OGH 8Ob99/99p

OGH8Ob99/99p27.5.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für K*, vertreten durch Frischenschlager & Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Dr. Alexander Schöller, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der I* ReiseveranstaltungsgmbH, *, wegen S 3.000,‑- (Streitwert gemäß § 55 Abs 4 JN S 60.000,‑‑), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 7. Mai 1996, GZ 1 R 325/96g‑27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 16. August 1995, GZ 10 C 23/95w‑19, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1999:E54036

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision selbst zu tragen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Auf der Insel Rhodos explodierten am 11. und 12. 7. 1994 drei Sprengsätze, die in Mistkübeln deponiert worden waren, und zwar einer in Lindos und zwei in Rhodos‑Stadt, wobei ein Grieche lebensgefährlich verletzt wurde, eine Touristin Beinverletzungen erlitt und weitere sechs Personen, darunter vier Touristen, leicht verletzt wurden.

Ab dem Nachmittag des 12. 7. 1994 sowie am 13. 7. 1994 wurde vorerst in Ö3 und dann auch in Ö1 wiederholt über diese Bombenanschläge berichtet. Es wurde weiters berichtet, daß man von Seiten der griechischen Regierung ausländische Täter, und zwar vornehmlich türkische Terroristen verantwortlich mache. Man vermute hinter dem Anschlag ein türkisches Vergeltungsmanöver, weil die kurdische Separatistenorganisation PKK durch Griechenland unterstützt worden sei. Es würden weitere Anschläge befürchtet; die Terroristen befänden sich noch in Rhodos und seien noch nicht gefaßt worden, was zu Panik unter den Gästen auf der Insel geführt und etliche zu einem vorzeitigen Abbruch des Urlaubs bewogen habe. Mit diesen Anschlägen solle dem griechischen Tourismus geschadet werden; es war davon die Rede, daß nunmehr die Urlauber "im Fadenkreuz" der Terroristen seien. Die Sicherheitsvorkehrungen seien in Rhodos sowie auf der Insel Kos verstärkt worden; die Häfen und Flughäfen würden besonders überwacht. Im Korrespondentenbericht des Morgenjournals in Ö1 hieß es ua auch: "Nach den Bombenanschlägen auf der Ferieninsel Rhodos hat die griechische Polizei aus Sicherheitsgründen die größten Strände der Insel gesperrt, da weitere Anschläge befürchtet werden". Inhaltlich ähnlich berichteten am 14. 7. 1994 einige Tageszeitungen. In der Kronenzeitung wurde auch berichtet, daß auf der Ferieninsel Rhodos der Notstand ausgerufen worden sei, weil sich eine einige Kilometer lange Feuerwalze auf einige Dörfer zubewege; diese Waldbrände seien vermutlich von türkischen Terroristen gelegt worden, um den griechischen Tourismus zu schaden.

Sabine W* und Horst H* hatten am 29. 6. 1994 eine Pauschalreise für die Zeit vom 17. 7. bis 24. 7. 1994 in ein Strandhotel in Faliraki auf der Insel Rhodos zu einem Gesamtpreis von S 14.440,‑- gebucht. Dieser Ort ist 18 km von Rhodos‑Stadt und 30 km von Lindos entfernt. Bei Vertragsunterfertigung leisteten sie eine Anzahlung von S 3.000,‑‑. Ursprünglich hatten sie vorgehabt, einen Urlaub in der Türkei zu buchen, hatten aber von diesem Vorhaben Abstand genommen, nachdem in der Türkei im Jahr 1994 mehrere Bombenanschläge der kurdischen Separatistenorganisation PKK auf ausländische Touristen verübt worden waren, und entschlossen sich für eine Buchung auf der Insel Rhodos, weil zum Buchungszeitpunkt Griechenland und auch die Insel Rhodos als sichere Urlaubsziele galten.

Aufgrund der Berichterstattung über die Vorkommnisse auf der Insel Rhodos stornierten sie am 15. 7. 1994 die gebuchte Reise. Zu diesem Zeitpunkt war ihnen nicht bekannt, daß der Hintergrund der Anschläge auf Rhodos nicht bei türkischen Terroristen zu suchen war, sondern daß zwei verfeindete Hoteliers einander bekämpften. Danach gab es keine weiteren Anschläge auf Rhodos. Damals waren ca 1000 Gäste der späteren Gemeinschuldnerin, die Veranstalterin dieser Reise war, auf Rhodos. Außer W* und H* stornierte nur ein weiterer Gast sein Arrangement.

Nachdem W* und H* vergeblich die Rückzahlung der Anzahlung von der Veranstalterin gefordert hatten, traten sie diese Forderung der klagenden Partei, einer der in § 29 KSchG genannten Institutionen zur Geltendmachung ab.

Die klagende Partei begehrt die Rückzahlung der Anzahlung von S 3.000,‑- von der Veranstalterin. Wegen der eingangs geschilderten Ereignisse sei es den genannten Pauschalreisenden unzumutbar gewesen, nach Rhodos zu reisen.

Die Reiseveranstalterin beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der von den Kunden ausgesuchte Urlaubsort sei von den Anschlägen in keiner Weise betroffen gewesen, weil die Anschläge in weiter entfernten Orten stattgefunden hätten. Waldbrände träten in den Sommermonaten regelmäßig auf. Von den österreichischen Urlaubern, die sich zu dieser Zeit auf Rhodos aufgehalten hätten, sei die Situation nicht als unertragbar empfunden worden. Die Geschäftsgrundlage sei nicht weggefallen, weil typische Voraussetzung für den Vertragsabschluß von beiden Vertragsparteien nicht gewesen sei, daß die Insel Rhodos generell von jeglichen terroristischen Übergriffen verschont bleibe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Rückerstattung der geleisteten Anzahlung für das Pauschalarrangement statt. Die Gefahr von Terroranschlägen auf Rhodos sei nach den vereinbarten Allgemeinen Reisebedingungen kein wichtiger Grund für einen Vertragsrücktritt seitens der Reisenden. Die Kunden könnten sich auch nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen, weil es nicht als geschäftstypische Voraussetzung angesehen werden könne, daß sich auf der Insel, auf der das Urlaubsziel liege, keine Terroranschläge ereigneten. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage sei jedoch darin zu sehen, daß nach den Medienberichten die Polizei aus Sicherheitsgründen aufgrund von Bombenanschlägen die größten Strände der Insel gesperrt hatte, weil weitere Anschläge befürchtet wurden. Auch wenn der Strand bei dem von beiden Reisenden gebuchten Hotel davon nicht betroffen gewesen sei, sei es für sie jedoch unzumutbar gewesen, darüber Erkundigungen anzustellen. Aufgrund der Medienberichte hätten sie damit rechnen müssen, daß auch ihr Strand gesperrt werden oder ihr Hotel von den Waldbränden betroffen sein könnte. Die Möglichkeit, den angrenzenden Strand zum Sonnen und Baden zu benützen, stelle eine der geschäftstypischen Voraussetzungen eines gebuchten Sommerurlaubs in einem Strandhotel auf einer Mittelmeerinsel dar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Reiseveranstalters Folge, wies das Klagebegehren zur Gänze ab und ließ die Revision an den Obersten Gerichtshof zu, weil zur Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eines Reisevertrages im Zusammenhang mit (vereinzelten) Bombenanschlägen in der (entfernteren) Umgebung des Reiseziels Judikatur des Obersten Gerichtshofes fehle und der Streitwert gemäß § 55 Abs 4 JN S 50.000,‑- übersteige.

Die Anfechtung eines Vertrages unter Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage setze voraus, daß sich nach Abschluß des Vertrages die Umstände dergestalt geändert hätten, daß geschäftstypische Voraussetzungen weggefallen seien, also solche, die jedermann mit einem Geschäft wie dem abgeschlossenen verbinde. Es sei zu bejahen, daß die Sperre des hotelnahen Strandes bei einem Sommerurlaub am Meer oder das Stattfinden von Terroranschlägen in unmittelbarer Nähe des Urlaubsquartiers Umstände darstellten, die eine Vertragsanfechtung rechtfertigen würden, weil jedermann bei einem Strandurlaub die Benützbarkeit des Strandes sowie das Fehlen einer konkreten Gefahr für Leib und Leben voraussetze. Es müsse jedoch eine solche Intensität erreicht werden, die unter Anlegung eines durchschnittlichen Maßstabes als unzumutbare Konkretisierung einer derartigen Gefahr erscheine. Dabei sei primär auf die objektiv bestehenden Risken abzustellen. Es dürfe aber auch nicht ganz unberücksichtigt bleiben, welche Informationen sich der betreffende Vertragspartner bei sorgfältigem Bemühen um diese habe verschaffen können. Das bloße Vorliegen weit übertriebener Medienberichte, die überhaupt keiner weiteren Überprüfung unterzogen würden, könne jedenfalls keinen hinreichenden Anfechtungsgrund darstellen, weil ansonsten auf die berechtigten Interessen des anderen Vertragspartners nicht hinreichend Bedacht genommen würde. Vereinzelte Terroranschläge gehörten zum allgemeinen Lebensrisiko, weil derzeit in fast allen Ländern gelegentlich Anschläge verübt würden. Im vorliegenden Fall sei die von den Reisenden gefürchtete Gefahr objektiv nicht mehr gegeben gewesen. Angesichts der geringen Anzahl der Anschläge und der nicht unerheblichen Entfernung vom gebuchten Urlaubsquartier erscheine das von einem durchschnittlichen Reisenden abzuschätzende Risiko nicht hinreichend, um einen Wegfall der Geschäftsgrundlage zu rechtfertigen. Daß es sich bei den betroffenen Kunden möglicherweise um ganz besonders vorsichtige Reisende gehandelt habe, die auch nicht das geringste Risiko auf sich nehmen wollten, sei aus ihrer Sicht keineswegs unverständlich, vermöge jedoch eine Verlagerung der ihnen durch eine Stornierung des Reisevertrages entstehenden Nachteile auf die Veranstalterin nicht zu rechtfertigen. Schließlich habe auch die ganz überwiegende Anzahl der Kunden der Reiseveranstalterin die Anschläge nicht zum Anlaß für eine vorzeitige Abreise oder Stornierung des Reisevertrages genommen. Dies gelte auch für die befürchtete Sperre von Badestränden. Es sei nicht behauptet worden, daß es tatsächlich zu einer solchen Maßnahme gekommen wäre. Daß sich zwischen Vertragsabschluß und Vertragserfüllung Umstände ereigneten, die den ursprünglichen Entschluß einer Vertragspartei, die Gegenleistung in Anspruch zu nehmen, ins Wanken bringen könnten, sei keineswegs selten, stelle jedoch - von Extremfällen abgesehen - in der Regel bloß einen rechtlich unbeachtlichen Motivirrtum über Zukünftiges dar.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei. Sie beantragt die Abänderung im Sinn der Klagsstattgebung.

Nach Erhebung der Revision wurde über das Vermögen der Reiseveranstalterin das Konkursverfahren eröffnet. Nach Anmeldung der Forderung und Bestreitung derselben begehrt die klagende Partei die Fortsetzung des Verfahrens.

Der Masseverwalter erstattete keine Revisionsbeantwortung.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Sonderbestimmung des § 55 Abs 4 JN nach der der Streitwert in Rechtsstreitigkeiten, in denen ein in § 29 KSchG genannter Verband, zu dem der klagende Verein gehört, einen ihm zur Geltendmachung abgetretenen in Geld bestehenden Anspruch geltend macht, stets mindestens S 60.000,‑- beträgt, nicht jedenfalls unzulässig; sie wurde vom Berufungsgericht wegen fehlender oberstgerichtlicher Rechtsprechung zum hier zu beurteilenden konkreten Fragenkomplex zurecht für zulässig erklärt, ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Weder das österreichische Recht noch die Richtlinie des Rates vom 13. 6. 1990 über Pauschalreisen (90/314/EWG ), die durch die Novelle zum KSchG (§ 31b‑f) mit Wirkung vom 1. 1. 1994 (K BGBl 1993/917) in das österreichische Recht umgesetzt wurde, enthalten - anders als das deutsche Recht - eine Bestimmung über das Rücktrittsrecht des Reisenden im Fall "höherer Gewalt"; diese sieht in § 651j Abs 1 BGB vor, daß dann, wenn die Reise infolge bei Vertragsschluß nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet, oder beeinträchtigt wird, sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag kündigen können. Auch die auf den vorliegenden Vertrag anzuwendenden Arb 1992 sehen kein solches Rücktrittsrecht des Kunden vor; lediglich der Veranstalter ist nach P 7.2 lit b unter den dort genannten Bedingungen zum Rücktritt berechtigt und hat dem Kunden in diesem Fall den eingezahlten Betrag rückzuerstatten.

Das ABGB kennt zwar nicht den Begriff der "höheren Gewalt" verwendet aber in mehreren Bestimmungen, insb in den § 1311 erster Satz und § 1447 ABGB den Begriff "Zufall", in anderen Gesetzen (zB § 1a RHG) verwendet auch das österreichische Recht den Begriff "höhere Gewalt". Lehre und Rechtsprechung legen beide Begriffe in Anlehnung an das Verständnis im deutschen Rechtsbereich aus (Koziol, Haftpflichtrecht2 II 421; Zechner, Reisevertragsrecht Rz 189). Diese "höhere Gewalt" wird als ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch die äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis definiert.

Auch wenn das österreichische Recht kein ausdrückliches Rücktrittsrecht des Kunden im Fall höherer Gewalt iSd § 651j Abs 1 BGB kennt, so kann bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen mit Hilfe des Instrumentariums des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dasselbe Ergebnis erreicht werden (Zechner aaO Rz 189 und 343). Dieses Institut kann als letztes Mittel herangezogen werden, um rechtsgeschäftliche Bindungen zu beseitigen (SZ 60/218). Da sich Phänomene der "höheren Gewalt" in Österreich gleich wie anderswo darstellen, kann die Rechtsprechung zu § 651j GBG auch für das Reiserecht nutzbar gemacht werden (Zechner aaO Rz 189), zumal auch § 651j BGB als Sonderfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angesehen wird, wenn die geschuldete Reiseleistung (Transport, Unterkunft, Verpflegung) als solche nicht gefährdet ist (RRa 1994, 38).

Nicht nur wenn die Reise für den Kunden aus nach Vertragsabschluß sich ergebenden, weder von ihm noch von dem Vertragspartner zu verantwortenden oder zu beeinflussenden Ereignissen unmöglich wird, sondern auch dann, wenn sie für ihn unzumutbar wird, kann er - wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage - ohne Zahlung einer Stornogebühr vom Vertrag zurücktreten und hat alle bereits geleisteten Zahlungen zurückzuerhalten. Denn jene Vereitelungstatbestände, die sich in der neutralen Sphäre zutragen belasten den Veranstalter; er trägt die Preisgefahr. Entgegenstehende Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen wären sittenwidrig und nichtig (Zechner aaO Rz 194 f).

Allgemein anerkannt ist, daß eine nach Vertragsschluß unerwartend auftretende akute Kriegsgefahr oder bei Vertragsschluß nicht voraussehbare bürgerkriegsähnliche Zustände solche Fälle höherer Gewalt darstellen. Handelt es sich aber nur um vereinzelte Anschläge, mögen sie auch terroristischer Natur sein, steht nach der weitaus überwiegenden deutschen - allerdings nicht höchstgerichtlichen Rechtsprechung kein Rücktrittsrecht zu. Ausgesprochen wurde dies für die Länder Ägypten (AG München, RRa 1993, 9; AG Ludwigsburg, RRa 1994, 43; 1004, 205; NJW‑RR 1994, 311; AG Stuttgart RRa 1994, 44; 1995, 44), Türkei (AG Hamburg, RRa 1994, 150; AG Stuttgart, RRa 1995, 103; LG Frankfurt a. M. RRa 1995, 88; NJW‑RR 1995, 883; AG Essen, RRa 1995, 181; AG Düsseldorf, RRa 1995, 122; AG Berlin‑Charlottenburg, NJW‑RR 1994, 312; AG Hamburg, NJW‑RR 1994, 635; AG Leverkusen, NJW‑RR 1997, 1204 = RRa 1994, 253), Sri Lanka (OLG Düsseldorf, NJW‑RR 1990, 573) und Jemen (AG Berlin‑Charlottenburg, RRa 1995, 87). Die Begründungen variierten je nach dem Sachverhalt. Soweit für den vorliegenden Fall von Interesse ist hieraus hervorzuheben: Auch wenn es sich bei einzelnen Terrorakten um gezielte Anschläge handelte, fielen Taten dieser Art in das von jedem einzeln zu tragende allgemeine Lebensrisiko, wie sie heutzutage in anderen Urlaubsländern (zB Südafrika, Florida, Dominikanische Republik, Korsika) anzutreffen seien und die sich auch im Heimatland realisieren könnten (AG München, RRa 1993, 9; AG Ludwigsburg, RRa 1994, 43; NJW‑RR 1994, 311; AG Hamburg, RRa 1994, 150; AG Stuttgart, RRa 1995, 103; LG Frankfurt a. M. RRa 1995, 88; NJW‑RR 1995, 883; AG Berlin‑Charlottenburg NJW‑RR 1994, 312). Ein einzelner Terroranschlag im Gebiet A lasse keinen Schluß darauf zu, daß er sich auch im Urlaubsgebiet B wiederholen könnte (AG Stuttgart, RRa 1994, 44; 1995, 144; AG Hamburg, RRa 1994, 150; AG Frankfurt a. M. RRa 1995, 88; AG Bad Homburg NJW‑RR 1994, 635) für den Reisekunden günstigere Meinungen werden nur spärlich vertreten so hat das AG Frankfurt a. M. (RRa 1995, 151) ausgesprochen, daß ein einzelner Terroranschlag in Verbindung mit der Ankündigung weiterer Gewaltakte ausreiche, um eine erhebliche Gefährdung der Reise zu bejahen (in diesem Sinn auch Tempel, Zur Kündigung von Reiseverträgen wegen terroristischer Anschläge, NJW 1998, 1827 ff [1831).

Die Anschläge müssen - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - eine solche Intensität erreichen, die unter Anlegung eines durchschnittlichen Maßstabes ("jedermann") als Konkretisierung einer unzumutbaren Gefahr derartiger künftiger Anschläge erscheinen müsse; nur dann berechtigen sie zur Auflösung des Vertrages wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (Zechner aaO Rz 343). Hiebei muß eine "ex ante‑Betrachtung" angestellt werden: Wie hätte ein durchschnittlicher - also weder ein besonders mutiger noch ein besonders ängstlicher - Reisender die zukünftige Entwicklung am in Aussicht genommenen Urlaubsziel beurteilt. Nicht erheblich kann hingegen der in der berufungsgerichtliche Beurteilung einfließende Gedanke der späteren realen Entwicklung der Ereignisse sein. Diese Prognose ist besonders schwierig. Mit der deutschen Rechtsprechung muß wohl eine eindeutige Reisewarnung durch das Außenamt als stornofreier Rücktrittsgrund gewertet werden; ob der Hinweis auf ein "erhöhtes Sicherheitsrisiko" im Zielgebiet ausreicht, kann hier dahinstehen (bejahend AG Frankfurt a. M. RRa 1994, 151; verneinend AG Stuttgart, RRa 1994, 44). Im vorliegenden Fall hat das Außenamt gar keine Erklärungen abgegeben; die Reisenden mußten sich nach anderen Informationen umsehen. Medienberichte und Informationssendungen in Rundfunk und Fernsehen und anerkannt seriösen Zeitungen können nicht grundsätzlich als aus Sensationslust weit übertriebene Berichte abgetan werden, die nicht ernstzunehmen sind. Ein wesentlicher Umstand ist auch der Zeitfaktor. Steht der Antritt der Reise nicht unmittelbar bevor, ist es den Kunden durchaus zuzumuten, vorerst die weitere Entwicklung abzuwarten; ein vorschnell erklärter Rücktritt kann dann nicht mit dem Wegfall der Geschäftsgrundlage legitimiert werden. Treten die Unruhen oder Anschläge allerdings unvermutet unmittelbar vor dem geplanten Reiseantritt auf, ist ein weiteres Zuwarten mit der Rücktrittserklärung in der Regel nicht zumutbar und kann auch an die Informationspflicht der Kunden keine allzu umfassenden Anforderungen gestellt werden.

Grundsätzlich muß aber gesagt werden, daß ein vereinzeltes unvermutetes Auftreten von Anschlägen am geplanten Urlaubsziel nicht jedenfalls zum Vertragsrücktritt wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigt. Wie die Vorinstanzen übereinstimmen mit der zitierten deutschen Judikatur ausgeführt haben, haben sich vereinzelte derartige Anschläge bereits in nahezu allen Ländern ereignet und gehören zu den allgemeinen Lebensrisken, die jedermann auf sich nehmen muß und vor denen er auch in seinem Heimatland nicht gefeit ist. Auch in Österreich haben sich bereits derartige Anschläge ereignet und zwar nicht nur im Zusammenhang mit einer geplanten Urlaubsreise ins Ausland (Anschlag am Flughafen). So kam es zB zu einem vereinzelten, vorerst nicht aufklärbaren Bombenanschlag in der Nähe eines bekannten österreichischen Urlaubsgebiets; dies kann und hat auch nicht dazugeführt, daß "jedermann", der in diesem Gebiet einen Urlaub gebucht hat, wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zur kostenlosen Stornierung berechtigt gewesen wäre. Um einen anderen Vergleich zu ziehen: Der vereinzelte Absturz eines Flugzeuges oder ein Eisenbahnunglück kann nicht zum Anlaß genommen werden, eine gebuchte Flug- oder Bahnreise wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu stornieren; mit derartigen vereinzelten Unglücksfällen muß jedermann rechnen; will er jedes derartige Risiko vermeiden, darf er nicht verreisen.

Wo die Grenzen zwischen noch zumutbaren, und daher nicht zum Rücktritt vom Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigenden, und unzumutbaren Risken, die zum Rücktritt des Vertrages aus diesem Grund berechtigen und zur Rückabwicklung gemäß den § 1435 führen (näheres Zechner aaO Rz 343 mwN), ist eine Frage des Einzelfalles, der nur aufgrund der konkreten Umstände beurteilt werden kann.

Der vorliegende Fall ist ein Grenzfall, vor allen wegen der in den Medien erfolgten Mutmaßungen über die Hintergründe der Anschläge, deren Wahrheitsgehalt für die Kunden vorallem im Hinblick auf die kurze Zeit, die bis zum geplanten Urlaubsantritt zur Verfügung stand, kaum überprüfbar waren.

Auch wenn man sich der zitierten, allerdings eher vereinzelt gebliebenen kundenfreundlicheren deutschen Rechtsprechung und Lehre anschließt, muß man wohl fordern, daß bei vereinzelten Anschlägen weitere derartige Gewaltakte zu befürchten sind, was insbesondere dann der Fall ist, wenn Terrororganisationen weitere Gewaltakte insbesondere auf Urlauber oder Urlaubseinrichtungen ankündigen.

Das war hier nicht der Fall. Niemand bekannte sich zu den Anschlägen, niemand drohte weitere Anschläge an. Es handelte sich vielmehr um bloße Mutmaßungen über die Hintergründe der eher geringfügigen Anschläge. Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß der vorliegende Fall nicht mit jenem ungefähr zeitgleich stattgefundenen Anschlägen zu vergleichen ist, in dem die PKK die "Verantwortung" für Terroranschläge auf türkische Urlaubsorte übernommen hatte und ausdrücklich weitere Attentate für die nächste Zeit androhte (3 C 1847/95d BGHS; in diesem Sinn auch AG Frankfurt a. M. RRa 1994, 151), ist zutreffend. In den zitierten Fällen hätte sich das Risiko derart "verdichtet", daß zurecht die Unzumutbarkeit des Reiseantritts angenommen wurde. Im übrigen ist amtsbekannt, daß deshalb auch die meisten österreichischen Reiseveranstalter aus eigenem die kostenlose Umbuchung auf andere Urlaubsziele oder Stornierung angeboten hatten. Zwar kann die Meinung des Berufungsgerichtes nicht geteilt werden, daß die Gefahr weiterer Anschläge auch deshalb nicht hinreichend verdichtet gewesen wären, weil die erfolgten Anschläge in "größerer Entfernung" vom gebuchten Urlaubsort stattfanden; es handelte sich durchaus um ein Urlaubsgebiet und es wäre nicht einsichtig, wieso nicht damit zu rechnen gewesen wäre, daß Terroristen nicht auch bei Hotels in einigen Kilometer Entfernung weitere Anschläge hätten verüben können. Doch fehlt es eben im vorliegenden Fall an konkreten Hinweisen auf die Gefahr künftig gleichartiger Anschläge. Hinzu kommt, daß sich nahezu alle übrigen Urlauber im Zielgebiet wegen der eher geringfügigen Anschläge unbekannten Hintergrundes nicht zur Stornierung ihres Urlaubs veranlaßt sahen, was einen Rückschluß darauf zuläßt, daß es sich bei den beiden stornierenden Kunden um besonders ängstliche Menschen handelte. Ist die von ihnen befürchtete Entwicklung nur auf ihre besondere persönliche Vorsicht zurückzuführen, berechtigt sie diese zwar subjektiv verständliche, aber objektiv - gemessen am Durchschnittsreisenden - übertriebene Vorsicht nicht zur kostenlosen Stornierung des Vertrages.

Daß vereinzelte Hinweise in den Medien auf eine angebliche teilweise "Strandsperre" und Waldbrände nicht zum Rücktritt des Vertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigten, hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt, so daß es genügt, auf die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).

Zusammengefaßt ergibt sich daher, daß die beiden Kunden nicht zum kostenlosen Rücktritt vom Vertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage infolge Unzumutbarkeit des Reiseantritts berechtigt waren.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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