OGH 8Ob671/86

OGH8Ob671/8617.12.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Gottfried I***, Kaufmann, Annenstraße 23, 8020 Graz, vertreten durch Dr. Franz Insam, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei prot. Firma O*** F***, Inhaberin Renate D***, Geschäftsfrau,

Annenstraße 23, 8020 Graz, vertreten durch Dr. Gerald Kleinschuster und Dr. Hans Günther Medwed, Rechtsanwälte in Graz, wegen 118.970,-- S samt Anhang, Entfernung und Räumung (5 C 140/84 des Bezirksgerichtes für ZRS Graz) sowie Entfernung und Räumung (5 C 163/85 des Bezirksgerichtes für ZRS Graz) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 10.Juli 1986, GZ 3 R 171,172/86-46, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 19.März 1986, GZ 5 C 140/84-40, (teilweise) bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 7.577,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.920,-- S an Barauslagen und 514,35 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses Graz, Annenstraße 23; die Beklagte ist Mieterin eines Geschäftslokales in diesem Haus samt WC-Mitbenützung.

Mit der am 2.April 1984 eingebrachten - und in der Folge vom Erstgericht mit dem Verfahren 5 C 163/85 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen - Klage begehrte der Kläger ua von der Beklagten die Bezahlung eines Betrages von 118.970,-- S samt Anhang als "rückständiges Benützungsentgelt". Die Beklagte habe ohne seine Zustimmung und ohne Baubewilligung im Geschäftslokal heimlich eine den Brandschutzvorschriften widersprechende, einsturzgefährdete Zwischendecke aus Holz errichtet. Von der Existenz dieses begehbaren Halbstockes habe der Kläger erst am 12.9.1983 erfahren. Obwohl die Geschäftsfläche durch Errichtung der Zwischendecke um 100 % vergrößert worden sei, bezahle die Beklagte nur Miete für die Parterrefläche. Ein von einem Sachverständigen eingeholtes "Parifizierungsgutachten hinsichtlich der Halbstockräumlichkeiten der Beklagten" habe für diese einen Jahresfriedenskronen-Mehrbetrag von 972 Friedenskronen ergeben. Ausgehend von den von der Beklagten und ihrem Rechtsvorgänger "für den Jahresfriedenskronenwert von 1800 laut Parifizierung ohne Halbstock" bezahlten 220.282,32 S ergäbe sich für den Mehrwert von 972 Jahresfriedenskronen ein "für die Beklagte für den Halbstock zu leistender Mehrbetrag" von 118.970 S. Diesen Differenzbetrag habe die Beklagte gemäß § 1041 ABGB als dem verschafften Nutzen entsprechendes angemessenes Entgelt zu leisten. Die Beklagte beantragte die Abweisung sämtlicher in beiden Rechtssachen geltend gemachten Klagebegehren. Sie sei erst seit 1980 Hauptmieterin. Die gegenständliche Zwischendecke sei bereits im Jahre 1925 vorhanden gewesen. 1957 habe der obere Raum lediglich eine baubehördlich bewilligte Erweiterung erfahren. Von der Zwischendecke hätten auch die Rechtsvorgänger des Klägers gewußt. Auf die Zahlung eines Benützungsentgeltes habe der Kläger konkludent verzichtet.

Das Erstgericht wies sämtliche in beiden Rechtssachen geltend gemachten Klagebegehren ab. Es traf über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen folgende Feststellungen:

Mit dem vom Kläger und Erika I*** als persönlich haftende Gesellschafter der Möbelparadies E*** & Co KG unterfertigten Kaufvertrag vom 20.Mai 1958 kaufte die genannte Kommanditgesellschaft den "Roseggerhaus-Komplex". Der Kläger ist Rechtsnachfolger der Möbelparadies E*** & Co KG. Bereits seit dem Jahre 1925 bestand im hinteren, über dem nunmehrigen Büro und der Werkstätte gelegenen Teil des nunmehrigen Bestandobjektes der Beklagten eine Holzzwischendecke, zu der eine Holzstiege hinaufführte. Dieser Bereich wurde von den damaligen Mietern, die eine Feinwäscherei betrieben, gewerblich genutzt. Der Rechtsvorgänger der Beklagten übernahm im Jahr 1946 das Bestandobjekt und das damals bereits vorhandene Brillengeschäft. Die Zwischendecke wurde in all den Jahren lediglich als Abstellraum bzw. "Rumpelkammer"genutzt. Im Zuge eines Umbaues des Geschäftslokales wurde - mit Zustimmung der bei der Bauverhandlung durch die damalige Hausverwaltung vertretene Hauseigentümer - auch im vorderen Teil des Bestandobjektes (über dem Verkaufsraum) eine Zwischendecke eingebaut; diese wurde jedoch nicht begehbar ausgeführt und auch nicht benützt. Der gesamte, durch die Zwischendecke errichtete Halbstock wurde lediglich zum Abstellen von Schachteln und Auslagenmaterial verwendet. Der Kläger hat vom Vorhandensein und der Ausgestaltung dieses Zwischenstockes zumindest seit der im Jahr 1958 gemeinsam mit dem zuständigen Rauchfangkehrer vorgenommenen Besichtigung des Bestandobjektes Kenntnis. Außerdem führte er am 10.8.1979 eine Betriebsbesichtigung im Bestandobjekt durch. Bei dieser Besichtigung beanstandete er lediglich, daß die Verkehrs- und Fluchtwege lagerfrei gehalten werden müßten. Die Möglichkeit, für den Halbstock einen weiteren Mietanteil verlangen zu können, erwähnte der Kläger erstmals mit Schreiben vom 16.9.1983. Bei der rechtlichen Beurteilung des allein den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Leistungsbegehrens ging das Erstgericht davon aus, daß die Rechtsvorgänger der Beklagten das Mietobjekt bereits mit eingezogener Zwischendecke angemietet und einen weiteren Teil derselben mit Zustimmung der Rechtsvorgänger des Klägers zugebaut hätten. Da die Erweiterung des Halbstockes ohne weiteres Entgelt gestattet worden sei und der Kläger daran gebunden sei, sei das Leistungsbegehren nicht berechtigt. Darüber hinaus könne von einer eigentlichen Nutzung des Halbstockes nicht gesprochen werden.

Das Gericht zweiter Instanz hob aus Anlaß der Berufung des Klägers das Urteil des Erstgerichtes hinsichtlich eines im Verfahren 5 C 163/85 des Erstgerichtes gestellten Teilklagebegehrens als nichtig auf und wies insoweit die Klage zurück. Die vom Kläger wegen Nichtigkeit erhobene Berufung wies es zurück. Im übrigen gab es der Berufung teilweise, nämlich in Ansehung des zu 5 C 140/84 des Erstgerichtes erhobenen Leistungsbegehrens von 118.970 S samt Anhang nicht Folge und bestätigte es das erstgerichtliche Urteil in diesem Umfang als Teilurteil. Im übrigen hob es das Ersturteil auf und verwies es die Rechtssache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht - ohne Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes - zurück. Schließlich sprach es aus, daß der Wert des von der Nichtigerklärung betroffenen Streitgegenstandes 15.000 S nicht übersteigt und die Revision hinsichtlich der Bestätigung zulässig sei. Das Berufungsgericht erachtete die in der Berufung geltend gemachten Aktenwidrigkeiten und Verfahrensmängel als nicht gegeben und übernahm die - jedenfalls hinsichtlich des Zahlungsbegehrens auch als zur rechtlichen Beurteilung ausreichend erblickten - erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Würdigung der dazu aufgenommenen Beweise. In Ansehung des im Verfahren 5 C 140/84 des Erstgerichtes gestellten Zahlungsbegehrens führte das Berufungsgericht rechtlich aus, daß durch die Unterteilung von Räumen des Mietgegenstandes - selbst wenn die Errichtung der Zwischendecke ohne Genehmigung des Vermieters erfolgt wäre - keine umfängliche Überschreitung des - nach dem Mietengesetz zu

beurteilenden - Bestandvertrages vorliege, möge auch bei einer Nutzwertfestsetzung eine Zwischendecke in die Berechnung der Nutzfläche einzubeziehen sein, wenn dadurch begehbare Räume über und unter der Zwischendecke liegen (vgl. MietSlg 36.609/57); es sei nämlich von vornherein der gesamte, den nunmehrigen Zwischenstock einschließende Raum gemietet worden und es müsse grundsätzlich dem Bestandnehmer überlassen sein, wie er den Raum ausnütze. Da die Verwendungsklage gemäß § 1041 ABGB ein subsidiäres Mittel für den Fall sei, als ein Vertragsverhältnis oder vertragsähnliches Verhältnis nicht bestehe (vgl. MGA ABGB 32 § 1041/6), bestehe das Zahlungsbegehren schon dem Grunde nach nicht zu Recht. Die Zulassung der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß zur Frage, ob die Errichtung einer Zwischendecke im Bestandgegenstand eine Änderung der Art des Gebrauches darstelle, eine gesicherte Rechtsprechung fehle (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO). Gegen dieses Teilurteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die auf die Anfechtungsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird im Rahmen der Anfechtung ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. Die in der Revision geltend gemachten Mangelhaftigkeiten und Aktenwidrigkeiten liegen nicht vor, was jedoch keiner weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

In seiner Rechtsrüge führt der Revisionswerber vorerst aus, das Erstgericht habe sein Leistungsbegehren abgewiesen, ohne dazu Tatsachenfeststellungen getroffen, Beweise gewürdigt oder eine rechtliche Beurteilung vorgenommen zu haben. Dem kann - wie bereits der Darstellung des Verfahrensganges zu entnehmen ist - nicht gefolgt werden.

Im übrigen wendet sich der Revisionswerber gegen die Ansicht der Vorinstanzen, die hier vorgenommene Unterteilung des Bestandgegenstandes sei (für das Zahlungsbegehren) rechtlich unerheblich, weil die Art der Nutzung des Raumes des Bestandgegenstandes grundsätzlich dem Bestandnehmer überlassen sein müsse. Die vom Berufungsgericht als möglich erachtete Differenzierung, wonach die horizontale Unterteilung des gemieteten Geschäftsraumes zwar keine Erhöhung des Hauptmietzinses rechtfertige, wohl aber bei der Nutzflächenberechnung für die anteiligen Betriebskosten berücksichtigt werden könne, sei nicht gerechtfertigt. Insoweit der Kläger in diesem Zusammenhang meint, gemäß MietSlg 20.340/6 hätte sehr wohl nach dem Mietengesetz eine Neuparifizierung stattzufinden gehabt, er habe diese durch Einholung eines Gutachtens durchführen lassen und das Gutachten der Klage zugrunde gelegt, übersieht er, daß ein Privatgutachten eine Parifizierung wegen einer Änderung im Bestand des Mietgegenstandes im Sinne des § 12 Abs 5 MG idF BGBl 1955/241 bzw des § 12 Abs 6 MG nicht zu ersetzen vermag, und seit dem Inkrafttreten des MRG eine Neuparifizierung nicht mehr möglich ist, weil das MRG den Friedensmietzins 1914 als Mietzinsberechnungsgrundlage nicht mehr kennt (vgl Würth-Zingher, MRG 2 , Anm 2 zu § 43 MRG). Für die Frage der Zulässigkeit eines Begehrens auf ein höheres Entgelt für die Benützung des veränderten Bestandgegenstandes ist aus dieser Entscheidung somit nichts zu gewinnen. Entscheidungswesentlich ist vielmehr, daß nach der für die rechtliche Beurteilung allein maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage die Zwischendecke bereits im Bestandobjekt vorhanden als der Rechtsvorgänger der Beklagten das Bestandobjekt im Jahr 1946 übernommen hatte. Befand sich der Bestandgegenstand aber bereits zur Zeit des Eintrittes der Beklagten in die Mietrechte im derzeitigen Zustand, so bestand für den Kläger keine Möglichkeit, den (jahrelang begehrten) Mietzins einseitig anzuheben. Dem entsprechend stützt der Kläger sein Zahlungsbegehren, das nur Benützungsentgelt, nicht aber Betriebskosten betrifft, ja auch gar nicht auf den Titel des Mietvertrages, er beruft sich vielmehr ausdrücklich nur auf die Bestimmung des § 1041 ABGB. Im Hinblick auf das zwischen den Streitteilen bestehende Vertragsverhältnis ist der Kläger auf die Geltendmachung seiner rechtsgeschäftlichen Ansprüche beschränkt. Das gültige Mietverhältnis steht - wie das Berufungsgericht auch zutreffend erkannt hat - der Klage nach § 1041 ABGB entgegen (vgl. Koziol-Welser 7 I 362; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 1041). Der Revision konnte somit kein Erfolg beschieden sein. Die Entscheidung über die Kosten des Revisonsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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