European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00008.850.0425.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 5.878,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen S 960,‑ ‑, die Umsatzsteuer S 447,15) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Am 15. 10. 1978 ereignete sich im Ortsgebiet von F***** ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker des Mopeds Suzuki RV 50/4 mit dem polizeilichen Kennzeichen K ***** und H***** T***** als Lenker des bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW Datsun 120 mit dem polizeilichen Kennzeichen K ***** beteiligt waren. Der Kläger wurde verletzt. Das Alleinverschulden am Unfall verantwortet H***** T*****.
Der Kläger begehrte von der Beklagten die Bezahlung von S 348.194,10 s.A., worunter eine Verunstaltungsentschädigung von S 100.000,‑ ‑ inbegriffen ist. Weiters beantragte er den Zuspruch einer Rente für Verdienstendgang von S 1.500,‑ ‑ monatlich und eine Schmerzengeldrente von monatlich S 600,‑ ‑. Schließlich erhob er ein entsprechendes Feststellungsbegehren.
Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren mit S 337.694,10 s.A. statt und sprach dem Kläger auch eine monatliche Verdienstentgangsrente von S 1.000,‑ ‑ zu. Das Leistungsmehrbegehren von S 10.500,‑ ‑ s.A. und das Begehren auf Zahlung einer Verdienstentgangsrente von S 500,‑ ‑ sowie einer Schmerzengeldrente von S 600,‑- monatlich wurde abgewiesen, das Feststellungsbegehren wurde für berechtigt erkannt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers auf Zuspruch der Renten von S 500,‑ ‑ und S 600,‑- monatlich, also von S 1.100,‑ ‑ monatlich, nicht Folge. Der Berufung der Beklagten, die dahin gerichtet war, dem Kläger um S 100.000,‑ ‑ weniger zuzusprechen und die monatliche Rente von S 1.000,‑ ‑ abzuweisen, wurde jedoch Folge gegeben. Demgemäß wurde das erstgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß dem Kläger insgesamt nur S 237.694,10 s.A. zugesprochen wurden, die weiteren Begehren auf S 110.500,‑ ‑ s.A. und auf Leistung von monatlichen Renten von S 1.500,‑ ‑ und S 600,‑ ‑ wurden hingegen abgewiesen. Der Feststellungsausspruch und die Abweisung von S 10.500,‑ ‑ s.A. waren unangefochten geblieben.
Gegenstand des Berufungsverfahren waren aus dem Anfechtungsinteresse des Klägers die beiden Renten von zusammen monatlich S 1.100,‑ ‑, was – da noch § 58 JN aF anzuwenden war (vgl. Stohansl ZPO³, 7) – einen Streitwert von S 132.000,‑ ‑ ergab. Zusammen mit dem Anfechtungsinteresse der Beklagten von S 220.000,‑- überstieg der Betrag, über den das Berufungsgericht entschieden hat, S 300.000,‑ ‑.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das berufungsgerichtliche Urteil dahin abzuändern, daß dem Kläger weitere S 100.000,‑ ‑ s.A. und eine monatliche Rente von S 1.000,‑ ‑ zugesprochen werde.
Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zwar zulässig (§ 502 Abs. 4 Z 2 ZPO), jedoch nicht berechtigt.
Zu den im Revisionsverfahren allein noch relevanten Fragen der Verunstaltungsentschädigung (S 100.000,‑ ‑) und der abstrakten Rente (S 1.000,‑- monatlich) trafen die Vorinstanzen folgende Feststellungen:
Beim Kläger besteht auf Grund des Unfalls eine Nervenschwäche und eine mechanische Bewegungsbehinderung für das Anheben des linken Vorfußes und der Bewegung der Zehen. Der Kläger erleidet durch diese Bewegungseinschränkung, falls er das Sprunggelenk über die nunmehrige Belastbarkeit ausdehnt, immer wieder Schmerzen. Beim Kläger bestehen durch die unfallkausalen Operationen am linken Unterschenkel und in der Kniekehle deutlich sichtbare Narben, deren Aussehen durch kosmetische Operationen fast nicht verändert werden kann.
Der Kläger hat den Beruf eines Malers und Anstreichers erlernt und die Gesellenprüfung abgelegt. Durch die oben geschilderten Unfallsfolgen ist er nicht mehr in der Lage, diesen Beruf auszuüben, weil er keine Leitern und Gerüste besteigen kann. Er geht seit 1980 der Tätigkeit eines Flachisolierers nach. Bei dieser Arbeit muß er dauernd auf den Dächern zu Fuß gehen und – zusammen mit zwei anderen Kollegen – täglich 10 bis 50 Kübel im Gewicht von ca. je 25 bis 30 kg. tragen. Der Kläger muß sich auf Grund seiner Bewegungsbeeinträchtigung bei dieser Tätigkeit mehr anstrengen, um den gleichen Arbeitserfolg wie seine Kollegen zu erreichen. Er ist gegenüber gesunden Mitbewerbern benachteiligt, weil sich bei den Betrieben derzeit mehr Arbeitskräfte bewerben, als diese aufnehmen können. Bei der Aufnahme werden körperlich gesunde und gelernte Arbeiter bevorzugt. Bei der Tätigkeit als Flachisolierer ist lediglich der Aufstieg zum Partieführer möglich. Der Kläger wird von seinem derzeitigen Arbeitgeber seit 1980 jeweils im Herbst gekündigt und nach Ablauf des Winters wieder aufgenommen.
Der Kläger war zum Unfallszeitpunkt ledig, hat aber im Jahre 1981 geheiratet. Er hätte seine jetzige Frau auch geheiratet, wenn er nicht die beschriebenen Unfallsfolgen gehabt hätte.
Während das Erstgericht der Auffassung war, daß dem Kläger S 100.000,‑ ‑ an Verunstaltungsentschädigung zustünden und ihm auch eine abstrakte Rente von monatlich S 1.000,‑ ‑ gebühre, vertrat das Gericht zweiter Instanz einen gegenteiligen Standpunkt:
Die Möglichkeit der Verhinderung besseren Fortkommens gründe sich lediglich auf die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers, nicht aber auf die erlittene Verunstaltung. Daß diese die Ursache der Verhinderung des besseren Fortkommens sei, habe der Kläger nicht behauptet. Von der Verminderung der Heiratsaussichten könne schon deshalb nicht die Rede sein, weil der Kläger nach den getroffenen Feststellungen seine Frau auch dann geheiratet hätte, wenn ihm nach dem Unfall keine Narben am Bein verblieben wären. Für das Begehren einer abstrakten Rente fehle es an deren Sicherungsfunktion. Mangels der konkreten Gefahr einer Benachteiligung des Klägers im Wettbewerb sei eine abstrakte Rente zur Sicherung des Verdienstes des Klägers nicht notwendig.
Demgegenüber stellt sich der Kläger in der Revision auf den Standpunkt des Erstgerichtes. Seinen Ausführungen zur Verunstaltungsentschädigung kann jedoch schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sie von der feststellungsfremden Annahme ausgehen, daß der Kläger wegen seiner Beinnarben seine Freundin verloren habe. Eine solche Feststellung haben die Vorinstanzen nicht getroffen, sondern vielmehr übereinstimmend auf Grund seiner eigenen Aussage angenommen, daß der Kläger seine jetzige Frau auch geheiratet hätte, wenn ihm die beschriebenen Unfallsfolgen nicht verblieben wären. Demgemäß erschienen im Unfallszeitpunkt, auf den es hiebei ankommt (ZVR 1976/174; 8 Ob 18/82; 8 Ob 76/83 u.a.) solche Heiratsaussichten, die beeinträchtigt hätten werden können, nicht gegeben. Im übrigen gebührt eine Entschädigung nach § 1326 ABGB dann, wenn der Verletzte durch die Verunstaltung, also durch eine erheblich nachteilige Veränderung seiner Erscheinung, in seinem besseren Fortkommen behindert werden kann. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß ein solcher Zuspruch jedoch dann nicht in Betracht kommt, wenn die Verltzung zur Aufhebung bzw. Einschränkung der Erwerbsfähigkeit geführt hat, weil dann eben die Behinderung des besseren beruflichen Fortkommens nur auf die eingetretene Behinderung der Erwerbsfähigkeit, nicht aber auf die erlittene Verunstaltung zurückgeführt werden kann (ZVR 1974/141; ZVR 1981/98; 8 Ob 259/82; 8 Ob 76/83 u.a.). Gerade dies trifft auf den Kläger zu, der infolge der beim Unfall erlittenen Verletzungen nicht mehr in der Lage ist, den Beruf eines Malers und Anstreichers auszuüben und aus diesem Grund seine vor dem Unfall ausgeübte Erwerbstätigkeit zu Gunsten einer solchen eines Flachisolierers vertauschte. Zutreffend verwies das Berufungsgericht darauf, daß der Kläger nicht behauptete, die Ursache für die Verhinderung des besseren Fortkommens sei das Zurückbleiben der Narben im Bereich des linken Beines gewesen.
Nach ständiger Rechtsprechung hat der Kläger, um den Zuspruch einer abstrakten Rente zu begründen, nicht nur die hier nicht umstrittene Ausgleichsfunktion darzutun, sondern auch konkrete Umstände zu behaupten und zu beweisen, die den Verlust seines Arbeitsplatzes und eine damit verbundene Einkommenseinbuße wahrscheinlich machen können. Die sogenannte abstrakte Rente hat nicht nur eine Ausgleichs‑, sondern auch eine Sicherungsfunktion. Sie gebührt daher nicht, wenn sie im Einzelfall nur eine dieser Aufgaben erfüllt, sondern erst, wenn beide Voraussetzungen für den nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz liegenden Zeitraum bejaht werden können (ZVR 1977/300; ZVR 1982/34; 8 Ob 48/82; 8 Ob 17/84 u.z.a.).
Nach den Feststellungen der Vorinstanzen besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Arbeitsplatz des Klägers konkret gefährdet wäre. Er wird zwar von seinem Arbeitgeber seit dem Jahr 1980 jeweils im Herbst saisonbedingt gekündigt, nach Ablauf des Winters aber immer wieder aufgenommen. Soweit er rein allgemein darauf verweist, daß bei der Aufnahme von Arbeitskräften körperlich gesunde und gelernte Arbeiter bevorzugt werden, reichen diese Annahmen nicht aus, die von der Judikatur geforderten konkreten Umstände der Wahrscheinlichkeit des Arbeitsplatzverlustes darzutun; die allgemeine Möglichkeit künftiger Einkommenseinbußen genügt in diesem Zusammenhang nicht.
Der Revision des Klägers war daher der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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