European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00077.15D.0730.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4, § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
1. Die Streitteile haben im November 2012 die Ehe geschlossen. Beim Erstgericht behängt das Verfahren wegen Ehescheidung. In der Verhandlung vom 17. 7. 2014 erklärte sich der Antragsgegner damit einverstanden, die Miete für die bisherige Ehewohnung auch nach seinem Auszug weiterzuzahlen. Gegenüber dem Vermieter unterzeichnete er jedoch eine „Kündigung“ zum 30. 9. 2014. Ab Oktober 2014 stellte er die Mietzinszahlungen ein.
Im vorliegenden Verfahren begehrte die Klägerin, den Beklagten schuldig zu erkennen, an Mietzinsrückstand 4.894,11 EUR sA sowie monatlich im Vorhinein den Betrag von 740 EUR zu bezahlen. Gleichzeitig stellte sie zur Sicherung des „Wohnungsgebrauchsrechts“ ein inhaltsgleiches Sicherungsbegehren.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag nach § 382h EO hingegen ab.
Rechtliche Beurteilung
2. Vorweg wird darauf hingewiesen, dass es sich bei einer Klage nach § 97 ABGB bzw hier bei einem Sicherungsantrag nach § 382h EO um eine (nicht rein vermögensrechtliche) familienrechtliche Streitigkeit nach § 49 Abs 2 Z 2b JN handelt, und zwar gleichgültig, ob das Begehren auf Unterlassung oder auf Leistung lautet (RIS‑Justiz RS0129912). Nach § 528 Abs 3, § 505 Abs 4, § 502 Abs 5 Z 1 ZPO kann daher außerordentlicher Revisionsrekurs erhoben werden.
3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor.
Das Rekursgericht ist nicht von dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt abgewichen. Auf die Zusage des Beklagten zur Weiterzahlung des Mietzinses ist es ‑ ausgehend von seiner Rechtsansicht ‑ mangels Relevanz nicht eingegangen. Die Hochrechnung des monatlichen Gehalts unter Berücksichtigung der in den weitaus überwiegenden Fällen gebührenden Sonderzahlungen begründet schon deshalb keinen Verfahrensmangel, weil die Klägerin gar nicht bestreitet, Sonderzahlungen zu erhalten.
4. Zu der vom Beklagten „unterzeichneten Kündigung des Mietvertrags“ ist darauf hinzuweisen, dass nach dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt die Streitteile die Ehewohnung gemeinsam angemietet haben. In der rechtlichen Beurteilung bezeichnet das Erstgericht den Beklagten zwar als „Mieter der Ehewohnung“, der über diese verfügungsberechtigt sei. Dabei bezieht sich das Erstgericht aber offenkundig nicht auf die Sachverhaltsgrundlage, sondern übernimmt damit eine Formulierung im Vorbringen der Klägerin zur Begründung ihres Anspruchs nach § 97 ABGB. Im Übrigen entspricht es auch dem Standpunkt beider Parteien, dass die Ehewohnung von den Ehegatten gemeinsam angemietet wurde, die Klägerin also (Mit‑)Mieterin ist.
Dieser Umstand ist für die Frage von Bedeutung, ob der Mietvertrag von nur einem Ehegatten (hier dem Beklagten) wirksam aufgelöst werden kann. Dies ist hier nicht der Fall. Im gegenteiligen Fall würde sich im gegebenen Zusammenhang die Frage stellen, ob der Vermieter das dringende Wohnbedürfnis des anderen Ehegatten (hier der Klägerin) kannte und das fremde Forderungsrecht schlechtgläubig beeinträchtigt hat (vgl dazu 1 Ob 221/99b; 3 Ob 202/06m; 10 Ob 81/11a).
5.1 Auch inhaltlich zeigt der außerordentliche Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Die Klägerin stützt ihren Sicherungsantrag auf § 382h EO. Das Sicherungsbegehren des „Wohnungsbedarfs“ sei durch den Anspruch auf Zahlung von Wohnungskosten gemäß § 97 ABGB begründet, weil es ihr nicht möglich sei, für den Mietzins aus eigenen Mitteln aufzukommen.
Das Sicherungsbegehren ist ausschließlich nach der angeführten Anspruchsgrundlage zu prüfen. In diesem Zusammenhang beruft sich die Klägerin auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 4 Ob 55/07b. Danach könne einem Ehegatten die Zahlung von Wohnungskosten aufgetragen werden, auch wenn nach der Prozentsatzmethode kein Geldunterhaltsanspruch bestehe. Dafür sei die finanzielle Lage des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten sowie auch die Frage maßgebend, ob eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen den Ehegatten getroffen worden sei.
5.2 Diese Schlussfolgerungen der Klägerin sind mit Bezug auf den von ihr verfolgten Anspruch nicht zutreffend.
Die zitierte Entscheidung betrifft im Sinn einer Trennung der unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen zum einen eine unterhaltsrechtliche Beurteilung und zum anderen eine Beurteilung zum Wohnungserhaltungsanspruch (im Sinn eines Geldanspruchs) nach § 97 ABGB. Zur unterhaltsrechtlichen Anspruchsgrundlage nach § 94 Abs 2 zweiter Satz ABGB lehnt die Entscheidung den Standpunkt der dortigen Klägerin ab, eine während aufrechter ehelicher Gemeinschaft gepflogene Übung (zur Kostentragung) begründe nach Auflösung der Gemeinschaft ‑ unabhängig von § 97 ABGB und von den Einkommensverhältnissen der Beteiligten ‑ einen zusätzlichen, vom gesetzlichen Unterhaltsanspruch unabhängigen Geldunterhaltsanspruch in gleicher Höhe. Vielmehr handle es sich um die Gewährung von Naturalunterhalt, was nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft zu einem gesetzlichen Geldunterhaltsanspruch führe. Aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens der Ehegatten könne auch eine langjährige Zahlung von Wohnungskosten nicht isoliert dahin gedeutet werden, dass insofern eine Unterhaltsvereinbarung bestünde.
Diese Ausführungen zum Bestehen einer (konkludenten) Unterhaltsvereinbarung betreffen nur die unterhaltsrechtlichen Überlegungen. Davon ist die weitere, gesonderte Anspruchsgrundlage nach § 97 ABGB zu unterscheiden.
5.3 Zu § 97 ABGB führte der Oberste Gerichtshof in der genannten Entscheidung aus, dass auf dieser Grundlage einem Ehegatten auch die Zahlung von Wohnungserhaltungskosten aufgetragen werden könne. Dies gelte auch bei Nichtbestehen eines Geldunterhaltsanspruchs nach der Prozentsatzmethode, wenn der andere Ehegatte nicht in der Lage sei, diese Kosten ohne Gefährdung seiner über den Wohnbedarf hinausgehenden übrigen Unterhaltsbedürfnisse zu tragen. Damit werde im Rahmen des § 97 ABGB ein Zahlungsanspruch begründet, der getrennt vom eigentlichen Unterhaltsanspruch zu sehen sei. Seit dem Eherechts‑Änderungsgesetz 1999 könne dieser Anspruch (nunmehr) nach § 382h EO gesichert werden. Davon ausgehend gelangte der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung unter Hinweis auf den Zweck des § 97 ABGB zum Ergebnis, dass ein Geldanspruch nach dieser Bestimmung nicht bestehen könne, wenn der wohnungsbedürftige Ehegatte die Kosten zur Erhaltung der Wohnung, insbesondere die Miete (siehe dazu 6 Ob 84/11p), ohne Gefährdung seiner sonstigen Bedürfnisse aus eigenen Mitteln tragen könne (siehe dazu auch 4 Ob 61/10i; 6 Ob 84/11p).
Auch wenn sich ein Teil dieser Ausführungen in der zitierten Entscheidung bei den Überlegungen zum Ausmaß des Weiterzahlungsanspruchs nach § 97 ABGB wiederfinden, beziehen sie sich inhaltlich dennoch eindeutig auf den Grund des Anspruchs und nicht auf die Höhe. Dies ergibt sich klar aus der abschließenden Beurteilung in dieser Entscheidung, wonach es im vorliegenden Fall offenkundig sei, dass sich die Klägerin mit einem Einkommen von monatlich durchschnittlich 775 EUR und einem Prozentsatzunterhalt von etwa 133 EUR die Wohnung nicht leisten könne.
5.4 Die Berufung der Klägerin auf die Zusage des Beklagten, den Mietzins weiterzuzahlen, vermag an der (Anspruchs-)Grundlage der von ihr beantragten einstweiligen Verfügung nach § 382h EO iVm § 97 ABGB nichts zu ändern. Wie sich auch aus der Entscheidung 4 Ob 55/07b ableiten lässt, könnte sich diese Zusage im Rahmen des § 97 ABGB allenfalls auf die Höhe eines bejahten Zahlungsanspruchs beziehen (vgl dazu auch 7 Ob 629/94 und 6 Ob 611/95). Auf die dargestellten Grundsätze zur Beurteilung der Frage, ob ein solcher Anspruch dem Grunde nach überhaupt besteht, hat sie aber keinen Einfluss.
5.5 Ausgehend von obigen Grundsätzen hat das Rekursgericht zutreffend auf die Frage abgestellt, ob dem in der Wohnung verbliebenen Ehegatten (hier der Klägerin) die Erhaltung der Wohnung aus eigenen Mitteln, vor allem aus dem eigenen Einkommen und den Unterhaltsempfängen (vgl dazu Beck in Gitschthaler/Höllwerth , Ehe‑ und Partnerschaftsrecht § 382h EO Rz 15), möglich ist. Es bezieht diese Beurteilung zwar unrichtig auf die (seiner Ansicht nach fehlende) Gefährdung nach § 382h EO anstelle richtig auf den Grund des Anspruchs, was aber unschädlich bleibt, weil ohne Bescheinigung des Anspruchs eine einstweilige Verfügung nach § 382h EO nicht erlassen werden kann (siehe dazu näher 8 Ob 108/13k).
Die von den Umständen des Einzelfalls geprägte Beurteilung des Rekursgerichts, die Klägerin verfüge mit dem ihr verbleibenden Betrag (also bereits nach Abzug der Wohnungskosten) von monatlich 858 EUR noch über ausreichende Mittel zur Lebensführung für sich und ihre Tochter, sodass sie sich die Wohnung ohne Gefährdung der sonstigen Bedürfnisse leisten könne, erweist sich als nicht korrekturbedürftig. Auch der Hinweis der Klägerin auf den (geltend gemachten) Mietzinsrückstand ändert an dieser Beurteilung nichts, weil die Möglichkeit zur selbständigen Tragung der Wohnungskosten auch schon in den Monaten, für die der Rückstand angefallen ist, gegeben war, und die Anhäufung von Mietzinsrückständen die Frage nach dem grundsätzlichen Zahlungsanspruch im Allgemeinen nicht beeinflussen kann.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kann nicht abstrakt beantwortet werden, ab welchem konkreten Einkommen der wohnungsbedürftige Ehegatte die Mittel für die Wohnungserhaltungskosten selbst aufbringen kann. Mangels erheblicher Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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