OGH 8ObA11/20f

OGH8ObA11/20f27.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Dieter Gallistl, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard W. Huber, LL.M., Rechtsanwalt in Linz, wegen 3.182,49 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. November 2019, GZ 11 Ra 64/19i‑16, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Juli 2019, GZ 10 Cga 34/19f‑12, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00011.20F.0527.000

 

Spruch:

Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren über das Vorabentscheidungsersuchen des Obersten Obersten Gerichtshofs vom 29. April 2020 zu 9 ObA 137/19s unterbrochen. Das Revisionsverfahren wird nach Einlangen der Vorabentscheidung von Amts wegen fortgesetzt.

 

Begründung:

Die Klägerin bringt vor, dass sie bei der Beklagten beschäftigt gewesen sei und diese das Arbeitsverhältnis fristwidrig beendet habe. Neben anderen Ansprüchen macht sie auch eine Urlaubsersatzleistung für 15 Tage geltend, da sie den ihr zustehenden Urlaub nicht vollständig habe konsumieren können.

Die Vorinstanzen folgten demgegenüber dem Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin ungerechtfertigt ausgetreten sei. Es bestünden daher keine offenen Ansprüche. Das Berufungsgericht verwies dabei unter anderem darauf, dass nach § 10 Abs 2 UrlG bei ungerechtfertigtem vorzeitigen Austritt kein Anspruch auf Urlaubsersatzleistung bestehe, wobei es davon ausging, dass diese Bestimmung unionsrechtskonform ist.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil dazu, inwieweit § 10 Abs 2 UrlG europarechtlichen Vorschriften entgegensteht, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe, wobei dieser Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Im Hinblick auf ein bereits vom Obersten Gerichtshof im Verfahren 9 ObA 137/19s beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) anhängig gemachtes Verfahren zur Frage der Vereinbarkeit des § 10 Abs 2 UrlG mit dem Unionsrecht ist das Verfahren jedoch zu unterbrechen:

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat folgende Frage an den EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„I.1. Ist mit Art 31 Abs 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) und Art 7 Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG eine nationale Vorschrift vereinbar, wonach eine Urlaubsersatzleistung für das laufende (letzte) Arbeitsjahr nicht gebührt, wenn der Arbeitnehmer ohne wichtigen Grund vorzeitig einseitig das Dienstverhältnis beendet („Austritt“)?

I.2. Wenn diese Frage verneint wird:

1.2.1. Ist dann zusätzlich zu prüfen, ob der Verbrauch des Urlaubs für den Arbeitnehmer unmöglich war?

1.2.2. Nach welchen Kriterien hat diese Prüfung zu erfolgen?“

Diese Fragestellung betrifft auch den Kernbereich des im vorliegenden Fall zu beurteilenden Problems, nämlich ob bzw inwieweit § 10 Abs 2 UrlG unionsrechtswidrig ist. Da von der allgemeinen Relevanz von Vorabentscheidungen des EuGH auszugehen ist und diese auch für andere Fälle als den unmittelbaren Ausgangsfall zu berücksichtigen sind, ist das Verfahren aus prozessökonomischen Gründen bis zum Vorliegen der Entscheidung des EuGH zu unterbrechen (vgl RIS‑Justiz RS0110583).

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