Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 333,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 55,52 Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 8. 1. 2001 beim Beklagten beschäftigt, der das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (eingeschränkt auf Kraftfahrer im Güterbeförderungsgewerbe) ausübt. Der Beklagte überließ den Kläger auf Grund eines mit dieser geschlossenen Überlassungsvertrages einer GmbH (in der Folge: Beschäftiger). Der Kläger wurde angewiesen, beim der Beschäftiger als Kraftfahrer zu arbeiten.
Am 12. 2. 2002 gegen Mitternacht übernahm der Kläger als Lenker eines Lastzugs des Beschäftigers nach einer 13stündigen Fahrt von Stuttgart nach Kehl (Frankreich) eine Ladung. Da er zu diesem Zeitpunkt die höchstzulässige Lenkzeit schon überschritten hatte, verlangte er vom Disponenten des Beschäftigers, dass ein anderer Fahrer mit einer zweiten Zugmaschine zur Verfügung gestellt werde. Der Disponent lehnte dies ab und verlangte vom Kläger, ohne Berücksichtigung von Lenkzeitüberschreitungen weiter nach Wien zu fahren. Als der erst kurz zuvor wegen der Überschreitung der erlaubten Lenkzeit bestrafte Kläger dies ablehnte, erklärte ihm der Disponent, dass er - wenn er den Auftrag nicht ausführe - seine Sachen packen könne. Der Kläger weigerte sich dennoch, den Auftrag auszuführen. Er fuhr von Kehl nach Salzburg, wo er am 13. 2. 2002 um etwa 23:00 Uhr den LKW auf dem Betriebsgelände des Beschäftigers abstellte und gegenüber diesem erklärte, er werde nicht mehr beim Beschäftiger arbeiten, solange der Disponent dort tätig sei. Er verlangte eine schriftliche Kilometerabrechnung, der er eigenhändig den Vermerk "Kündigung" hinzufügte. Er sprach jedoch nicht (ausdrücklich) den vorzeitigen Austritt gegenüber der Beschäftigerin oder dem Überlasser aus, weil er davon ausging, vom Disponenten der Beschäftigerin entlassen worden zu sein.
Dies alles teilte der Kläger dem Beklagten nicht mit. Dieser erfuhr davon durch die Beschäftigerin. Er ging daraufhin von einem unberechtigten vorzeitigen Austritt des Klägers aus und meldete den Kläger von der Sozialversicherung ab.
Der Kläger begehrt vom Beklagten EUR 1.980,44 brutto sA (EUR 135,02 an beendigungsunabhängigen und EUR 1.845,42 an beendigungsabhängigen Ansprüchen). Er sei unberechtigt entlassen worden, zumal seine Weigerung, den ihm erteilten Auftrag auszuführen, berechtigt gewesen sei. Hilfsweise mache er geltend, berechtigt vorzeitig ausgetreten zu sein.
Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe ihn nie von rechtswidrigen Weisungen des Beschäftigers und von Lenkzeitüberschreitungen verständigt. Der Kläger habe dem Beklagten auch nicht mitgeteilt, für den Beschäftiger nicht mehr fahren zu wollen, sodass der Beklagte gehindert gewesen sei, den Kläger bei einem anderen Beschäftiger einzusetzen. Jedenfalls sei der Kläger ab 13. 2. 2002 nicht mehr arbeitsbereit gewesen, sodass seine Entlassung gerechtfertigt erfolgt sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging von einem konkludent erklärten vorzeitigen Austritt des Klägers aus, der im Hinblick auf die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßende Weisung gerechtfertigt erfolgt sei. Diese Weisung müsse sich der Beklagte anrechnen lassen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich der beendigungsunabhängigen Ansprüche, änderte sie aber hinsichtlich der beendigungsabhängigen Ansprüche im Sinne der Abweisung des darauf gerichteten Klagebegehrens ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht ging ebenfalls von einem Austritt des Klägers aus; dafür spreche vor allem der auf der Kilometer-Abrechnung vorgenommene Vermerk "Kündigung", der vernünftigerweise nur dahin verstanden werden könne, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis beenden habe wollen. Schließlich habe ihm klar sein müssen, dass der Beschäftiger diese Erklärung als Erklärungsbote dem Arbeitgeber übermitteln werde. Der Kläger habe dem Beklagten gegenüber auch nicht klargestellt, das Arbeitsverhältnis dennoch aufrecht erhalten zu wollen. Der Austritt sei aber nicht berechtigt. Aus § 6 des hier anzuwendenden AÜG ergebe sich, dass während der Zeit der Überlassung für den persönlichen Arbeitsschutz (und damit für den Arbeitszeitschutz) sowohl der Überlasser als auch der Beschäftiger verantwortlich seien. Nach § 6 Abs 4 AÜG sei der Überlasser verpflichtet, die Überlassung unverzüglich zu beenden, sobald er weiß oder wissen muss, dass der Beschäftiger trotz Aufforderung die Arbeitnehmerschutz- oder die Fürsorgepflichten nicht einhält. Hier sei vom Kläger nicht einmal behauptet worden, dass der Beklagte mit dem Beschäftiger einen gesetzwidrigen Einsatz des Klägers vereinbart hätte oder dass dem Beklagten Verstöße des Beschäftigers gegen arbeitszeitrechtliche Bestimmungen bekannt gewesen seien bzw bei entsprechender Aufmerksamkeit hätten bekannt sein können. Da der Kläger den Beklagten während des aufrechten Bestands des Arbeitsverhältnisses nicht von den gesetzwidrigen Arbeitsanweisungen in Kenntnis gesetzt und Abhilfe verlangt habe, habe für den Beklagten keine Verpflichtung zu Abhilfemaßnahmen bestanden. Damit sei aber die Verletzung vertraglicher oder gesetzlicher Bestimmungen durch den Beklagten nicht erwiesen, sodass der vom Kläger ins Treffen geführte Austrittsgrund nicht vorliege.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob der Überlasser gegenüber dem überlassenen Arbeitnehmer wegen einer Verletzung von Arbeitnehmerschutz- oder Fürsorgepflichten durch den Beschäftiger nur nach Maßgabe des § 6 Abs 4 iVm Abs 2 AÜG oder aber - wie von Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 154 vertreten - für den Beschäftiger wie für einen Erfüllungsgehilfen hafte, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen den abändernden Teil dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidung im Sinne der gänzlichen Klagestattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Soweit der Revisionswerber in seinem Rechtsmittel noch einmal andeutet, dass die Erklärung des Disponenten des Beschäftigers, der Kläger könne seine Sachen packen, wenn er den ihm erteilten Auftrag nicht ausführe, als Entlassung zu werten sei, ist ihm nicht zu folgen. Dies Erklärung hat das zwischen den Streitteilen bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet. Ohne eine entsprechende Vereinbarung zwischen Überlasser und Beschäftiger ist der Beschäftiger nicht berechtigt, aus eigenem das Arbeitsverhältnis zwischen dem Überlasser und dem überlassenen Arbeitnehmer zu beenden. Dass dem Beschäftiger hier eine solche Berechtigung eingeräumt worden sei, wurde nicht einmal behauptet. Zudem ist mehr als fraglich, ob die Erklärung überhaupt im Sinne einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Streitteile interpretiert werden könnte, zumal weit eher davon auszugehen ist, dass der Disponent damit zum Ausdruck bringen wollte, dass die Tätigkeit des Klägers beim Überlasser beendet werden solle. Über das Arbeitsverhältnis ist damit aber noch nichts gesagt. Dass der Kläger selbst gegenteiliger Ansicht war, ändert an diesem Ergebnis nichts, weil es auf sein subjektives Verständnis nicht ankommt.
Es kann auch nicht gesagt werden, dass sich der Arbeitgeber die (angebliche) Entlassungserklärung zu eigen gemacht hat, zumal er davon nach den Feststellungen gar nicht informiert wurde und daher auf Grund des ihm bekannt gewordenen Sachverhalts von einem Austritt ausging.
Im Übrigen kann auf die umfangreichen und überzeugenden Ausführungen der zweiten Instanz verwiesen werden, mit denen dargelegt wird, dass das Arbeitsverhältnis durch Austritt des Klägers beendet wurde (§ 510 Abs 3 ZPO).
Dass der Kläger berechtigt war, die von ihm verlangte Fahrt zu verweigern, ist zwischen den Parteien nicht strittig. Damit ist aber - wie die zweite Instanz richtig erkannt hat - unter den hier gegebenen Umständen noch nicht gesagt, dass der Austritt berechtigt war.
Bei der Frage nach der Berechtigung der hier vorgenommenen vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt es nicht primär darauf an, ob der Überlasser dem Arbeitnehmer für das Verhalten des Beschäftigers als Erfüllungsgehilfe haftet oder nicht (s dazu die schon vom Berufungsgericht zitierte Belegstelle bei Floretta/Spielbüchler/Strasser I4 154; ferner Kletecka, Überlassung von Arbeitskräften und Haftung, ecolex 1994, 825 [826]; vgl ferner SZ 66/79). Entscheidend ist vielmehr, ob durch die gesetzwidrige Weisung des Disponenten die Weiterbeschäftigung beim Beklagten für den Kläger unzumutbar wurde. Zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt nämlich nur eine wesentliche Vertrags- oder Gesetzesverletzung, die die Weiterbeschäftigung auch nur für die Dauer der Kündigungsfrist unzumutbar erscheinen lässt (RS0029312; 9 ObA 169/02x).
Im vorliegenden Fall ist dem Kläger zwar beizupflichten, dass angesichts des Verhalten des Beschäftigers eine weitere Tätigkeit des Klägers für diesen unzumutbar erschien. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass damit auch eine weitere Tätigkeit für den Beklagten (bei einem anderen Beschäftiger) unzumutbar war. Es mag durchaus zutreffen, dass unter gewissen Voraussetzungen auch ein Verhalten des Beschäftigers den Austritt des Arbeitnehmers rechtfertigen kann. Dies wird etwa dann der Fall sein, wenn aus dem Verhalten des Arbeitgebers ersichtlich ist, dass er dem Verhalten des Beschäftigers zugestimmt oder es ermöglicht hat, vor allem aber dann, wenn er trotz entsprechender Aufforderung durch den Arbeitnehmer nicht für geeignete Abhilfe sorgt.
Derartige Umstände, die eine Weiterbeschäftigung des Klägers beim Beklagten unzumutbar erscheinen ließen, wurden hier aber nicht geltend gemacht. Es wurde nicht einmal behauptet, dass der Kläger den Beklagten jemals über gesetzwidrige Praktiken beim Beschäftiger informiert bzw dass er ihn um Abhilfe ersucht hat. Es wurden auch keine Umstände behauptet, aus denen geschlossen werden könnte, dass der Beklagte derartige Praktiken des Beschäftigers gebilligt oder zumindest bewusst hingenommen hat. Damit fehlt aber jeglicher Anhaltspunkt für die Annahme, dem Kläger wäre die weitere Beschäftigung beim Beklagten unzumutbar gewesen, obwohl er nicht einmal versucht hat, vom Beklagten Abhilfe zu verlangen. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang zu Recht auf § 6 Abs 4 AÜG verwiesen. Danach ist der Überlasser verpflichtet, die Überlassung unverzüglich zu beenden, sobald er weiß oder wissen muss, dass der Beschäftiger trotz Aufforderung die Arbeitnehmerschutz- oder die Fürsorgepflichten nicht einhält. Eine Abhilfeersuchen des Klägers hätte daher eine entsprechende Verpflichtung des Beklagten, die Überlassung zu beenden, ausgelöst. Hätte er der Beklagte dieser Verpflichtung nicht entsprochen, wäre der Kläger zum Austritt berechtigt gewesen. Solange aber der Beklagte gar keine Möglichkeit hatte, für Abhilfe zu sorgen, kann nicht gesagt werden, dass dem Kläger die Weiterbeschäftigung beim Beklagten unzumutbar war. Die dagegen vorgebrachten Einwände des Revisionswerbers überzeugen nicht. Seine Auffassung, der Arbeitnehmer sei auch dann wegen eines vertrags- oder gesetzwidrigen Verhaltens des Beschäftigers jedenfalls zum Austritt berechtigt, wenn der Überlasser dieses Verhalten gar nicht kannte oder kennen musste, lässt sich mit § 6 Abs 4 AÜG nur schwer in Einklang bringen und trägt auch der Überlegung nicht Rechnung, dass der Austritt nur berechtigt ist, wenn dem Arbeitnehmer die Weiterbeschäftigung unzumutbar ist. Von einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung des überlassenen Arbeitnehmers kann in diesem Zusammenhang keine Rede sein. Schließlich geht es nicht darum, dass ein bestimmtes Verhalten eines Weisungsberechtigten in jeder denkbaren Sachverhaltskonstellation dieselben Rechtswirkungen auslösen muss. Vielmehr ist entscheidend, dass der Arbeitnehmer dann zum Austritt berechtigt ist, wenn ihm die Weiterbeschäftigung beim Arbeitgeber unzumutbar ist. Ob dies der Fall ist, kann aber immer nur unter Beachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilt werden.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagten steht für ihre Revisionsbeantwortung nur der einfache Einheitssatz zu.
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