Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.031,36 (einschließlich S 338,56 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Klage vom 22.7.1992 begehrte die nunmehr beklagte Partei die gerichtliche Zustimmung zur Entlassung des Klägers, nachdem dieser am
29. und 30.6.1992 nicht zur Arbeit erschienen war, bevor er seinen ordentlichen Präsenzdienst vom 1.7.1992 bis 28.2.1993 ableistete. Mit Urteil vom 27.1.1993 (32 Cga 128/92 des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht) wurde dem Klagebegehren stattgegeben. Bevor das Urteil dem Arbeitgeber zugestellt wurde, erschien der Kläger am 5.3.1993 zur Arbeit, wurde jedoch von der beklagten Partei wieder weggeschickt. Als die beklagte Partei am 9.3.1993 das oben genannte Urteil erhielt, sprach sie gegenüber dem Kläger schriftlich die Entlassung unverzüglich aus.
Der Kläger begehrt nach Einschränkung den der Höhe nach unstrittigen Lohn für die Zeit vom 5.3. bis 12.3.1993 (Erhalt des Entlassungsschreibens) mit der Begründung, die Beklagte habe ihn trotz seiner Arbeitsbereitschaft nicht zur Arbeit zugelassen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, der Kläger habe ein Verhalten gesetzt, das ihr seine Weiterbeschäftigung unzumutbar gemacht habe. Es lägen keinesfalls Umstände auf Seite des Dienstgebers vor, die den Kläger an seiner Dienstleistung gehindert hätten, sondern diese Umstände seien allein in seinem Fehlverhalten zu suchen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, änderte das erstgerichtliche Urteil im Sinn der Stattgebung des Klagebegehrens ab und erklärte die Revision für zulässig.
In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Meinung, daß Präsenz- und Zivildiener während des Bestandschutzzeitraumes stets nur nach vorheriger Zustimmung des Gerichtes und nur aus bestimmten, im Gesetz genannten Gründen rechtswirksam gekündigt oder entlassen werden könnten. Da der Kläger keinen besonders qualifizierten Entlassungsgrund analog § 122 Abs 3 ArbVG bzw § 12 Abs 4 MSchG gesetzt habe, scheide auch eine teleologische Reduktion des § 12 APSG aus; die Weiterbeschäftigung sei der beklagten Partei bis zur gerichtlichen Zustimmung zur Entlassung nicht absolut unzumutbar gewesen. Hieraus folge, daß dem arbeitsbereiten, aber von der beklagten Partei nicht zur Arbeit zugelassenen Kläger ein Entgeltanspruch bis zum Zugang der Auflösungserklärung zustünde.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils abzuändern.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, aber nicht berechtigt.
Die beklagte Partei vertritt in ihren weitwendigen Revisionsausführungen zusammengefaßt den Standpunkt, der Arbeitgeber trage im Falle der Suspendierung des zu entlassenden Arbeitnehmers zwar das Risiko, ob das Gericht der Entlassung zustimmen werde, es sei aber stets dann, wenn dieses der Entlassung zustimme, davon auszugehen, daß dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar gewesen sei, so daß die vom Arbeitgeber ausgesprochene Suspendierung nicht seiner, sondern der Arbeitnehmersphäre zugerechnet werden müsse; es könne keine Entgeltpflicht trotz Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bestehen. Im übrigen sei die gesetzgeberische Entscheidung im ArbVG zwischen solchen Entlassungsgründen, die die Weiterbeschäftigung unzumutbar machten, und solchen, bei denen diese zumutbar sei, nicht gerechtfertigt; alle Entlassungsgründe seien grundsätzlich so gravierend, daß die Weiterbeschäftigung unzumutbar sei.
Dieser Rechtsauffassung ist nicht zuzustimmen.
Die Rechtsordnung (BehEinstG, MSchG, ArbVG, APSG) differenziert den besonderen Bestandschutz je nach dem geschützten Personenkreis (Behinderte, Schwangere, Betriebsräte, Präsenz- und Zivildiener).
Geringen Schutz genießen die Behinderten, Schwangere und Betriebsräte können gleich den Präsenz- und Zivildienern nur aus bestimmten Gründen und nur nach Einholung der vorherigen Zustimmung des Gerichtes gekündigt und entlassen werden. Nur bei bestimmten, ganz gravierenden Entlassungsgründen (Tätlichkeiten und erhebliche Ehrverletzungen; bestimmte gerichtliche strafbare Handlungen) kann die Entlassung gegen nachträgliche Einholung der Zustimmung des Gerichtes ausgesprochen werden, weil der Gesetzgeber diese Entlassungsgründe als derart gravierend empfand, daß er dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung auch solcher geschützter Personen bis zur Einholung der Zustimmung des Gerichtes nicht zumutete.
Den höchsten Bestandschutz genießen die Präsenz-und Zivildiener, denn das APSG kennt keine der vorgenannten Ausnahmen bei der Entlassung; Präsenz- und Zivildiener können stets erst nach vorheriger Zustimmung des Gerichtes entlassen werden. Ist der Arbeitnehmer arbeitsbereit und wird er vom Arbeitgeber nicht zur Arbeit zugelassen, besteht der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers zu Recht; eine Suspendierung ist nur unter Entgeltfortzahlung möglich. Der Gesetzgeber wertete den Bestandschutz eines Präsenz- und Zivildieners offensichtlich so hoch, daß er die Weiterbeschäftigung bzw die Weiterzahlung des Entgelts bis zur Einholung der Zustimmung des Gerichtes stets für zumutbar hielt.
Da der Kläger keinen den § 122 Abs 1 Z 2 und 5 ArbVG bzw § 12 Abs 2 Z 4 und 5 MSchG vergleichbaren Entlassungsgrund gesetzt hat, sondern nur einen, der auch bei Betriebsräten und Schwangeren nur zur Entlassung gegen vorherige Zustimmung des Gerichtes berechtigt hätte (ungerechtfertigtes Fernbleiben von der Arbeit während einer den Umständen nach erheblichen Zeit § 15 Z 2 APSG), erübrigen sich hier die in der Lehre angestellten Überlegungen, ob eine teleologische Reduktion des § 15 Z 5 und 6 APSG in dem Sinn zulässig und geboten wäre, daß auch bei Präsenz- und Zivildienern in diesen Fällen die Entlassung gegen nachträgliche Einholung der Zustimmung des Gerichtes genügt, weil dem Arbeitgeber die auch nur vorübergehende Weiterbeschäftigung dieses Arbeitnehmers nicht zugemutet werden könne (vgl Klein/Knöfler, APSG 92 f; Gruber in ZAS 1993, 36 f).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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