OGH 8ObA305/95

OGH8ObA305/9530.11.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Langer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Helmut Stöcklmayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Olivia N*****, Schülerin, vertreten durch die Mutter und gesetzliche Vertreterin Erika N*****, beide***** vertreten durch Mag.Edith Steidl, Sekretärin der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, diese vertreten durch Dr.Gottfried Eypeltauer ua Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Karin J*****, Inhaberin des Seehotels G*****, vertreten durch Dr.Georg Maxwald und Dr.Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen 6.809 S brutto sA, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4.Juli 1995, GZ 12 Ra 44/95-11, womit infolge Berufung der Beklagten das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 26.Jänner 1995, GZ 12 Cga 191/94v-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 1.700 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.436,48 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 406,08 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Frühjahr 1994 bewarb sich die Klägerin um eine Praktikantenstelle bei der Beklagten. Bei dem Vorstellungsgespräch wurde die von der Klägerin für ihre Ausbildung benötigte Praktikumszeit von neun Wochen ab 16.Juli 1994 erörtert. Von einer Kündigungsmöglichkeit während des neunwöchigen Praktikums war nicht die Rede. Die Beklagte wählte unter zahlreichen Bewerberinnen die Klägerin und vier weitere Praktikantinnen aus und übersandte der Klägerin, die nicht, wie die anderen Praktikantinnen ein Vertragsmuster ihrer Schule beigebracht hatte, einen unter Verwendung des von der Handelskammer, Sektion Fremdenverkehr, stammenden Praktikantenvertragsformulares erstellten Vertragsentwurf. Dieser enthält im wesentlichen fünf Punkte: 1. Dauer des Pflichtpraktikums, 2. Verwendung im Betrieb, 3. Entgeltvereinbarung, 4. Kost und Unterkunft und unter Punkt 5. folgende Bestimmung:

"Das Arbeitsverhältnis endet, wenn es nicht vorher kollektivvertragsgemäß gekündigt worden ist, spätestens mit Ablauf der vorgesehenen Pflichtpraxiszeit. Bei Beendigung des Praktikantenverhältnisses erhalten Sie insbesondere zwecks Vorlage bei der Schule ein vergebührtes Arbeitszeugnis."

Handschriftlich waren in dieses Formular in Punkt 1 "9" Wochen, nämlich vom "16.7." bis "11.9.", in Punkt 2 "Service", in Punkt 3 "5.500, -", in Punkt 4 "Kost und Logis frei" eingesetzt. Ansonsten wies der Vertragsentwurf keine schriftlichen Zusätze auf. Diesen Vertragsentwurf unterfertigten die Kläger und ihr Vater und sandten ihn an die Beklagte. Weder die Klägerin noch ihr Vater beachteten Punkt 5 des Vertragsformulars; sie überprüften nur die handschriftlichen Eintragungen dahin, ob sie mit den bei der Vorstellung besprochenen Punkten übereinstimmten. Am 23.Juli 1994 erlitt die Klägerin einen Arbeitsunfall und wurde ins Spital eingewiesen. Da der zunächst für eine Woche prognostizierte Krankenstand bis 7.August 1994 dauerte und Hochsaison war, entschloß sich die Beklagte, einen anderen Mitarbeiter aufzunehmen und die Klägerin zu kündigen. Die Kündigung wurde mit Telegramm vom 1.August zum 15.August 1994 ausgesprochen.

Die Klägerin begehrt Kündigungsentschädigung für die Zeit vom 16. August bis 11.September 1994 sowie Urlaubsabfindung im Gesamtbetrag von 6.809 S brutto und brachte vor, daß eine Kündigung während der Dauer der Befristung nicht zulässig gewesen sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. In Punkt 5 des Praktikantenvertrages sei ausdrücklich auf die kollektivvertragliche Möglichkeit, den Dienstvertrag unter Einhaltung einer Frist von 14 Tagen zu kündigen, hingewiesen worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Da die bei der Vorstellung besprochene Befristung in Punkt 1. des schriftlichen Vertrages handschriftlich deutlich hervorgehoben worden sei, sei die Vertragspartnerin verleitet worden, Punkt 5., der als einziger Punkt keine handschriftlichen Ergänzungen aufweise, zu überlesen. Da Ausgangspunkt für beide Streitteile eine Vertragsdauer von neun Wochen im Sinne der für die Klägerin geltenden Studienordnung gewesen sei, hätte die Klägerin und ihr Vater nicht mit einer eine Kündigungsmöglichkeit vorsehenden und die Klägerin damit im Sinne des § 879 Abs 1 und 3 ABGB gröblich benachteiligenden Klausel rechnen müssen, zumal die von den Schulen und anderen Hotels verwendeten bzw empfohlenen Vertragsmuster eine derartige Kündigungsmöglichkeit nicht vorsähen; der Beklagten habe bewußt sein müssen, daß die erst 16 1/2 Jahre alte Klägerin ausschließlich an einer ihrer Studienordnung entsprechenden Beschäftigungsdauer Interesse haben konnte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Die Kündigungsklausel bewirke keine auffällige Ungleichgewichtslage zwischen den Vertragsparteien, weil die Lösungsmöglichkeit für beide Teile gleichermaßen bestehe. Trotz des vordringlichen Interesses der Praktikantin, ein Praktikum in der in der Schulordnung vorgesehenen Dauer zu absolvieren, sei die Kündigungsmöglichkeit auch für sie von Vorteil, weil sie nicht an der Beschäftigung festhalten müsse, wenn ihr die Bedingungen nicht zusagten; sie habe dann die Möglichkeit, die ihr noch fehlende Zeit bei dem anderen Dienstgeber zu absolvieren. Ein Vertragspunkt, der die Möglichkeiten der Beendigung der Vertragsbeziehungen regle, sei auch bei einem befristeten Dienstvertrag nicht als ungewöhnlich anzusehen. Da Punkt 5, auch wenn er keinen handschriftlichen Zusatz aufweise, einem durchschnittliche Sorgfalt aufwendenden Leser auffallen müsse, bestünden auch aus der Sicht des § 864a ABGB keine Bedenken gegen die Vereinbarung der Kündigungsmöglichkeit.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zur Frage, ob die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit in einem mit einem Schüler einer berufsbildenden Schule zur Absolvierung des nach dem Lehrplan erforderlichen Praktikums auf verhältnismäßig kurze bestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsvertrag zulässig ist, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes besteht und dieser Frage, anders als der Frage, ob die Klägerin aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes der Urkunde mit einer derartigen Bestimmung rechnen mußte, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

Die Revision ist auch berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, schließen einander Kündigung und Befristung zwar grundsätzlich aus, doch können die Parteien für ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Dienstverhältnis (zusätzlich) die Möglichkeit einer Kündigung (zu einem früheren Termin) vereinbaren (siehe ZAS 1980/7 [zust Buchsbaum, ZAS 1980, 60 ff]; 4 Ob 124/78; 4 Ob 111,112/80; ARD 3912/12/87; DRdA 1986/19 [zust Petrovic]; RdW 1994, 87; 9 Ob A 88-90/94). In der Entscheidung 4 Ob 124/78 wurde die Zulässigkeit der Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit auch im Falle eines auf die Dauer von sechs Monaten "zur Probe" abgeschlossenen Dienstvertrages bejaht, ohne auf die sich bei Vereinbarung dieser zusätzlichen Kündigungsmöglichkeit im Falle kurz befristeter Dienstverträge ergebenden Fragen einzugehen. Martinek-M.und W.Schwarz (AngG7 365) und ihnen folgend Egger (Die Beendigung von befristeten Arbeitsverhältnissen im Lichte der Rechtsprechung, WBl 1993, 33 ff [40]) haben darauf hingewiesen, daß eine Kündigung während der Dauer befristeter Dienstverhältnisse nur bei längerer Befristung zuzulassen sei, um die Vorteile der Bestandsfestigkeit des Arbeitverhältnisses nicht durch eine Kündigung zu gefährden. Die Dauer der Befristung und die Möglichkeit einer Kündigung müßten in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dieser Auffassung hat sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 9 ObA 88-90/94 angeschlossen. Ist nun schon im Hinblick auf die Kürze der Befristung des Dienstverhältnisses die Zulässigkeit einer Kündigungsvereinbarung eher zu verneinen, kommt im vorliegenden Fall noch hinzu, daß die Klägerin für die Beklagte erkennbar die vereinbarte Praxiszeit für die Fortsetzung ihrer Schulausbildung benötigte und daher nur an einer Beschäftigung während der vollen vereinbarten Zeit interessiert war. Aus den die privatautonome Gestaltung des Lehrvertrages weitgehend einschränkenden Bestimmungen des BAG (etwa durch den eine bestimmte Dauer vorschreibenden § 13 und die eine Kündigung durch den Arbeitgeber nicht vorsehenden Bestimmungen der §§ 14 und 15) ist zu erschließen, daß der Gesetzgeber das Interesse des Lehrlings an einer die für den Lehrberuf erforderliche volle Lehrzeit umfassenden betrieblichen Ausbildung höher wertete als das Interesse des Lehrberechtigten an einer freien Auflösbarkeit dieses der Ausbildung dienenden Arbeitsverhältnisses. Berücksichtigt man neben der Kürze der Befristung im Rahmen eines beweglichen Systems (siehe W.Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im bürgerlichen Recht, Graz 1950; Bydlinski in Rummel ABGB2 I § 6 Rz 13; Krejci in Rummel aaO § 879 Rz 14) auch noch die im BAG zum Ausdruck kommenden Wertungen des Gesetzgebers, dann ist, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, die Vereinbarung einer Kündigungsmöglichkeit im Rahmen des vorliegenden kurzfristigen, der Erfüllung eines Ausbildungserfordernisses dienenden Beschäftigungsverhältnisses nach § 879 Abs 1 ABGB unzulässig. Zufolge Unzulässigkeit der Kündigung hat die Klägerin Anspruch auf das Entgelt zuzüglich Urlaubsabfindung unter Zugrundelegung der vereinbarten Vertragsdauer aus dem Titel der Kündigungsentschädigung.

Der Revision war daher im Sinne des Abänderungsantrages Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO iVm dem Aufwandersatzgesetz und der Aufwandersatzverordnung sowie auf § 54 Abs 1 ZPO; die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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