist...."

Nach § 21 Z 5 des KVs ist der Angestellte zur Rückzahlung des aliquoten Teiles der Kosten des Type-Ratings, das seiner Anstellung zugrunde gelegt wurde - unter Annahme einer fünfjährigen Amortisation derselben - dann verpflichtet, wenn er das Dienstverhältnis vor Ablauf einer fünfjährigen Verwendung kündigt oder eine Handlung setzt, die eine Entlassung nach § 27 AngG rechtfertigt. Im Anhang des II des Kollektivvertrages sind für die III. und II. Offiziere zwei unterschiedliche Gehaltstabellen vorgesehen, die danach unterschieden werden, ob es sich um solche „ohne laufender oder abgeschlossener Rückzahlung der Ausbildungskosten „handelt oder solche" mit laufender oder abgeschlossener Rückzahlung der Ausbildungskosten". Ab der 10. Gehaltsstufe bei den zweiten Offizieren und bei den ersten Offizieren und darüber gibt es wieder einheitliche Gehaltsansätze.

Auch bei dem hier maßgeblichen Firmenkollektivvertrag ist die Interpretation vorweg ausgehend vom Text wie bei einem Gesetz nach §§ 6 und 7 ABGB vorzunehmen (vgl RIS-Justiz RS008807 mit zahlreichen weiteren Nachweisen, ebenso RIS-Justiz RS0010088 mwN). Dabei ist subsidiär aber auch auf frühere Texte zurückzugreifen (vgl RIS-Justiz RS0010089 mwN) und immer zu unterstellen, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung anstreben, die einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen herbeiführen will (etwa RIS-Justiz RS0008897 mwN). Bereits in den Vorentscheidungen wurde herausgearbeitet, dass die Kollektivvertragsansätze offensichtlich unterstellen, dass die „Ausbildung" von der Beklagten getragen wird und jetzt nur danach zu unterscheiden ist, ob eine Verpflichtung über die Rückzahlung dieser Ausbildungskosten getroffen wird, was einen höheren Gehaltsansatz rechtfertigt oder nicht, wofür dann der niedrigere Gehaltsansatz vorgesehen ist (offensichtlich auch aus steuerlichen Gründen). Ausgehend von dem Verständnis der Kollektivvertragsparteien, dass alle Piloten erfasst sein sollen, ist für solche Piloten, für die die Annahme, dass die Beklagte die Kostenausbildung von vornherein nicht trägt und sich damit die Frage einer Rückzahlungsverpflichtung auch gar nicht ergibt, zu ermitteln, welcher Gehaltsansatz am ehesten passt, wobei im Hinblick auf die Kontinuität der Unterscheidung von einer pauschalen Abgrenzung nach Arbeitnehmergruppen ausgegangen wurde. Das Ende des „Ausbildungssystemes" wurde dabei mit der Erlangung des Linienpilotenscheines zugrundegelegt (8 ObA 210/02v; 8 ObA 1/05p). Vor dem Eintritt bei der Beklagten erlangte Teilausbildungen, die den Linienpilotenschein noch nicht vermitteln, sind nach den Vorentscheidungen in die Gruppe „ohne Ausbildungskostenrückersatz" einzustufen, jene Ausbildungen, die zumindest den Linienpilotenschein vermitteln in die Gruppe „mit Ausbildungskostenrückersatz". Hinsichtlich des „Typeratings" wurde im Hinblick auf die Sonderregelung des § 21 Z 5 des Kollektivvertrages davon ausgegangen, dass die Kollektivvertragsparteien grundsätzlich hier eine Kostentragung durch die Beklagte annahmen und daher die Tragung der Kosten des Typeratings allein noch nicht eine Einstufung in eine niedrigere Gehaltstabelle rechtfertigt. Festgehalten wurde auch bereits, dass unter Ausbildungskosten im Sinne der kollektivvertraglichen Regelungen nur jene angenommen werden können, die durch die gesetzlichen Vorgaben und die Vorgaben der ZLPV und die sogenannte Verordnung über die Voraussetzungen für die Erteilung der Luftverkehrsbetreiberzeugnisse (AOCV) bedingt sind, nicht aber durch das sogenannte FOM. Wollten die Kollektivvertragsparteien doch offensichtlich einen klaren Ansatz wählen (vgl dazu 8 Ob 1/05p). Damit wird aber der von der Beklagten schon im erstgerichtlichen Verfahren erhobene Einwand der mangelnden Bestimmtheit der Klagebegehren relevant. Bezieht sich die Klägerin doch auf nicht näher definierte „Berufspiloten" während aus den Vorentscheidungen klar hervorgeht, dass grundsätzlich nur jene Berufspiloten im Sinne der österreichischen luftfahrtrechtlichen Bestimmungen des Luftfahrtgesetzes sowie der ZLPV und der AOCV erfasst sind, die auch den ATPL-Theoriekurs abgelegt haben, ohne dass die Beklagte die Kosten getragen hat. Es ist nun nicht ausgeschlossen, dass sich aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht Argumente dafür ableiten lassen, dass in anderen Mitgliedstaaten abgelegte Ausbildungen dem gleichzuhalten sind (vgl dazu ausführlich OGH 8 ObA 210/02v). Weder dazu, noch zu der Neuregelung des § 41 LuftfahrtG finden sich jedoch konkrete Ausführungen, die eine konkrete Beurteilung zuließen. Ebenso wenig wurde im Klagebegehren darauf abgestellt. Dass insgesamt durch das pauschalierende Kollektivvertragssystem unbefriedigende Ergebnisse entstehen können, weil die Kollektivvertragsparteien diese Frage der „Teilausbildung" nicht erfassen, hat der Oberste Gerichtshof sowohl in der Entscheidung zu 8 ObA 210/02v als auch jener zu 8 ObA 1/05p ausdrücklich festgehalten. Die Lösung dieser Fragestellungen hat aber durch die Kollektivvertragsparteien zu erfolgen.

Im konkreten Klagebegehren in dieser undifferenzierten Form musste jedenfalls ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO sowie § 10 Z 6a RATG.

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