European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00021.22D.1024.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin war bei der Beklagten vom 9. 9. 2002 bis 30. 4. 2014 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt. Es wurden immer wieder befristete Verträge abgeschlossen, zumeist auf die Dauer jeweils eines Jahres, entweder in Vollzeit- oder, insbesondere in den letzten Jahren, in Teilzeit. Lediglich im Zeitraum vom 1. 9. 2005 bis 30. 9. 2006 bestand kein Dienstverhältnis.
[2] Die Arbeit der Klägerin bestand vor allem in immunhistologischen und immunfluoreszierenden Laborarbeiten an der Universitätsklinik für Dermatologie, an der zum größten Teil an einem Drittmittelprojekt mit dem Thema „Funktionsweisen der Haut“ geforscht wurde. Im Rahmen des Gesamtprojekts gab es verschiedene Unterprojekte, die von jeweils einem Post-Doc geleitet wurden. Im Zeitpunkt der letzten Befristung des Arbeitsverhältnisses standen zwei Teilprojekte in der Finalphase, deren Ergebnisse im November 2013 bzw Jänner 2014 eingereicht wurden. Daneben war die Klägerin an zwei weiteren Projekten beteiligt, die ab April 2014 nicht mehr weiter betreut bzw nicht zum Abschluss gebracht wurden. Die Tätigkeit der Klägerin erforderte zwar wissenschaftliche Qualifikation, sie arbeitete jedoch jeweils nach Anweisungen einer Projektleitung und war nicht selbst federführend tätig.
[3] Von den drittmittelfinanzierten beschäftigten Mitarbeitern sind 98 % der Männer und 95 % der Frauen mit befristeten Dienstverträgen beschäftigt, davon gemäß § 109 Abs 2 UG 2002 55,3 % der Männer und 57 % der Frauen. Ähnliche Zahlenverhältnisse ergeben sich, wenn man auch die mit über 90 % beschäftigten Mitarbeiter als Vollzeitbeschäftigte rechnet.
[4] Es konnte nicht festgestellt werden, zu welchem Prozentsatz Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Drittmittelprojekten eingesetzt waren, nach Ablauf der Höchstbefristung in ein unbefristetes Dienstverhältnis zur Beklagten übernommen wurden oder werden.
[5] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr Dienstverhältnis über den 30. 4. 2014 hinaus aufrecht sei. Die unterschiedliche Höchstbefristungsdauer nach § 109 Abs 2 UG 2002 sei mangels sachlicher Rechtfertigung verfassungs- und unionsrechtswidrig. Sie diskriminiere Teilzeitbeschäftigte und – wegen der Häufigkeit der Inanspruchnahme von Teilzeit – mittelbar Frauen aufgrund ihres Geschlechts.
[6] Die Beklagte wandte ein, es bestehe weder für Vollzeit- noch für Teilzeitkräfte nach Ablauf der Höchstbefristungsdauer ein Rechtsanspruch auf Übernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis. Die unterschiedliche Höchstbefristungsdauer ermögliche es Teilzeitkräften sich insgesamt im gleichen zeitlichen Ausmaß wie Vollzeitkräfte der wissenschaftlichen Arbeit zu widmen und dadurch ihre weitere Laufbahn zu fördern. Es seien außerdem nicht überwiegend teilzeitbeschäftigte Frauen mit einer Befristung nach § 109 Abs 2 UG 2002 beschäftigt.
[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang statt. Eine mit dem Unionsrecht vereinbare sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Höchstbefristungsdauer für Teilzeit- und Vollzeitarbeitnehmer, insbesondere der behauptete Vorteil für Teilzeitkräfte im Hinblick auf ihre Karriereplanung, sei nicht feststellbar gewesen. Die längere Höchstbefristungsdauer sei daher als unionsrechtswidrig unangewendet zu lassen.
[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts und in Anwendung der Grundsätze der im zweiten Rechtsgang des Verfahrens eingeholten Vorabentscheidung des EuGH (RS C‑274/18 ECLI:EU:C:2019:828) sei im Anlassfall keine genügende sachliche Rechtfertigung für die verlängerte Gesamtdauer der Befristungen bei Teilzeitbeschäftigung erkennbar.
[9] Die ordentliche Revision sei für zulässig zu erklären, da anzunehmen sei, dass auf Grundlage des § 109 Abs 2 UG 2002 eine Vielzahl befristeter Arbeitsverhältnisse mit Teilzeitbeschäftigten eingegangen wurde und der Frage der Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten in Bezug auf die Höchstbefristungsdauer über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
[10] Die auf den Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Beklagten strebt die Abänderung der Entscheidung im klagsweisenden Sinn an, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht dargestellten Gründen zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
[12] 1. Der auf das Dienstverhältnis der Klägerin anzuwendende § 109 Abs 1 und 2 UG 2002 lautete in seiner bis 30. 9. 2021 geltenden, auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anzuwendenden Fassung (in der Folge als § 109 Abs 2 UG 2002 aF bezeichnet):
„(1) Arbeitsverhältnisse können auf unbestimmte oder bestimmte Zeit abgeschlossen werden. Arbeitsverhältnisse auf bestimmte Zeit sind bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit des Arbeitsvertrags auf höchstens sechs Jahre zu befristen, sofern in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist.
(2) Eine mehrmalige unmittelbar aufeinanderfolgende Befristung ist nur bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die im Rahmen von Drittmittelprojekten oder Forschungsprojekten beschäftigt werden, bei ausschließlich in der Lehre verwendetem Personal sowie bei Ersatzkräften zulässig. Die Gesamtdauer solcher unmittelbar aufeinanderfolgender Arbeitsverhältnisse einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers darf sechs Jahre, im Fall der Teilzeitbeschäftigung acht Jahre nicht überschreiten. Eine darüber hinausgehende einmalige Verlängerung bis zu insgesamt zehn Jahren, im Fall der Teilzeitbeschäftigung bis zu insgesamt zwölf Jahren, ist bei sachlicher Rechtfertigung, insbesondere für die Fortführung oder Fertigstellung von Forschungsprojekten und Publikationen zulässig .“
[13] Die Klägerin war insgesamt – unter Gewichtung ihrer jeweiligen vereinbarten Arbeitszeiten – über der Grenze von acht Jahren, und zwar mit einer darüber hinausgehenden Verlängerung, beschäftigt.
[14] 2. Die Revisionswerberin macht geltend, das Berufungsgericht habe sich in seiner rechtlichen Beurteilung nicht ausreichend mit dem im Urteil des EuGH, C‑274/18 , Rn 36, genannten Kriterium auseinandergesetzt und nicht geprüft, ob die Aussicht auf eine unbefristete Beschäftigung für Teilzeitbeschäftigte durch § 109 Abs 2 UG 2002 stärker geschmälert oder hinausgeschoben wird als für Vollzeitbeschäftigte. Statt dessen hätten die Vorinstanzen eine Vorteilsprüfung angestellt, die aber eine vergleichsweise höhere Anforderung darstelle als eine Nachteilsprüfung. Tatsächlich bestehe überhaupt kein Unterschied in den Aussichten auf Übernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis, weil beide Beschäftigtengruppen keinen Rechtsanspruch darauf hätten.
[15] 3. Die Auslegung von § 109 Abs 2 UG 2002 hat nach ständiger Rechtsprechung unter Beachtung des Grundsatzes der richtlinienkonformen Interpretation zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0111214; RS0075866 uva). Es ist daher auf die Vorgaben der relevanten Richtlinien und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH Bedacht zu nehmen.
[16] Zutreffend zeigt die Beklagte auf, dass das festgestellte Verhältnis der von der Regelungen betroffenen männlichen und weiblichen Teilzeitbeschäftigten die Voraussetzungen für die Annahme einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung iSd Art 2 der Gleichbehandlungsrichtlinie 2006/45/EG nicht erkennen lässt.
[17] Es verbleiben aber jedenfalls die Fragen,
a. inwieweit eine Benachteiligung im Sinne § 4 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit RL 97/81/EG vorliegt (vgl dazu auch die Vorabentscheidung C-274/18 , ECLI:EU:C:2019:828) und
b. welche Vorgaben aus der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG abzuleiten sind.
[18] 3.1. Zur Befristungsrichtlinie 1999/70/EG hat der EuGH bereits wiederholt im Zusammenhang mit der Auslegung von § 5 dieser RL ausgesprochen, dass der wiederholte Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse als eine Quelle potenziellen Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer anzusehen ist, den es durch Mindestschutzbestimmungen einzugrenzen gilt, um die Prekarisierung der Lage der Beschäftigten zu verhindern (ua C‑212/04 , Adeneler ua, ECLI:EU:C:2006:443, Rn 63; C‑378/07 bis C‑380/07 , Angelidaki ua, ECLI:EU:C:2009:250, Rn 73; C‑586/10 , Kücük, ECLI:EU:C:2012:39, Rn 25; C‑190/13 , Márquez Samohano, ECLI:EU:C:2014:146, Rn 41; C‑362/13 , C‑363/13 und C‑407/13 , Fiamingo ua, ECLI:EU:C:2014:2044, Rn 54; C‑22/13 , C‑61/13 , C‑63/13 und C‑418/13 , Mascolo ua,ECLI:EU:C:2014:2401, Rn 72; C‑16/15 , Pérez Lopez, ECLI:EU:C:2016:679, Rn 26).
[19] Feste Beschäftigungsverhältnisse stellen aus Sicht des Unionsrechts einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes dar, während befristete Arbeitsverträge nur unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer entsprechen können. Die mehrfache Verlängerung befristeter Arbeitsverträge führt nach der Rechtsprechung des EuGH auch und gerade in Anbetracht eines strukturellen Mangels an unbefristeten Planstellen zu einer Unsicherheit, unter der Arbeitnehmer zu leiden haben (EuGH Rs C-16/15 Pérez Lopez, ECLI:EU:C:2016:679, Rn 27, 56).
[20] Ziel der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverhältnisse ist es, den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse, der als eine Quelle potenziellen Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer gesehen wird, einzugrenzen. Nach § 5 Nr 1 der Rahmenvereinbarung haben die Mitgliedsstaaten, wenn keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung bestehen, unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien eine oder mehrere der folgenden Maßnahmen zu treffen, nämlich
a) sachliche Gründe, die die Verlängerung solcher Verträge oder Verhältnisse rechtfertigen;
b) die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder -verhältnisse;
c) die zulässige Zahl der Verlängerungen solcher Verträge oder Verhältnisse.
[21] 3.1.1. Ob ein besonderer Bedarf besteht, der im Hinblick auf § 5 Nr 1 lit a der Rahmenvereinbarung den Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge sachlich rechtfertigen kann, ist vom nationalen Gericht zu prüfen.Ein solcher Bedarf kann nicht schon aus der Erwägung hergeleitet werden, dass der staatliche oder staatsnahe Arbeitgeber in dem fraglichen Bereich einem finanziellen Risiko ausgesetzt wird (EuGHC‑614/15 , Popescu, ECLI:EU:C:2016:726, Rn 62).
[22] Umstände, die den Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge rechtfertigen, können sich etwa aus der besonderen Art der Aufgaben, zu deren Erfüllung die Verträge geschlossen worden sind, und deren Wesensmerkmalen oder gegebenenfalls aus der Verfolgung eines legitimen sozialpolitischen Ziels durch einen Mitgliedstaat ergeben. Die Beachtung von § 5 Nr 1 lit a der Rahmenvereinbarung verlangt insbesondere, dass konkret geprüft wird, ob die Verlängerung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zur Deckung eines zeitweiligen Bedarfs dient und ob eine nationale Vorschrift nicht in Wirklichkeit eingesetzt wird, um einen ständigen und dauerhaften Arbeitskräftebedarf des Arbeitgebers zu decken (C‑614/15 , Popescu, ECLI:EU:C:2016:726, Rn 65; C‑586/10 , Kücük, ECLI:EU:C:2012:39, Rn 39).
[23] Hierzu sind stets alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen und dabei namentlich die Zahl der mit derselben Person oder zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zurückgreifen, mögen diese auch angeblich zur Deckung eines vorübergehenden Bedarfs geschlossen worden sein (C‑331/17 Sciotto,ECLI:EU:C:2018:859, Rn 50 ff; C‑614/15 , Popescu, ECLI:EU:C:2016:726, Rn 66; C‑586/10 , Kücük, ECLI:EU:C:2012:39, Rn 39, Rn 27 ff; C‑22/13 , C‑61/13 , C‑63/13 und C‑418/13 , Mascolo ua, ECLI:EU:2014:2401, Rn 102).
[24] 3.2. § 4 („Grundsatz der Nichtdiskriminierung“) der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit RL 97/81/EG bestimmt, dass Teilzeitbeschäftigte in ihren Beschäftigungsbedingungen nicht nur deswegen, weil sie teilzeitbeschäftigt sind, gegenüber vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten schlechter behandelt werden dürfen, es sei denn, die unterschiedliche Behandlung ist aus objektiven Gründen gerechtfertig.
[25] 3.2.1. Der EuGH hat in der vorliegenden Vorabentscheidung geprüft, ob Teilzeitbeschäftigte durch die Regelung hinsichtlich der Dauer befristeter Arbeitsverhältnisse unsachlich schlechter behandelt werden oder es einen Vorteil darstellt, weil es schwierig ist, bei Universitäten eine unbefristete Beschäftigung zu erlangen. Als sachlicher Grund wurde geltend gemacht, dass es in der Natur der Sache liege, dass Teilzeitbeschäftigte im Rahmen ihrer Beschäftigung nicht so viele Kenntnisse und nicht so viel Erfahrung erwerben könnten wie vergleichbare Vollzeitbeschäftigte, dies aber entscheidend sei, um sich im universitären Bereich zu etablieren. Der EuGH hat zwar zugrunde gelegt, dass das Dienstalter Hand in Hand mit der dienstlichen Erfahrung gehe, jedoch der objektive Charakter eines Kriteriums von allen Umständen des Einzelfalls und insbesondere davon abhängt, welche Beziehung zwischen der Art der ausgeübten Tätigkeit und der Erfahrung besteht, die durch die Ausübung dieser Tätigkeit nach einer bestimmten Anzahl geleisteter Arbeitsstunden erworben wird (vgl C-274/18 Rn 39 mwN). Das nationale Gericht habe zu prüfen, ob im spezifischen Kontext der Arbeitsverhältnisse, die unter § 109 Abs 2 UG 2002 fallen, und der von der Klägerin des Ausgangsverfahrens im Rahmen eines solchen Arbeitsverhältnisses ausgeübten Tätigkeiten eine besondere Beziehung zwischen der Art der ausgeübten Tätigkeit und der Erfahrung besteht, die durch eine bestimmte Anzahl geleisteter Arbeitsstunden erworben wird, und, falls dies bejaht wird, ob die Zeit, die erforderlich ist, um Forschungsarbeiten abzuschließen und die Publikation von deren Ergebnissen zu gewährleisten, dies zu rechtfertigen vermag sowie ob die Regelung zu dem Ziel, das mit ihr verfolgt werden soll, in einem angemessenen Verhältnis steht.
[26] 3.3. Beide Richtlinien und die dazu ergangene Rechtsprechung sprechen also für eine enge, an den konkreten sachlichen Erfordernissen orientierte Auslegung des § 109 Abs 2 UG 2002, was also eine „sachliche(r) Rechtfertigung, insbesondere für die Fortführung oder Fertigstellung von Forschungsprojekten und Publikationen“ darstellt, wobei der noch spezifisch bei der Verlängerung bei Teilzeitbeschäftigten dies im Hinblick auf die Bedeutung des Ausmaßes der Arbeitszeit zu prüfen ist.
[27] 4. Grundsätzlich nachvollziehbar argumentiert die Beklagte, dass es für Teilzeitbeschäftigte auch einen Nachteil darstellen könne, wenn sie bei gleicher Befristungsdauer weniger Arbeitszeit als Vollzeit beschäftigte Wissenschafter haben, um sich wissenschaftlich zu entwickeln und zu etablieren und ihre Eignung für die ganz besonderen Herausforderungen dieser Art der Tätigkeit unter Beweis zu stellen. Da aber auf eine Übernahme in ein unbefristetes Dienstverhältnis nach dem UG 2002 sowohl bei Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigten kein Anspruch besteht, stehen beide Gruppen auch vor der Herausforderung, für den Fall des Scheiterns rechtzeitig eine alternative Berufslaufbahn zu planen, wofür eine um mehrere Jahre verlängerte Unsicherheit und die Unanwendbarkeit von Kündigungsschutzbestimmungen im Regelfall nicht günstig sind. Genau zu dieser Abwägung trifft das Gesetz in § 109 Abs 2 letzter Halbsatz UG 2002 eine Entscheidung, die nach den Richtlinienvorgaben im Sinne einer engen Vorgabe für weitere Verlängerungen und einer Erweiterung des Zeitraums für Teilzeitbeschäftigte zu interpretieren ist.
[28] 5. Die Revision betont, dass der insgesamt längere Befristungszeitraum für Teilzeitbeschäftigte ihnen den Erwerb von mehr wissenschaftlicher Erfahrung und mehr Publikationen ermögliche, wodurch sich ihre Jobchancen in- und außerhalb der Universität erhöhen würden.
[29] Dieser pauschalen Annahme stünde bei einer allgemeinen Betrachtung wohl entgegen, dass die unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmergruppen in § 109 Abs 2 UG 2002 aF nicht nach dem Teilzeitausmaß differenziert. Im äußersten Fall ermöglicht bereits eine einzige Stunde unterhalb der Normalarbeitszeit die längere Gesamtbefristungsdauer, ohne dass hier im Vergleich zu einer Vollzeitbeschäftigung ein wesentlicher Unterschied in Bezug auf den Erwerb von Erfahrung vorstellbar wäre.
[30] Wesentlich ist aber die anzustellende konkrete Betrachtung, bei der der vorgebrachte Rechtfertigungsgrund in den Feststellungen keine Deckung findet. Aus den Feststellungen ist kein eindeutiger Zusammenhang zwischen längerer Dauer der Kettenverträge der Klägerin, der verringerten Arbeitszeit und deren beruflichem Fortkommen abzuleiten. Die Klägerin hat auch nie eigene Projekte geleitet. In welcher Hinsicht die Klägerin durch ihre befristeten Kettendienstverträge ihre Qualifikation, die schon Voraussetzung für die Beschäftigung als wissenschaftliche Mitarbeiterin war, durch die verlängerte Gesamtdauer in relevanter Weise erhöhen konnte, bzw welche konkreten besseren Karrierechancen ihr dadurch ermöglicht wurden, konnte die Beklagte nicht darstellen.
[31] Allgemein würde der Rechtfertigungsgrund des letzten Satzes des § 109 Abs 2 UG 2002, der die einmalige Verlängerung über das Höchstausmaß „insbesondere für die Fortführung oder Fertigstellung von Forschungsprojekten und Publikationen“ erlaubt, wohl auf die Projektverantwortlichen selbst sowie auf Arbeitnehmer zutreffen, die für das laufende Projekt von solcher Bedeutung sind, dass ohne sie die Fortführung oder der Abschluss gefährdet wäre oder die Arbeitnehmer selbst daraus konkrete Vorteile für ihre wissenschaftliche Karriere haben. Hinsichtlich des Aspektes der Teilzeitbeschäftigten wäre auch die Bedeutung des Ausmaßes der Arbeitszeit relevant.
[32] Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt waren diese Voraussetzungen bei der Klägerin aber nicht erfüllt.
[33] Es ist nicht ersichtlich, inwiefern gerade diese Publikationen für die wissenschaftliche Fortentwicklung und die Berufschancen der Klägerin noch von Bedeutung gewesen wären, oder dass die namentliche Erwähnung der Klägerin in der Publikation unterblieben wäre, wenn sie nicht mehr bis zum Ende am Projekt beteiligt gewesen wäre und inwieweit das Ausmaß der Arbeitszeit dabei eine Rolle spielt.
[34] Im Ergebnis lässt sich die erneute wiederholte Befristung weder aus der Bedeutung für das „wissenschaftliche Fortkommen“ der Klägerin noch dem Erfordernis des erneuten Einsatzes gerade der Klägerin bei einem bestimmten – befristeten – Projekt rechtfertigen.
[35] 6. Die Vorinstanzen sind daher im Ergebnis zutreffend zum Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzung einer sachlichen Rechtfertigung im Sinn des letzten Satzes des § 109 Abs 2 UG 2002 und seiner richtlinienkonformen Interpretation jedenfalls für die letzte, das Höchstmaß von acht Jahren überschreitende Befristung bei der Klägerin nicht mehr vorlag.
[36] 7. Die Rechtsfolge einer unzulässigen Mehrfachbefristung wird in § 109 UG 2002 nicht explizit angesprochen. Nach der Rechtsprechung führt eine mangels der Voraussetzungen des § 109 Abs 2 UG 2002 unzulässige Kettenbefristung eines Dienstvertrags zu einem unbefristeten Dienstvertrag (RS0127501 = 9 ObA 76/11h). Der erkennende Senat sieht keine Veranlassung, von dieser rechtlichen Konsequenz, die als solche auch in der Revision nicht bekämpft wird, abzugehen.
[37] 8. Auf die Frage, ob die strittige Regelung des § 109 Abs 2 UG 2002 aF eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt, kommt es daher nicht mehr an.
[38] 9. Der Revision der Beklagten war daher keine Folge zu geben.
[39] Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 3 ZPO iVm § 2 ASGG.
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