OGH 8ObA41/97f

OGH8ObA41/97f12.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter RegRat Kriegl und Mag.Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut K*****, vertreten durch Dr.Karl Haas und Dr.Georg Lugert, Rechtsanwälte in St.Pölten, wider die beklagte Partei J.***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Herbert Hofbauer, Dr.Peter Krömer, Dr.Friedrich Nusterer, Rechtsanwälte in St.Pölten, wegen S 754.920,25 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5.August 1996, GZ 7 Ra 178/96i-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 25.September 1995, GZ 7 Cga 36/93z-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsbeantwortung wird als verspätet zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Auch wenn - wie hier - der Arbeitnehmer, gestützt auf die vom Arbeitgeber bestrittene Behauptung der Rechtsunwirksamkeit der Auflösungserklärung des Arbeitgebers einen diese Unwirksamkeit voraussetzenden Anspruch auf Zahlung des Entgelts nach § 1155 ABGB für den der Auflösungserklärung folgenden Zeitraum geltend macht, somit der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Vorfrage zu lösen ist, liegt ein Fall des § 46 Abs 3 Z 1 letzter Halbsatz ASGG vor (Kuderna, ASGG2, 283). Die Revision ist dann ungeachtet des Vorliegens einer Rechtsfrage von der in § 46 Abs 1 ASGG genannten Qualität zulässig.

Die Vorinstanzen haben hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch strittigen Ansprüche das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1155 ABGB zu Recht verneint, sodaß es gemäß § 48 ASGG ausreicht, auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteiles zu verweisen.

Ergänzend ist anzumerken:

Entgegen dem Vorbringen in der Revision hat das Erstgericht nicht festgestellt, daß der Kläger anläßlich der Beendigung des Dienstverhältnisses oder zu einem davor liegenden Zeitpunkt darauf verwiesen hätte, begünstigter Behinderter zu sein. Aus den Feststellungen ergibt sich lediglich, daß er gegenüber seinem unmittelbaren Vorgesetzten einmal auf das Vorliegen einer Behinderung verwiesen und dem Personalchef gegenüber die Frage nach einer Behinderung bejaht, die Vorlage eines Invalidenausweises aber verweigert hat. Gerade dieses letztgenannte Verhalten mußte aber beim Personalchef die Überzeugung hervorrufen, daß der Kläger möglicherweise gesundheitlich beeinträchtigt, jedoch mangels eines Grades der Behinderung von mindestens 50 % (§ 2 BEinstG) nicht dem Personenkreis begünstigter Behinderter zuzurechnen sei. Eine allgemeine Pflicht des Dienstgebers über die Eigenschaft als begünstigter Behinderter weitergehende Erkundigungen einzuziehen, besteht nicht (vgl Ernst/Haller, Behinderteneinstellungsgesetz, Erl § 8 Rz 28). Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers besteht aber eine Pflicht des Dienstnehmers, die ihm bekannte Eigenschaft als begünstigter Behinderter dem Dienstgeber mitzuteilen, weil es sich dabei um eine Angelegenheit handelt, die infolge gesetzlicher Bestimmungen unmittelbar Einfluß auf die Gestaltung des Arbeitsverhältnisses hat (9 ObA 64, 65/87; ArbSlg 11.241).

Es ist zutreffend, daß der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, daß es für den Eintritt der Begünstigung nach dem BEinstG nicht darauf ankommt, ob dem Dienstgeber die bescheidmäßige Feststellung der Zugehörigkeit des Dienstnehmers vor dem Ausspruch oder erst später bekannt geworden ist. Das Risiko der Kündigung des arbeitsbereiten Dienstnehmers trage jedenfalls der Dienstgeber (SZ 63/206; SZ 66/169; RdW 1991, 153; ArbSlg 11.338). Allerdings betrafen diese Entscheidungen Fälle, in denen jeweils die Feststellung der Behinderung nachträglich rückbezogen auf einen vor der Kündigung liegenden Zeitpunkt festgestellt wurde. Der gegenständliche Fall ist insoweit anders gelagert, als dem Kläger die ihm schon zu einem früheren Zeitpunkt bescheidmäßig zuerkannte Stellung als begünstigter Behinderter bekannt war. Daß er diesen Umstand seinen Vorgesetzten verschwiegen hat, ändert zwar nichts an der Tatsache der Unwirksamkeit der Kündigung (§ 8 Abs 2 BEinstG), ist aber für die Beurteilung seines Entgeltfortzahlungsanspruches maßgeblich. Gemäß § 1155 Abs 1 ABGB gebührt dem Dienstnehmer auch für Dienstleistungen, die nicht zustandegekommen sind, das Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Dienstgebers liegen, daran verhindert worden ist. Der Dienstnehmer, der seine Eigenschaft als begünstigter Behinderter bewußt verschweigt und damit die Beendigung des Dienstverhältnisses durch Kündigung ohne Zustimmung des Behindertenausschusses in Kauf nimmt, setzt seinerseits Umstände, die seine Dienstleistung verhindern, weil bis zu dem von ihm zu erbringenden Beweis des Gegenteils davon auszugehen ist, daß der Dienstgeber die Kündigung in Kenntnis des Bestehens der Begünstigung nicht in dieser Form ausgesprochen hätte. Damit ist aber die Ursache für die Verhinderung an der Dienstleistung eindeutig dem Dienstnehmer zuzuordnen und darüber hinaus mit hinreichender Deutlichkeit indiziert, daß er in Wahrheit zur Erbringung seiner Leistung nicht bereit war.

Die Vorinstanzen haben daher zu Recht das Bestehen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs verneint. Sie haben das Bestehen einer Leistungsbereitschaft erst aufgrund des Schreibens Beilage 8 vom 5.8.1993 angenommen. Die in diesem Zusammenhang zugesprochenen Entgeltbeträge bilden nicht mehr den Gegenstand des Revisionsverfahrens. Insoweit sich der Revisionswerber dagegen beschwert, daß ihm nicht für den gesamten Zeitraum gerechnet ab diesem Schreiben das Entgelt zugesprochen wurde, ist er auf die von den Vorinstanzen zutreffend ausgelegte Verfallsbestimmung des Punktes 20 des Kollektivvertrages für die eisen- und metallerzeugende und verarbeitende Industrie zu verweisen, wonach alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von vier Monaten nach Fälligkeit mündlich oder schriftlich geltend gemacht werden müssen, wobei als Fälligkeitstag der Auszahlungstag für jene Lohnperiode gilt, in welcher der Anspruch entstanden ist. Bei den einzelnen Lohnansprüchen beginnt die Verfallsfrist für jeden Teilanspruch gesondert mit dem jeweiligen Fälligkeitstag (ArbSlg 10.473; Krejci in Rummel ABGB2 § 1162d Rz 6). Es bedurfte daher hinsichtlich der nach dem genannten Schreiben jeweils fällig werdenden Lohnansprüche einer entsprechenden neuerlichen Geltendmachung. Bei dieser Sachlage muß nicht näher darauf eingegangen werden, daß der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, daß dort, wo sich Ansprüche auf fortdauernde Leistungen und Gegenleistungen gegenüberstehen, nach allgemeiner Lebenserfahrung der Umstand, daß der eine Teil dauernd weder seine Leistung erbringt noch sie anbietet noch auch die ihm gebührende Gegenleistung in Anspruch nimmt, im Sinne des § 863 ABGB als stillschweigende Erklärung im Sinne einer Beendigung des gegenseitigen Rechtsverhältnisses zu deuten ist (ArbSlg 5754; ArbSlg 7744). In ArbSlg 8588 hat der Oberste Gerichtshof ein stillschweigendes Einverständnis eines Dienstnehmers mit seiner Kündigung angenommen, der fast drei Jahre lang nichts dagegen unternommen, die Abfertigung entgegengenommen und einen Antrag auf Zuerkennung der Invaliditätspension gestellt hat. In seiner Entscheidung ArbSlg 11.023 verwies der Oberste Gerichtshof auf den Charakter des Arbeitsverhältnisses als synallagmatisches Dauerschuldverhältnis und leitete daraus sowie aus der Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers zwischen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und Geltendmachung entlassungs- bzw kündigungsabhängiger Ansprüche ein Klarstellungsinteresse des Vertragspartners ab, weshalb der weitere Leistungsbereitschaft voraussetzende Fortsetzungsanspruch nicht zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden könne. Der Dienstnehmer, der seinen Fortsetzungsanspruch erstmals rund drei Jahre nach Beendigung des Leistungsaustausches erhebe, habe die für die Geltendmachung des Anspruches zur Verfügung stehende Frist jedenfalls erheblich überschritten (vgl Kuderna, Gedanken zu einer individualrechtlichen und materiellrechtlichen Gestaltung des allgemeinen Kündigungsschutzes im Arbeitsrecht, DRdA 1974, 49 ff [59]; derselbe, Einige Probleme des besonderen Kündigungsschutzes, DRdA 1990, 1 ff [8]; Schrank, Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Schutzobjekt der Rechtsordnung, 398 ff).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Beklagtenvertreter erhielt die Revision am Donnerstag, den 14.11.1996 zugestellt und überreichte die Revisionsbeantwortung am Freitag, den 13.12.1996 bei Gericht. Er überschritt daher die vierwöchige Notfrist des § 507 Abs 2 ZPO um einen Tag, weshalb die Revisionsbeantwortung als verspätet zurückzuweisen war.

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