OGH 8ObA54/10i

OGH8ObA54/10i25.5.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Franz Kiesling als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** W*****, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei Ö***** GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 4,51 EUR samt Anhang, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Mai 2010, GZ 11 Ra 32/10w-13, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 18. November 2009, GZ 16 Cga 98/09a-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 77,04 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 12,84 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist bei der Beklagten als Buslenker im Linienverkehr beschäftigt, auf sein Dienstverhältnis ist der Kollektivvertrag für Dienstnehmer in privaten Autobusbetrieben anzuwenden.

Nach dem mit „Arbeitszeit“ überschriebenen Abschnitt III Punkt 2 lit k Abs 2 dieses Kollektivvertrags (in der am 5. 7. 2008 geltenden Fassung) müssen, wenn vom Lenker im Kraftfahrlinienverkehr an einem Kalendertag eine Dienstleistung verlangt wird, unbeschadet der Dauer dieser Dienstleistung mindestens 6 Stunden 30 Minuten Arbeitszeit verrechnet werden, wobei „Abschnitt V entsprechend zu berücksichtigen“ ist. Gemäß Abschnitt V Punkt 3 Abs 2 des Kollektivvertrags wird zum Normallohn ein Zuschlag von 100 % gewährt, wenn der Bedienstete während des in die wöchentliche Ruhezeit fallenden ganzen Kalendertags zu Arbeiten herangezogen wird.

Für den Kläger fiel der 5. 7. 2008 in den Zeitraum der Wochenendruhe, er leistete an diesem Tag dennoch Arbeit im Ausmaß von 5,57 Stunden. Für diese Arbeitszeit erhielt er den Normallohn für 5,57 Stunden zuzüglich 100 % Zuschlag sowie den Normallohn für 0,93 Stunden zuzüglich 50 % Zuschlag. Hätte der Kläger auch für die 0,93 Stunden einen 100%igen Zuschlag erhalten, wären ihm um 4,51 EUR brutto mehr ausbezahlt worden.

Beide Vorinstanzen gaben dem auf Zahlung dieser Differenz gerichteten Klagebegehren statt. Die Bestimmungen des Kollektivvertrags seien in ihrem normativen Teil nach den Regeln der §§ 6, 7 ABGB in erster Linie nach ihrem Wortsinn auszulegen. Da in Abschnitt III Punkt 2 lit k des Kollektivvertrags eine Mindestanzahl von abzurechnenden Stunden vorgesehen sei und dabei ausdrücklich auf Abschnitt V verwiesen werde, könne dies objektiv nur so verstanden werden, dass nicht nur die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden mit einem höheren Zuschlag zu entlohnen seien, sondern die gesamte zu verrechnende Arbeitszeit. Dieses Ergebnis stehe auch mit der Regelung des Abschnitts V Punkt 4 des Kollektivvertrags systematisch in Einklang, wonach bei Zusammentreffen zweier Zuschläge jeweils nur der höhere bezahlt werde.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil die anzuwendenden Kollektivvertragsbestimmungen nicht klar und eindeutig seien, ihrer Auslegung wegen des größeren betroffenen Personenkreises erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukomme und einschlägige höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Revisionswerber führt aus, die Auslegung nach §§ 6, 7 ABGB sei ein dialektischer Prozess, es dürfe nicht schematisch vorgegangen werden, sondern es sei unter gleichzeitiger Heranziehung aller zur Verfügung stehenden Kriterien in wertender Entscheidung der Sinn der Regelung klarzustellen. Die Revision lässt aber letztlich offen, welche Konsequenzen sich aus diesen Vorgaben für den konkreten Fall ergeben sollen, insbesondere welche noch nicht beachteten Kriterien einen anderen Sinn der streitgegenständlichen Regelung offenbaren würden als jenen, den die Vorinstanzen darin erkannt haben.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts ist sowohl in der methodischen Ableitung als auch im Ergebnis nach den in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Auslegungskriterien (ua F. Bydlinski in Rummel³ § 6 ABGB Rz 17 ff, Posch in Schwimann³, § 6 ABGB Rz 5 ff) nicht zu beanstanden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Soweit die Beklagte meint, die Auslegung des Berufungsgerichts würde die längere kollektivvertragliche „Auffüllzeit“ der im Kraftfahrlinienverkehr tätigen Arbeitnehmer (6,5 Stunden) gegenüber jenen, die im Gelegenheitsverkehr beschäftigt sind (nur 5 Stunden) als unsachlich erscheinen lassen, ist ihr entgegenzuhalten, dass es nicht Sache der Gerichte ist, eine allenfalls unbefriedigende kollektivvertragliche Regelung zu ändern, sondern dass dies den Kollektivvertragsparteien obliegt (vgl RIS-Justiz RS0008880 [T11], RS0106011). Davon abgesehen ist das gebrauchte Argument logisch auch nicht nachvollziehbar, würde doch die unterschiedliche Dauer der „Auffüllstunden“ nicht dadurch beseitigt oder sachlich besser begründbar, dass diese Zeiten geringer entlohnt werden.

Die Revision erkennt selbst an, dass es Zweck der kollektivvertraglichen Regelungen über die „Auffüllstunden“ ist, Fahrer vor allzu ungleichmäßiger, schwankender Arbeitszeitbelastung zu bewahren und eine gleichmäßige Diensteinteilung zu gewährleisten. Gerade aus diesem Grund kann die Regelung, wonach eine bestimmte Stundenzahl pro Kalendertag jedenfalls zu bezahlen ist, auch nicht als „Bestrafung“ des Dienstgebers für eine ungünstige Arbeitszeiteinteilung interpretiert werden. Die nachteiligen Auswirkungen einer mangelnden Auslastung vorhandener Ressourcen können Ansprüchen des betroffenen Vertragspartners weder im allgemeinen Wirtschaftsleben, noch speziell im Arbeitsrecht entgegengehalten werden.

Die in der Revision angestellten Überlegungen, ob „Auffüllstunden“ im Ausmaß einer Überschreitung der wöchentlichen oder täglichen Normalarbeitszeitgrenze als Überstunden zu honorieren sind oder nicht, hat schon deswegen dahingestellt zu bleiben, weil der Gegenstand des Klagebegehrens kein Überstundenzuschlag, sondern ein Zuschlag zum Arbeitslohn für einen Einsatz während der Wochenendruhe ist.

Der Revision war daher keine Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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