OGH 8Ob9/94

OGH8Ob9/9410.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Langer, Dr.Rohrer und Dr.Adamovic als weitere Richter in der Konkurssache des Gemeinschuldners Ing.Alfons S*****, vertreten durch Dr.Hans Estermann ua, Rechtsanwälte in Mattighofen, wegen Bestätigung eines Zwangsausgleichs, infolge Revisionsrekurses des Gemeinschuldners gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 26. Jänner 1994, GZ 2 R 278/93-36, womit infolge Rekurses des Konkursgläubigerin V***** regGenmbH., ***** vertreten durch Dr.Karl Nöbauer, Rechtsanwalt in Braunau am Inn, der Beschluß des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 22.November 1993, GZ S 8/93-26, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben; dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

In der Tagsatzung vom 1.9.1993 wurde über den vom Gemeinschuldner angebotenen Zwangsausgleich abgestimmt. Diese Zwangsausgleichstagsatzung war mit Edikt ordnungsgemäß kundgemacht worden; außerdem erfolgte eine öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung und im Zentralblatt für die Eintragung in das Handelsregister. Nach dem die Abstimmung nicht die erforderliche gesetzliche Mehrheit ergeben hatte, verbesserte der Gemeinschuldner seinen Ausgleichsantrag und es wurde die Tagsatzung gemäß § 148a KO auf vorerst unbestimmte Zeit erstreckt. Mit Beschluß vom 2.9.1993 beraumte der Konkursrichter eine neue Zwangsausgleichstagsatzung für den 29.9.1993 an. Dieser Beschluß wurde an der Gerichtstafel angeschlagen; die stimmberechtigten Gläubiger wurden ohne Rückscheinbrief, also insoweit nicht nachweislich, verständigt. Am 29.9.1993 wurden dann beide vom Gesetz geforderten Mehrheiten für den Ausgleich erzielt. Nach der Abstimmung stellte der Konkursrichter fest, daß der Konkurs geringfügig ist.

Mit Beschluß vom 22.11.1993 bestätigte das Konkursgericht den Zwangsausgleich. Dieser Beschluß wurde am 24.11.1993 an der Gerichtstafel angeschlagen.

Am 3.12.1993 erhob die Konkursgläubigerin V***** regGenmbH Rekurs im wesentlichen mit der Begründung, daß die dem Gemeinschuldner im Ausgleich gewährten Begünstigungen in Widerspruch zu dessen Verhältnissen stünden und dem gemeinsamen Interesse der Konkursgläubiger widersprächen. Der Gemeinschuldner habe seinen Vermögensverfall absichtlich verursacht, in dem er elf Monate vor Konkurseröffnung eine Liegenschaft seiner Mutter geschenkt und dadurch den Anfechtungstatbestand des § 29 Z 1 KO gesetzt habe, der vom Masseverwalter wahrzunehmen gewesen wäre. Wären diese Umstände bekanntgewesen, so wäre es zum Abschluß des Zwangsausgleiches nicht gekommen.

Das Rekursgericht stellte auf Grund von Zwischenerhebungen anläßlich der Erledigung des Rekurses fest:

Der Gemeinschuldner schenkte am 6.4.1992 seiner Mutter eine Liegenschaft. Das war bei der Abstimmung über den Zwangsausgleich weder dem Masseverwalter noch dem Konkursgericht bekannt und wurde in der Ausgleichstagsatzung nicht erörtert. Die Rekurswerberin nahm an den Ausgleichstagsatzungen vom 1.9. und 29.9.1993 nicht teil. Sie hat erst durch Ermittlungen eines ihrer Angestellten am 26.11.1993 von dem im Rekurs geltend gemachten Anfechtungstatbestand Kenntnis erlangt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Konkursgläubigerin Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahingehend ab, daß es dem von den Gläubigern in der Tagsatzung vom 29.9.1993 angenommenen Zwangsausgleich die Bestätigung versagte; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,- übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei und dieser binnen 14 Tagen ab Anschlag des rekursgerichtlichen Beschlusses an der Gerichtstafel des Konkursgerichtes einzubringen sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht im wesentlichen aus:

Die Rekurslegitimation der Konkursgläubigerin ergebe sich aus § 155 KO. Sie mache Gründe im Sinne des § 154 Z 1 und 2 KO geltend, denen zufolge die Bestätigung des Zwangsausgleiches versagt werden könne. Lägen jedoch zwingende Versagungsgründe gemäß § 153 KO vor, dann seien diese anläßlich des Rekurses von Amts wegen wahrzunehmen und es sei nicht mehr zu prüfen, ob die fakultativen Versagungsgründe tatsächlich gegeben seien.

Nach Meinung des Rekursgerichtes läge ein solcher zwingender Versagungsgrund vor. Die Abstimmung über den vom Konkursgericht bestätigten Zwangsausgleich sei in einer gemäß § 148a KO erstreckten Tagsatzung erfolgt. Diese Bestimmung sei durch das IRÄG 1982 eingefügt worden und regle - anders als § 147 Abs 2 KO - nicht, wie die neue Tagsatzung festzusetzen sei, nehme jedoch auf diese Bestimmung ausdrücklich Bezug. Daraus sei zu folgern, daß die Verfahrensvorschriften des § 147 Abs 2 KO auch bei Erstreckung der Ausgleichstagsatzung gemäß § 148a KO gelten. Es müsse angenommen werden, daß die Verletzung des § 147 Abs 2 KO, wonach die bei der ersten Tagsatzung nicht anwesenden Gläubiger und demnach auch die Konkurswerberin zur neuen Tagsatzung zu laden gewesen wären, für den Abstimmungsvorgang erheblich gewesen sei. Die anfechtende Konkursgläubigerin hätte sich wohl zumindest an der erstreckten Ausgleichstagsatzung beteiligt und durch Eröffnung des von ihr inzwischen ermittelten Sachverhaltes zu einem anderen Abstimmungsverhalten der Konkursgläubiger beigetragen. Es komme daher darauf an, ob die Rekurswerberin zur erstreckten Ausgleichstagsatzung vorschriftsmäßig geladen worden sei.

Das Konkursgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, daß die Ladung zur ersten Ausgleichstagsatzung am 1.9.1993 deshalb mit einfacher Post ohne Rückschein an die Rekurswerberin abgefertigt werden konnte, weil § 145 Abs 2 KO eine öffentliche Bekanntmachung der Tagsatzung vorschreibe und diese ordnungsgemäß vorgenommen worden sei. Es habe jedoch übersehen, daß die §§ 147 Abs 2, 148a KO zwar eine Ladung der Gläubiger, nicht aber eine öffentliche Bekanntmachung vorsehen. Wenn aber die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung weder allein noch neben der individuellen Zustellung vorgesehen sei, komme auch § 174 Abs 2 KO nicht zur Anwendung. Die Ladung an die Rekurswerberin zur erstreckten Tagsatzung am 29.9.1993 hätte daher mit Rückscheinbrief zugestellt werden müssen. Da nach den Zwischenerhebungen des Erstgerichtes nicht mehr festgestellt werden könne, ob und wann die Ladung mit einfacher Post der Rekurswerberin zugegangen sei, also eine Heilung in analoger Anwendung des § 153 Abs 2 KO eingetreten sei, führe dies zur Schlußfolgerung, daß das Verfahren über den Abschluß des Ausgleichs nicht beobachtet worden sei, sodaß aus Anlaß des Rekurses ein zwingender Versagungsgrund festzustellen und deshalb die Bestätigung des Zwangsausgleichs in dessen Versagung abzuändern sei.

Mangels oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der analogen Anwendung des § 147 Abs 2 KO auf den Sonderfall des § 148a KO, der auch im Verhältnis zwischen § 45 und § 42 Abs 2 AO Bedeutung zukomme, sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen und durch die Aufnahme einer Rechtsbelehrung in den Spruch hinsichtlich des Beginnes des Fristenlaufes für den vorliegenden Revisionsrekurs auch die seit dem IRÄG 1982 nicht eindeutig geregelte Rechtsfrage zu klären, ob der rekursgerichtliche Versagungsbeschluß gemäß § 152 Abs 2 (§ 174 Abs 2) KO öffentlich bekannt zu machen sei.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs des Gemeinschuldners mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wieder herzustellen, hilfsweise, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht nach Verfahrensergänzung die neuerliche Beschlußfassung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Gemeinschuldner meint, es lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen, daß individuelle Ladungen mit Rückschein erfolgen müßten; sie könnten demnach auch mit einfacher Post erfolgen. Aber selbst wenn man davon ausgehe, daß die Konkursgläubigerin mit Rückschein zu verständigen gewesen sei, wäre zu prüfen, ob ihr die Ladung nicht ohnedies zugegangen sei; es könne nämlich keine negative Zustellvermutung aufgestellt werden; das Rekursgericht habe hierüber keine ausreichenden Erhebungen durchgeführt und aus ON 32 ergebe sich nicht, daß die Rekurswerberin vom Zwangsausgleichsantrag nichts gewußt und erst durch die Zustellung des Bestätigungsbeschlusses unterrichtet worden sei.

Dem Rekursgericht ist insoweit zuzustimmen, als die Ladung zur gemäß § 148a KO erstreckten Ausgleichstagsatzung gleich einer Ladung zu einer gemäß § 147 Abs 2 KO erstreckten Tagsatzung, zu der alle bei der ersten Tagsatzung - gleichgültig aus welchen Grund - nicht erschienenen Gläubiger zu laden sind, zu erfolgen hat. Eine solche Ladung hat wie auch sonstige Ladungen nachweislich zu erfolgen, falls nicht auch eine öffentliche Bekanntmachung erfolgt (§ 174 Abs 2 KO). Eine solche öffentliche Bekanntmachung umfaßt auch die Veröffentlichung in den Zeitungen; letztere kann nur unterbleiben, wenn es sich um einen geringfügigen Konkurs handelt (§ 170 Z 1 KO); hierüber hat aber das Konkursgericht bei Konkurseröffnung zu entscheiden; eine solche Entscheidung ist nicht erfolgt (§ 169 Abs 2 KO). Der Konkursrichter hat vielmehr erst nach der zweiten Abstimmung, mit der der Ausgleichsvorschlag angenommen wurde, festgestellt, daß der Konkurs geringfügig ist, sodaß jedenfalls zur Zeit der neuerlichen Ladung zur erstreckten Ausgleichstagsatzung das vorgenannte Erfordernis noch nicht weggefallen war (vgl § 169 Abs 2 zweiter Satz KO), sodaß der Anschlag an der Gerichtstafel nicht genügte.

Insgesamt ergibt sich daher, daß die Ladung zur erstreckten Tagsatzung mangelhaft war. Sie hätte entweder mit Rückschein (Regelfall) oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen müssen; letzteres wäre hier durchaus auch nahegelegen, weil nicht nur einzelne, bei der ersten Tagsatzung nicht erschienene Konkursgläubiger, sondern alle in § 147 Abs 1 KO genannte Personen neu zu laden waren, weil bei der Erstreckung der Tagsatzung - entgegen § 147 Abs 2 zweiter Satz KO - nicht sofort der neue Termin bekanntgegeben worden war.

Der Gemeinschuldner verweist aber zu Recht darauf, daß keine ausreichenden Erhebungen darüber gepflogen wurden, ob die rekurswerbende Konkursgläubigerin nicht doch die Ladung zur erstreckten Tagsatzung erhalten hat (die Frage, ob ihr die Ladung zur ersten Ausgleichstagsatzung zugekommen ist, ist gemäß § 174 Abs 2 KO - vgl MGA KO7 § 174/E 1 - unerheblich); in diesem Fall wäre der Mangel in Analogie zu § 153 Z 2 KO saniert worden. Dies wird durch entsprechende Erhebungen zu klären sein. Es fällt nämlich auf, daß die Rekurswerberin weder in ihrem Rekurs (ON 27) noch in ihrer über gerichtlichen Auftrag erstatteten Mitteilung (ON 32) behauptet, sie hätte die Ladung nicht erhalten, sondern nur davon spricht, daß sie erst nach Bekanntwerden der Zustimmung zum Zwangsausgleich, dem sie nicht zugestimmt habe, Nachforschungen angestellt habe, die sie in Kenntnis des Anfechtungstatbestandes gesetzt hätte. Allerdings wurde die Rekurswerberin auch nie dazu befragt, ob sie die Ladung zur erstreckten Ausgleichstagsatzung erhalten hat (vgl ON 28a und 29).

Sollte sich im ergänzten Verfahren herausstellen, daß die Konkursgläubigerin die Ladung zur erstreckten Tagsatzung doch erhalten hat, wäre die mangelhafte Ladung saniert und der zwingende Versagungsgrund des § 153 Z 2 KO nicht gegeben. In diesem Fall hätte das Rekursgericht zu prüfen, ob es sich bei dem von der Rekurswerberin geltend gemachten Anfechtungstatbestand um eine zulässige Neuerung im Sinn des § 176 Abs 2 KO handelt und einer der fakultativen Versagungsgründe des § 154 KO tatsächlich gegeben ist.

Sollte das ergänzte Verfahren keinen Schluß auf eine solche Sanierung zulassen, wäre der rekursgerichtliche Versagungsbeschluß gerechtfertigt. Zwar beruhen die Ausführungen des Rekursgerichtes, die Rekurswerberin hätte bei ordnungsgemäßer Ladung zur erstreckten Ausgleichstagsatzung frühere Erhebungen angestellt und hätte sich an dieser zweifellos beteiligt, auf reinen Vermutungen, weil ihr der ursprüngliche Ausgleichsvorschlag ja bekannt gewesen sein mußte. Dieser Umstand führt aber zu keinem für den Gemeinschuldner günstigeren Ergebnis, weil jedenfalls nicht auszuschließen ist, daß der Zustellungsmangel doch erheblich ist; die Rekurswerberin hätte zB frühere Nachforschungen deshalb unterlassen können, weil ihr die Nichtannahme des Ausgleichs in der ersten Ausgleichstagsatzung ohnedies sicher schien.

Der zweite Satz des dritten Absatzes des rekursgerichtlichen Beschlusses ist jedenfalls verfehlt. Er hätte schon deshalb unterbleiben müssen, weil eine Rechtsbelehrung nicht in den Spruch aufzunehmen ist. Daran ändert auch nichts, daß das Rekursgericht dadurch den Obersten Gerichtshof zu einer Aussage über eine bis jetzt noch nicht von ihm entschiedene Rechtsfrage veranlassen wollte. Der Oberste Gerichtshof vermag die aus dieser Rechtsbelehrung ersichtliche Rechtsansicht des Rekursgerichtes auch nicht zu teilen. Sollte nach dem Willen des Gesetzgebers des IRÄG 1982 nur mehr der den Ausgleich bestätigende Beschluß, nicht aber der Versagungsbeschluß öffentlich bekanntgemacht werden, müßte dies auch dann gelten, wenn die Versagung erst in zweiter Instanz in Abänderung des erstgerichtlichen Bestätigungsbeschlusses erfolgte. Ein contrarius actus - wie er dem Rekursgericht offensichtlich vorschwebt - ist weder aus Vertrauensschutzaspekten noch aus Publizitätsgründen erforderlich. Hieraus folgt, daß der Fristenlauf zur Erhebung eines Revisionsrekurses nicht an einen Anschlag an die Gerichtstafel zu koppeln ist.

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