OGH 8Ob634/93

OGH8Ob634/9318.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gunther Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Edgar Huber, Dr.Birgit Jelinek, Dr.Ronald Rohrer und Dr.Ilse Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** K*****, vertreten durch Dr.Peter Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E***** M*****, vertreten durch Dr.Karl Zerner ua Rechtsanwälte in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr.D***** M*****, vertreten durch Dr.Ernst Blasl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 22.April 1993, GZ 48 R 271/93-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 27.Dezember 1992, GZ 4 C 1204/90s-26, abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung - nach allfälliger Ergänzung des Verfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Zur Zeit der Erteilung der Benützungsbewilligung waren der Vater des Klägers und der Stiefvater des Beklagten zu je 5/12, ein weiterer Teilhaber zu 2/12 Eigentümer des Hauses, in dem sich die nun aufgekündigte Wohnung top.Nr. 5 befindet. Damals trafen die Miteigentümer mündlich eine Benützungsvereinbarung, durch die dem Stiefvater des Beklagten die Wohnung top.Nr. 5 zur Benützung zugewiesen wurde. Nach seinem Tod benützte seine Witwe, die Mutter des Beklagten, die nun Eigentümerin der 5/12-Anteile der Liegenschaft geworden war, die Wohnung aufgrund der von ihrem verstorbenen Mann getroffenen Benützungsvereinbarung weiter. Sie wohnte in der nun aufgekündigten Wohnung top.Nr. 5 bis zu ihrem Tod im Jahr 1980 gemeinsam mit S***** W*****, einer Stieftante des Beklagten, die sie dort bis zu ihrem Tod gepflegt hatte. Der Beklagte erbte den Hausanteil nach seiner Mutter. S***** W***** benützte die Wohnung im Einvernehmen mit dem über diese aufgrund der Benützungsvereinbarung verfügungsberechtigten Beklagten weiter, bis sie am 5.5.1990 verstarb. Die übrigen Miteigentümer schlossen weder mit den Rechtsvorgängern des Beklagten noch mit S***** W***** einen Mietvertrag. Von 1982 bis Mai 1990 wohnte auch der Beklagte mit seiner Gattin dort.

Der Kläger kündigte der Verlassenschaft nach S***** W***** zum 31.8.1990 die Wohnung mit der Begründung auf, die Verstorbene sei Mieterin dieser Wohnung gewesen und eintrittsberechtigte Personen seien nicht vorhanden; insbesondere sei der Beklagte, der Universalerbe der Verstorbenen nur sei und auf den die Parteienbezeichnung in der Folge einvernehmlich umgestellt wurde, nur Mitbewohner und mit der Verstorbenen weitschichtig verwandt gewesen, sodaß er nicht eintrittsberechtigt sei.

Der Beklagte erhob Einwendungen gegen die Aufkündigung, beantragte ihre Aufhebung und die Abweisung des Räumungsbegehrens. Er machte ua geltend, daß er die Wohnung aufgrund einer Benützungsvereinbarung zwischen seiner verstorbenen Mutter und den seinerzeitigen Miteigentümern der Liegenschaft benütze. S***** W***** habe die Wohnung aufgrund einer Vereinbarung mit ihm benützt; ein Mietverhältnis mit S***** W***** habe nie bestanden.

Während des Verfahrens veräußerte der Beklagte seine Eigentumsanteile an den Nebenintervenienten.

Das Erstgericht erklärte die gerichtliche Aufkündigung für unwirksam und wies das Räumungsbegehren ab.

Das Berufungsgericht änderte infolge Berufung des Klägers das Urteil aus rechtlichen Gründen dahingehend ab, daß es die gerichtliche Aufkündigung für rechtswirksam erklärte und den Beklagten zur Räumung der Wohnung verpflichtete; die Revision an den Obersten Gerichtshof ließ es nicht zu. Es könne dahinstehen, ob die verstorbene S***** W***** Mieterin gewesen sei. Der Beklagte behaupte nicht (mehr), eintrittsberechtigt iSd § 14 Abs 3 MRG zu sein. Stelle man auf die vom Beklagten behauptete Benützungsvereinbarung ab, sei für ihn nichts gewonnen, weil er sich durch die Veräußerung seiner Liegenschaftsanteile der Ausübung ihres Benützungsrechtes an der aufgekündigten Wohnung begeben habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Zu Recht macht der Beklagte geltend, daß das Berufungsgericht von der herrschenden Lehre und nahezu einhelligen oberstgerichtlichen Rechtsprechung (Fasching Komm IV 631 mwN; ders, LB2 Rz 2133; SZ 21/75 uva; zuletzt WoBl 1992, 143; aA RZ 1966, 67) abgewichen sei, indem es das Vorliegen eines Bestandverhältnisses nicht als unabdingbare Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit der Aufkündigung ansah und es für zulässig hielt, diese aufrechtzuerhalten, auch wenn kein Mietverhältnis vorgelegen sein sollte, sofern sich nur der Beklagte auf kein sonstiges Benützungsrecht stützen könne. Zutreffend rügt auch der Beklagte, daß die Ansicht des Berufungsgerichtes, er habe sich durch den Verkauf seiner Liegenschaftsanteile während des Prozesses der Ausübung seines Benützungsrechtes begeben, eindeutig der Regelung des § 234 ZPO widerspricht, die unbestritten auch in Kündigungs- und Räumungsprozessen gilt (1 Ob 754/82; 8 Ob 559/83; 5 Ob 1588, 1589/92 ua).

Der Kläger hält bis zuletzt an seiner Behauptung fest, die verstorbene S***** W***** sei Mieterin gewesen, und stellte nicht einmal implizit auch ein Räumungseventualbegehren wegen titelloser Benützung durch den Beklagten, sodaß eine verdeckte Klageänderung, auf die sich der Beklagte hätte einlassen können (vgl 3 Ob 601/79), ausscheidet.

Der Oberste Gerichtshof hält an seiner ständigen Rechtsprechung (SZ 21/75 uva; zuletzt WoBl 1992, 143) fest, daß Voraussetzung für die urteilsmäßige Aufrechterhaltung der Aufkündigung das Vorliegen eines Bestandvertrages ist und bei Nichtvorliegen eines solchen die Aufkündigung eine Räumungsklage nicht ersetzen kann. Da das Berufungsgericht für seine gegenteilige Ansicht keine Argumente angeführt hat, und auch der Revisionsgegner keine Gründe für die Richtigkeit der berufungsgerichtlichen Entscheidung anzuführen vermochte, erübrigt es sich auf dessen Ansicht näher einzugehen. Es hat vielmehr im Sinn der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung dabei sein Bewenden, daß bei Nichtvorliegen eines Mietvertrages mit S***** W***** das Ersturteil wiederherzustellen ist, ohne daß in diesem Verfahren überprüft werden müßte, ob dem Beklagten ein Benützungsrecht aufgrund einer auf ihn übergegangenen Benützungsregelung zusteht, welche er jedenfalls durch die Veräußerung seiner Liegenschaftsanteile während des Prozesses nicht verloren hätte.

Da das Berufungsgericht die Beweisrüge des Klägers hinsichtlich des Nichtvorliegens eines Mietvertrages nicht erledigt hat, muß das Berufungsurteil aufgehoben und die Rechtssache zu deren Erledigung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren nach einer Beweiswiederholung ergeben, daß doch ein Mietvertrag zwischen den Hauseigentümern und S***** W***** bestanden hat, wäre die Aufkündigung aufrechtzuerhalten und der Beklagte zur Räumung der Wohnung zu verpflichten, weil er nach den bisher getroffenen Feststellungen zweifellos nicht eintrittsberechtigt ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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