Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 34.013,70 (einschließlich S 5.668,95 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Vertrag vom 12. 7. 1988 verpflichtete sich die beklagte KG, die ihren Sitz in der BRD hat, der inländischen Klägerin eine betriebsbereite Lackieranlage (Baustufe I) zum Gesamtfestpreis von DM 2,220.000,- zu liefern und zu montieren. 10 % des Preises sollten bei Auftragsbestätigung fällig sein, 80 % bei Abnahme und weitere 10 % zwei Monate nach Abnahme. Hinsichtlich der Raten 2 und 3 wurde die Besicherung durch eine Zahlungsgarantie der Sparkasse W***** vereinbart. Die Beklagte war nur an einer Bankgarantie, nicht jedoch an einer Bankbürgschaft interessiert. Im Zuge der Verhandlungen über die Textierung der Garantie wurde von der Beklagten eine Ausführungsgarantie der Kreissparkasse B***** über eine Summe von etwa 30 % des Auftragswertes angeboten. Nach mehreren Gesprächen und Modifikationen wurde die Zahlungsgarantie der Sparkasse W***** vom 21. 7. 1988 erstellt, deren Formulierung von der Beklagten nicht widersprochen wurde.
Nach Abschluß des Vertrages über die Baustufe I wurde eine weitere Vereinbarung über die Baustufe II getroffen. Während hinsichtlich der Baustufe I die Herstellung einer kompletten und betriebsbereiten Anlage vorgesehen war, wurde hinsichtlich der Baustufe II vereinbart, daß die Beklagte lediglich die Anlageteile liefern sollte; die Montage sollte durch die Klägerin selbst mit eigenem Personal erfolgen. Die Beklagte unterfertigte den schriftlichen Vertrag am 2. 8. 1988, die Klägerin am 22. 9. 1988. Über Wunsch der Klägerin wurde weiters noch festgelegt, daß die Inbetriebnahme der Baustufe II durch das Personal der Beklagten erfolgen solle. Bezüglich der Bezahlung des "Gesamtfestpreises" von DM 1,300.000,- wurde in den Zahlungsbedingungen festgelegt, daß 10 % bei Auftragsbestätigung, "80 % spätestens drei Monate nach Lieferende" fällig sein sollten, der Rest zwei Monate nach der zweiten Rate. Hinsichtlich der zweiten Rate wurde vereinbart, daß die Klägerin "eine Bankbürgschaft der Sparkasse W***** laut beiliegendem Muster" zu stellen habe. Auslieferungsbeginn sollte die 40. Kalenderwoche sein, die letzte Lieferung sollte in der 49. Kalenderwoche (des Jahres 1988) erfolgen. Zwischen den Parteien wurde Einigung dahin erzielt, daß 80 % des Auftragswertes drei Monate nach Lieferende bezahlt werden sollten, damit die Klägerin zwischenzeitig die Möglichkeit habe, die Lieferung auf ihre Vollständigkeit und Ordnungsgemäßheit zu überprüfen. Die 49. Kalenderwoche des Jahres 1988 endete mit dem 13. 12. 1988, als nächster Werktag folgte Montag der 15. 12. 1988. Man einigte sich dahin, daß die vorgenannte dreimonatige Frist am 15. 3. 1989 enden sollte.
Über Auftrag der Klägerin wurde von der Sparkasse W***** am 6. 9. 1988 eine Garantieerklärung abgegeben. Für die die Garantieerklärung verfassende Angestellte der Sparkasse W***** war der in der Erklärung verwendete Begriff "nach kompletter Lieferung" gleichbedeutend dem Begriff "Lieferende". Die Erklärung der Sparkasse W*****AUSER*****,*****.
Wir haben zur Kenntnis genommen, daß im Kaufvertrag vom 2. 8. 1988 über die Anlagenerweiterung auf Pulverbeschichtung und Naßspritzlackierung (1 Pulversprühkabine mit Zyklonabscheidung, 1 elektrische Schalt- und Steueranlage, 1 Pulversprühkabine für Handbeschichter, 1 elektrische Schalt- und Steueranlage .....), Gesamtfixpreis DM 1,300.000 unter dem Punkt "Zahlungsvereinbarung" die Beibringung einer Garantie in Höhe von 80 % des Gesamtfixpreises nach kompletter Lieferung vereinbart wurde.
Dies vorausgesetzt übernehmen wir hiemit Ihnen gegenüber im Auftrag der oben genannten Firma die Garantie für einen Betrag von DM 1,040.000 (in Worten: ....)
indem wir uns verpflichten, auf Ihre schriftliche Aufforderung unter Vorlage eines Prüfungsberichtes einer unabhängigen Kommission (Prüfanstalt oder Behörde über die erfolgte Lieferung der oben genannten Anlageerweiterung Zahlungen bis zur Höhe von DM 1,040.000 an sie zu leisten oder spätestens am 15. 3. 1989 gegen Vorlage einer Bestätigung der Firma E*****, daß die Firma M***** die fällige Rate nicht bezahlt hat, und gegen Vorlage einer Ausführungsgarantie von der Firma E***** über DM 390.000 mit folgendem Text:
Wir wurden von unserer Kundin, der Firma E***** KG (Komplementär: E*****-Stiftung), ***** B*****, unterrichtet, daß Sie diese mit der Lieferung und Montage einer Anlagenerweiterung auf Pulverbeschichtung und Naßspritzlackierung (1 Pulversprühkabine mit Zyklonabscheidung, 1 elektrische Schalt- und Steueranlage ....) im Gesamtauftragswert von DM 1,300.000 beauftragt haben. Zwischen Ihnen und unserer Kundin wurde vereinbart, daß letztere zu Ihren Gunsten eine Ausführungsgarantie stellen läßt.
Dies vorausgeschickt und auftrags der Firma E***** KG (Komplementär: E*****-Stiftung), ***** B*****, übernehmen wir, die Kreissparkasse B*****, hiemit Ihnen gegenüber eine Ausführungsgarantie bis zum Höchstbetrag von
DM 390.000 (i.W. ....)
und verpflichten uns somit, Ihnen jeden geforderten Betrag bis zum vorgenannten Höchstbetrag zu zahlen, sofern die Firma E***** KG (Komplementär: E*****-Stiftung), ***** B*****, ihren aus dem obigen Vertrag resultierenden Verpflichtungen nicht vertragsgemäß nachgekommen ist.
Unsere Garantie ist bis zum 30. 6. 1989 gültig, so daß uns für den Fall, daß Sie uns ihr in Anspruch nehmen wollen, Ihre entsprechende schriftliche Benachrichtung spätestens bis zum 5. 7. 1989 zugegangen sein muß.
.......
Nach Erlöschen dieser Garantie ist uns diese Urkunde ohne besondere Aufforderung zurückzustellen.
Kreissparkasse B*****
Unsere Garantie per DM 1,040.000 erlischt durch Rückstellung dieses Garantiebriefes an uns, jedoch spätestens am 31. 3. 1989.
Es gilt österreichisches Recht. Gerichtsstand ist W*****."
Die Bankgarantie wurde in dieser Form von der Beklagten akzeptiert und blieb letztlich unwidersprochen.
Die Klägerin hatte ein wesentliches Interesse daran, daß die Anlageteile für die Baustufe II noch im Jahre 1988 geliefert werden. Sie ließ nie einen Zweifel daran, daß die bedungenen Liefertermine einzuhalten seien. Vom vereinbarten Lieferende wurde nicht abgegangen. Bereits die Fälligkeit der 80 %igen Rate der Baustufe I führte zu Differenzen zwischen den Streitteilen. Mit Schreiben vom 23. 1. 1989 nahm die Beklagte die Zahlungsgarantie der Sparkasse W***** vom 21. 7. 1988 in Anspruch und fügte dieser Inanspruchnahme die Ausführungsgarantie der Kreissparkasse B***** an. Die Sparkasse W***** lehnte die Zahlung unter Hinweis auf die Abrufbedingungen als verspätet ab. Versuche der Klägerin, die Ausführungsgarantie der Kreissparkasse B***** in Anspruch zu nehmen, scheiterten ebenfalls.
Bei der Errichtung der Baustufe II kam es zu Schwierigkeiten und Verzögerungen, da die Durchführung der Arbeiten nicht so erfolgte, wie sich dies die Klägerin vorgestellt hatte. Es wurden die kompletten Anlageteile, die von der Baustufe II umfaßt waren, nicht bis zum Ende der 49. Kalenderwoche, also dem 13. 12. 1988, angeliefert. Die Klägerin mußte verschiedene Teile, die sie nicht einbauen konnte, am Werksgelände zwischenlagern. Anlageteile der Baustufe II in einem Gesamtwert von ca DM 450.000,- wurden erst in der Zeit vom 12. 12. 1988 bis 3. 3. 1989 von einer Spedition von der Beklagten abgeholt. Selbst wenn die am 12. 12. 1988 abgeholten Anlageteile am 13. 12. 1988 bei der Klägerin eingelangt sein sollten, verbleiben dennoch Anlageteile mit einem Gesamtwert von ca DM 200.000,-, die erst nach dem Ende der
49. Kalenderwoche der Klägerin ausgeliefert wurden. Die letzte Lieferung an die Klägerin erfolgte am 3. 3. 1989.
Mit Schreiben vom 27. 2. 1989 wandten sich die Vertreter der Beklagten an die Sparkasse W***** und nahmen deren Garantie in Anspruch. Diesem Schreiben wurden beigelegt eine Bestätigung der Beklagten vom gleichen Tag, wonach die Klägerin die fällige
2. Rate nicht bezahlt habe, sowie die Ausführungsgarantie der Kreissparkasse B*****. Die Abberufung der Bankgarantie erfolgte bereits am 27. 2. 1989, um der Sparkasse W***** den nach Ansicht der beklagten Partei abwegigen Einwand, eine Inanspruchnahme der Garantie sei nur bis zum 15. 3. 1989 möglich, zu nehmen. Es wurde in dem Schreiben ausgeführt, daß nach Auffassung der Vertreter der Beklagten die W***** Sparkasse erst am 15. 3. 1989 zur Zahlung verpflichtet sei.
Die Sparkasse W***** verständigte die Klägerin vom Abruf der Bankgarantie. Hätte die Klägerin der Inanspruchnahme nicht widersprochen, wäre durch die Sparkasse W***** die geforderte Zahlung geleistet worden.
Aufgrund der Inanspruchnahme der Bankgarantie beantragte die Klägerin beim Bezirksgericht W***** die Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, daß der Beklagten die Einziehung der Bankgarantie untersagt und der W***** Sparkasse es verboten werde, aufgrund der Bankgarantie Zahlung an die Beklagte zu leisten. Die vom Bezirksgericht Wiener Neustadt erlassene einstweilige Verfügung, die dem Antrag der Klägerin insoweit Rechnung trug, als sie der Beklagten die Abberufung aufgrund einer Bestätigung über die Nichtzahlung der Klägerin untersagte und der W***** Sparkasse verbot, auf Grundlage der Bankgarantie unter Vorlage der Bestätigung der Beklagten, die Klägerin habe nicht Zahlung geleistet, Leistungen an die Beklagte zu erbringen, wurde nach Abänderung durch das Kreisgericht Wiener Neustadt als Rekursgericht mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 28. 9. 1989 (7 Ob 658/89 = JBl 1990, 328) wiederhergestellt.
Die Anwendung österreichischen Rechtes ist unstrittig.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei, die Beklagte für schuldig zu erkennen
1. die mit Schreiben vom 27. 2. 1989 erfolgte Abberufung der Bankgarantie der W***** Sparkasse vom 6. 9. 1988 über DM 1,040.000 zu widerrufen und
2. diese Bankgarantie der W***** Sparkasse binnen 14 Tagen zurückzustellen.
Sie brachte dazu vor, die Abberufung der Bankbürgschaft - das Vorliegen einer abstrakten Bankgarantie wurde bestritten - sei rechtsmißbräuchlich erfolgt. Die beklagte Partei habe nämlich zu Unrecht am 27. 2. 1989 bestätigt, daß die zweite Rate des Entgeltes für die Baustufe II bereits fällig sei. Hinsichtlich der Fälligkeit dieser Rate sei vereinbart gewesen, daß sie drei Monate nach dem Lieferende eintrete. Am 27. 2. 1989 seien aber noch alle Anlageteile ausgeliefert gewesen.
Die Beklagte wendete ein, es liege eine abstrakte Bankgarantie vor, und bestritt, diese rechtsmißbräuchlich in Anspruch genommen zu haben. Als Zahlungszeitpunkt der zweiten Rate sei der 15. 3. 1989 vereinbart worden. Unter dem Lieferende sei nicht die Beendigung der tatsächlichen Lieferung zu verstehen, sondern der vertraglich vereinbarte Termin hiefür. Es sei mit der Klägerin vereinbart worden, daß die zweite Rate am 15. 3. 1989 auch dann fällig werde, wenn die Lieferung zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig und mängelfrei sein sollte. Allfällige Mängel oder Fehlteile seien durch Inanspruchnahme der Ausführungsgarantie abgesichert gewesen. Die Klägerin hätte auch die Möglichkeit gehabt, die offene Schlußzahlung von 10 % zurückzuhalten. Der Passus "oder spätestens am 15. 3. 1989" der Bankgarantie könne nur bedeuten: "oder ab 15. 3. 1989", eine andere Auslegung würde keinen Sinn ergeben. Die Anlageteile der Baustufe II seien bis Ende Jänner 1989 überwiegend ausgeliefert worden, lediglich der Zyklonabschneider der Handpulverbeschichtungsanlage und die Tansportkette der Förderungseinrichtung seien ausständig gewesen. Diese beiden Teile seien am 4. 3. 1989 bei der Klägerin eingelangt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe die Beklagte den Anspruch auf Zahlung der zweiten Rate gehabt.
Es sei zwar richtig, daß die Abberufung der Bankgarantie am 27. 2. 1989 erfolgt sei, doch sei die Garantieinanspruchnahme eindeutig auf die Zeit nach dem 15. 3. 1989 bezogen gewesen. Rechtsmißbrauch könne schon mangels Schädigungsabsicht nicht vorliegen. Zu dem Zeitpunkt, zu dem die W***** Sparkasse aufgrund der Garantie hätte Zahlung leisten sollen, sei die zweite Rate fällig und unbezahlt gewesen; die Bestätigung über die Fälligkeit sei daher im entscheidenden Zeitpunkt inhaltlich auch richtig gewesen. Da die Zahlung aus der ersten Bankgarantie mit der Begründung der verspäteten Inanspruchnahme verweigert worden sei, sei die Beklagte gezwungen gewesen, die Fälligkeitsbestätigung vorgriffsweise auszustellen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Auf der Grundlage der eingangs zusammengefaßt wiedergegebenen Feststellungen führte es im wesentlichen aus:
Bei der Haftungserklärung der Sparkasse W***** handle es sich um eine Bankgarantie, so daß Einwendungen aus dem Grundgeschäft grundsätzlich ausgeschlossen seien. Lediglich bei mißbräuchlicher Inanspruchnahme der Garantie habe der Garant die Zahlung zu verweigern, wenn der Nichteintritt des Garantiefalles liquide und eindeutig nachgewiesen werde. Im vorliegenden Fall sei zwischen den Parteien als Lieferende die 49. Kalenderwoche des Jahres 1988 vereinbart worden. Unter "Lieferende" könne nur die komplette Lieferung der Anlage verstanden werden. Diese Frist habe die Beklagte aber nicht eingehalten, die Lieferung sei erst Anfang März 1989 beendet worden. Zum Zeitpunkte des Abrufes der Bankgarantie am 27. 2. 1989 sei die Frist von drei Monaten nach Lieferende für die Fälligkeit der zweiten Rate der Baustufe II noch nicht abgelaufen gewesen. Die Inanspruchnahme der Garantie sei aufgrund einer unrichtigen Fälligkeitsbestätigung und daher rechtsmißbräuchlich erfolgt.
In Stattgebung der Berufung der beklagten Partei wies das Gericht
2. Instanz das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht führte es aus:
Es liege im Wesen der Bankgarantie, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, dem Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen. Die Abstraktheit der Bankgarantie schließe Einwendungen aus dem Valuta- und Deckungsverhältnis aus. Einwendungen, die sich aber aus der Auslegung des Garantietextes selbst ergeben, seien nicht ausgeschlossen. Im übrigen werde der Bank aber nur dann ein Recht und auch die Pflicht zur Leistungsverweigerung eingeräumt, wenn die Inanspruchnahme der garantierten Leistung einen evidenten Rechtsmißbrauch darstelle.
Im vorliegenden Fall habe sich die Sparkasse W***** zur Zahlung der Garantiesumme entweder bei Vorlage eines Prüfberichtes über die Abnahme der Anlage oder spätestens am 15. 3. 1989 gegen Vorlage einer Bestätigung der Beklagten, daß die fällige Rate noch nicht bezahlt wurde, und gegen Vorlage der Ausführungsgarantie der Kreissparkasse B***** verpflichtet. Die Voraussetzungen der zweiten Variante für die Abberufung der Bankgarantie seien zumindest formal erfüllt worden. Die Bankgarantie sei jedoch im Zusammenhang mit der Ausführungsgarantie auszulegen. Nach dem Wortlaut dieser Garantie und dem Geschäftszweck sei die Bankgarantie so zu verstehen, daß die Beklagte die Garantiesumme auch dann erhalten sollte, wenn sie noch nicht allen vertraglichen Verpflichtungen aus dem Grundverhältnis nachgekommen sei. Unter Berücksichtigung der Ausführungsgarantie sollte demnach die Beklagte eine Zahlung unabhängig davon erhalten, ob die Lieferung vollständig war. Eine allfällige Vertragsverletzung im Grundverhältnis sollte von der Ausführungsgarantie im Sinne einer Sicherung der Klägerin umfaßt sein. Berücksichtige man, daß etwaige Vertragsverletzungen im Grundverhältnis durch die Ausführungsgarantie abgedeckt sein sollten, so sei vom Eintritt des Garantiefalles auszugehen.
Aber auch unabhängig von der Ausführungsgarantie liege eine mißbräuchliche Inanspruchnahme der Bankgarantie nicht vor. Von einer bewußt unrichtigen Bestätigung der Fälligkeit könne nämlich nicht gesprochen werden, wenn dieser Fälligkeitstermin - wie im vorliegenden Fall - nicht eindeutig geklärt sei. Es sei nämlich unklar, ob die Fälligkeit drei Monate nach dem vertraglich vereinbarten Lieferende oder drei Monate nach der tatsächlich erbrachten vollständigen Lieferung eintrete. Berücksichtige man die Absicht der Parteien, dann sollte der Klägerin durch die Dreimonatsfrist die Prüfung der Ordnungsgemäßheit und Vollständigkeit der Lieferung ermöglicht werden. Dies spreche dafür, daß die Frist von drei Monaten mit dem vereinbarten Liefertermin zu laufen beginne. Bei einer allfälligen unvollständigen Lieferung hätte das Fehlende innerhalb der drei Monate nachgeliefert werden können. Diese Nachlieferung sollte demnach auf den Zeitpunkt der Fälligkeit keinen Einfluß haben. Die Ansicht, der Zahlungstermin sei nach der tatsächlichen vollständigen Lieferung zu bestimmen, stünde im Widerspruch zur Bankgarantie, wonach der Garant am 15. 3. 1989 die Garantiesumme zu leisten habe. Die Vereinbarung der Bankgarantie wäre in diesem Fall sinnlos gewesen. Gehe man aber davon aus, daß die Frist von drei Monaten mit dem vertraglich vereinbarten Liefertermin zu laufen begonnen habe, so sei die Bestätigung der beklagten Partei über die Fälligkeit der zweiten Rate nicht unrichtig gewesen. Zu berücksichtigen sei auch, daß zumindest Anfang März 1989 die Lieferung vollständig gewesen sei, so daß zum Zeitpunkt der Zahlungspflicht des Garanten auch die Fälligkeit der zweiten Rate eingetreten sei. Verpflichte sich der Garant zur Zahlung bis 15. 3. 1989, dann müsse auch die Geltendmachung der Garantie und die Bestätigung der Fälligkeit schon vorher erfolgen. Jedenfalls könne dann, wenn der Zahlungstermin erst im Wege der Auslegung zu ermitteln sei, von einer rechtsmißbräuchlichen Inanspruchnahme der Garantie nicht gesprochen werden. Die Weigerung des Garanten, die Garantiesumme zu zahlen, sei demnach nicht berechtigt gewesen, so daß die Klägerin auch keinen Anspruch auf Widerruf der Abberufung habe. Die vorliegende Garantieerklärung sei am 31. 3. 1989 wegen Zeitablaufes unwirksam geworden, eine neuerliche Abberufung sei ausgeschlossen. Bei der Garantieurkunde handle es sich nunmehr um ein wertloses Beweispapier, ein Anspruch auf Rückstellung dieses Papieres an den Garanten stehe der Klägerin nicht zu.
Die ordentliche Revision wurde mit der Begründung zugelassen, daß es sich bei den Fragen des Umfanges der Überprüfungspflicht des Garanten und der Abhängigkeit der Garantie vom Grundgeschäft um bedeutende Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO handle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung beantragt, das Rechtsmittel der Klägerin als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, da eine gesicherte Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Widerruf der Abberufung einer Bankgarantie verlangt werden kann, nicht vorliegt; sie ist auch berechtigt.
Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit liegen, wie die Überprüfung ergab, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Die Klägerin vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, der Erklärung der Sparkasse W***** fehle der für Garantien typische Einwendungsverzicht. Dieser könne kraft Handelsbrauches nur dann als vereinbart gelten, wenn zumindest die Worte: "wir garantieren" in der Haftungserklärung enthalten seien. Dieser Ansicht vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Das Zahlungsversprechen: "auf erste Aufforderung" bedeutet vielmehr in aller Regel, daß dem Begünstigten eine abstrakte Rechtsposition eingeräumt werden soll, also eine Garantie vorliegt (SZ 50/32; Rummel in Rummel2, Rz 5 zu § 880 a).
Auch in der im Provisorialverfahren ergangenen Entscheidung 7 Ob 658/89 (JBl 1990, 328) nahm der Oberste Gerichtshof das Vorliegen einer Bankgarantie an.
Zur Frage der Rechtsmißbräuchlichkeit einer Garantieinanspruchnahme vertritt die Klägerin die Ansicht, es genüge, daß sich der Begünstigte des Mangels der Berechtigung bewußt war, Schädigungsabsicht sei nicht erforderlich. Werde, wie im vorliegenden Fall, die Zahlung gegen eine Erklärung des Begünstigten, daß die Bedingungen für die Inanspruchnahme der Garantie vorliegen, zugesagt, so sei die Inanspruchnahme der Garantie mit Hilfe einer unrichtigen Erklärung Rechtsmißbrauch. Zur Frage der Evidenz des Rechtsmißbrauchs sei der Oberste Gerichtshof nunmehr der Kritik der Lehre gefolgt und habe in der Entscheidung JBl 1990, 177 = RdW 1990, 11 ausgeführt, es sei nach dem Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz zu beurteilen, ob der Garant den Einwand des Rechtsmißbrauchs zu Recht oder zu Unrecht erhoben habe und welche Konsequenzen daraus zu ziehen seien.
Im vorliegenden Fall ergebe sich aus der Vereinbarung vom 2. 8./22. 9. 1988 eindeutig, daß die Fälligkeit der zweiten Entgeltrate drei Monate nach Beendigung der tatsächlichen Lieferung eintreten sollte. Dies ergebe sich schon aus der wörtlichen Interpretation des Vertrages. Die Ansicht der Beklagten, es sei auf den vereinbarten Liefertermin abzustellen, stehe mit dem klaren Wortsinn der Vereinbarung im Widerspruch, eine entsprechende Parteienabsicht sei nicht festgestellt worden. Auch der Text der Zahlungsgarantie der Sparkasse W***** stelle klar, daß man unter: "Lieferende" die "komplette Lieferung" verstand. Diese Auslegung stehe auch mit der Übung des redlichen Verkehrs im Einklang. Die von der Beklagten angestrebte Auslegung würde nämlich dazu führen, daß unter Umständen auch dann zu zahlen gewesen wäre, wenn überhaupt keine Lieferung erfolgte. Eine derartige Absicht könne den Parteien aber nicht unterstellt werden. Eine Überprüfung der Vollständigkeit und Ordnungsgemäßheit der Lieferung sei ja erst dann möglich, wenn die Beklagte aus ihrer Sicht vollständig und ordnungsgemäß geliefert habe, dies sei aber erst im März 1989 geschehen. Die Garantiebesicherung für eine begrenzte Zeit sollte einen zusätzlichen Anreiz für die Beklagte bilden, pünktlich zu liefern. Durch die Vereinbarung der Ausführungsgarantie der Sparkasse B***** sei die vertragliche Fälligkeit der zweiten Rate nicht abgeändert worden. Selbst wenn man aber der Ansicht der Beklagten zur Fälligkeit der zweiten Kaufpreisrate folgte, sei die Abberufung der Bankgarantie mißbräuchlich erfolgt, weil die Beklagte rund zwei Wochen vor dem von ihr selbst behaupteten Fälligkeitszeitpunkt "bestätigt" habe, die Klägerin habe die fällige Rate nicht bezahlt. Die Beklagte habe die Garantie nicht etwa deshalb am 27. 2. 1989 abgerufen, weil sie ihres Erachtens zu diesem Zeitpunkt dazu berechtigt gewesen wäre, sondern einzig und allein um dem Garanten das "haltlose" Argument der Verfristung zu nehmen. Es liege daher auf jeden Fall eine bewußt unrichtige Erklärung der Beklagten vor.
Die Verpflichtung zur Rückstellung der Garantieurkunde ergebe sich aus bzw. in Analogie zu § 1428 ABGB.
Dazu wurde erwogen:
Zutreffend haben die Vorinstanzen ausgeführt, Sinn und Zweck des Einredeausschlusses beim Garantievertrag liegen darin, daß der Begünstigte die Leistung sofort erhalten soll und allfällige Streitigkeiten erst nachher zu bereinigen sind; dabei soll dann der Begünstigte die für ihn vorteilhaftere Beklagtenrolle haben. Die Schutzwürdigkeit des Begünstigten ist jedoch dann nicht mehr gegeben, wenn er eine Leistung in Anspruch nimmt, obwohl schon eindeutig feststeht, daß er keinen derartigen Anspruch gegen den Dritten hat und daher das Erhaltene jedenfalls sofort wieder herauszugeben hätte. Die Inanspruchnahme der Garantie durch den Begünstigten würde hier eine mißbräuchliche Rechtsausübung darstellen (Koziol, Der Garantievertrag, 56). Voraussetzung für Rechtsmißbrauch - dabei muß an § 1295 Abs 2 ABGB im Sinne der neueren Judikatur und der Lehre (JBl 1990, 248; vgl. Rummel in Rummel1 Rz 5 zu § 880 a und Reischauer in Rummel Rz 59 zu § 1295) angeknüpft werden - ist, daß zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Mißverhältnis besteht; der Schädigungszweck muß augenscheinlich so sehr im Vordergrund stehen, daß andere Ziele der Rechtsausübung völlig in den Hintergrund treten (7 Ob 563, 564/91 mwN).
Für den Vorwurf des Rechtsmißbrauches wird allgemein gefordert, daß das Nichtbestehen eines Anspruchs des Begünstigten im Valutaverhältnis zur Zeit der Inanspruchnahme der Garantie als evident erwiesen wird oder der Begünstigte in Schädigungsabsicht, also betrügerisch handelt (vgl. Dullinger in der Besprechung der OGHE JBl 1990, 177). Es entspricht der herrschenden Rechtsprechung, daß dem Begünstigten, der sich aus vertretbaren Gründen für berechtigt hält, kein arglistiges oder rechtsmißbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden kann, wenn ihm nicht eindeutig nachgewiesen wird, daß er keinen Anspruch hat (so 7 Ob 563, 564/91; SZ 61/39 mwN). Auch von der Lehre (siehe Dullinger, aaO) wurde die zitierte Entscheidung des 1. Senates abgelehnt und zutreffend ausgeführt, daß die Abstraktheit der Bankgarantie zugunsten der Akzessorietät aufgegeben wurde, wenn man ohne weitere Voraussetzungen den Einwand der mangelnden Berechtigung des Begünstigten im Valutaverhältnis zuließe; dies stünde in der Tat im Widerspruch zum Wesen der Bankgarantie.
Entgegen der von der klagenden Partei vertretenen Ansicht kann nun keinesfalls gesagt werden, daß die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung über die Fälligkeit der zweiten Entgeltrate zwingend und eindeutig in dem von der Klägerin dargelegten Sinne zu verstehen ist; dagegen spricht schon allein der Umstand, daß sie selbst von den Vorinstanzen divergierend, aber mit jeweils durchaus vertretbarer Begründung ausgelegt wurde. Das gilt jedenfalls auch für das Argument des Berufungsgerichtes, die Zahlungsgarantie der Sparkasse W***** sei im Zusammenhang mit der Ausführungsgarantie der Kreissparkasse B***** zu sehen und dementsprechend auszulegen, ist durchaus nicht von der Hand zu weisen. Die Ausführungsgarantie der Kreissparkasse B***** wurde doch offenkundig für den Fall der mangelhaften oder nicht vollständigen Erfüllung gegegeben; in diesem Umfang sollte das Risiko der abstrakten Zahlungsgarantie gemildert werden. Evidenter Rechtsmißbrauch kann jedenfalls aber dann nicht vorliegen, wenn die Abberufung der Bankgarantie unter Zugrundelegung einer vertretbaren Rechtsansicht erfolgt.
Richtig ist zwar, daß auch nach Ansicht der beklagten Partei zum Zeitpunkte der Abberufung der Bankgarantie am 27. 2. 1989 die Fälligkeit der zweiten Rate noch nicht gegeben war; die Beklagte hat aber in der Abberufung selbst erklärt, der Garant sei erst ab 15. 3. 1989 zur Zahlung verpflichtet; es wurde daher auch eine Zahlungsfrist bis 20. 3. 1989 gesetzt. Die Annahme, die Zahlung habe am 15. 3. 1989 zu erfolgen, ist aber, wie oben ausgeführt, zumindest vertretbar, sodaß evidenter Rechtsmißbrauch im dargelegten Sinne nicht vorliegt. Es kann auch das Begehren auf Zahlung vor Fälligkeit allein keinen Rechtsmißbrauch darstellen, weil § 1434 letzter Fall ABGB deshalb kein Rückforderungsrecht gibt. In der Vorverlegung der Zahlng allein kann, wenn später ohnedies zu zahlen wäre, auch kein berücksichtigungswürdiger Schaden liegen.
Es kann also nicht gesagt werden, daß die Beklagte die Absicht hatte, etwas zu begehren, was sie sofort wieder hätte zurückstellen müssen, oder die Gefahr des Schadenseintritts beim anderen Teil bestand und die Ausübung des Rechtes in offenkundiger bewußter Schädigungsabsicht (7 Ob 563, 564/91) erfolgt ist.
Erfolgte aber die Abberufung der Garantie nicht rechtsmißbräuchlich, so besteht (zumindest derzeit) auch kein Anspruch auf Rückstellung der Garantieurkunde an den Garanten. Die Frage, ob sich eine derartige Verpflichtung in Analogie zu § 1428 ABGB ergibt (vgl. Canaris in Großkomm HGB4, Bankvertragsrecht, Rz 1161), kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da der Garant noch keine Zahlung geleistet hat.
Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht das Klagebegehren abgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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