OGH 8Ob634/89

OGH8Ob634/897.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Andrea D***, geboren am 18. Oktober 1979, vertreten durch die Mutter Marlene D***, 9900 Lienz, Eichholzweg 4, diese vertreten durch Dr. Peter Rohracher, Rechtsanwalt in Lienz, infolge Revisionsrekurses der mj. Andrea D*** und ihrer Mutter gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 30. Mai 1989, GZ. 1 b R 98/89-46, womit der von Rechtsanwalt Dr. Peter Rohracher namens der genannten Minderjährigen und ihrer Mutter erhobene Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Lienz vom 26. April 1989, GZ. P 193/83-43, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Dem Revisionsrekurs der mj. Andrea D*** wird nicht Folge gegeben.

2. Hingegen wird dem Revisionsrekurs der Mutter Marlene D*** Folge gegeben.

Es wird der angefochtene Beschluß, soweit er sich auf den Rekurs der Mutter Marlene D*** bezieht, aufgehoben und dem Rekursgericht in diesem Umfang eine neue Entscheidung unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung

Die mj. Andrea D*** ist das außereheliche Kind der Marlene Elisabeth D*** und des Anton G***. Es befindet sich seit seiner Geburt in Pflege und Erziehung der Mutter. Die Amtsvormundschaft oblag bis 30. Juni 1989 der Bezirkshauptmannschaft Lienz. Seit 1. Juli 1989 kommt die Obsorge für dieses Kind der Mutter zu (Art. 6 § 3 Abs 1 KindRÄG, BGBl. 1989/162, im Zusammenhang mit § 166 Satz 1 ABGB in der Fassung des BGBl. 1989/162).

Mit Beschluß vom 26. April 1989 (ON 43) gewährte das Erstgericht dem Vater Anton G*** ein näher beschriebenes Besuchsrecht zur mj. Andrea D***. Gegen diesen Beschluß erhob der damalige gesetzliche Vertreter des Kindes kein Rechtsmittel, wohl aber der Vertreter der Mutter, Rechtsanwalt Dr. Peter Rohracher, sowohl im Namen des Kindes (Einleitungssatz: ".... wird gegen den Beschluß ....seitens der pflegebefohlenen minderjährigen Andrea D***, vertreten durch deren Mutter Frau Marlene D*** in offener Frist Rekurs erhoben") als auch namens der Mutter selbst (siehe die sprachlichen Wendungen in den Rekursausführungen, in denen die Mutter als Rekurswerberin bezeichnet wird; Bezeichnung der Mutter als Rekurswerberin nach dem Rekursantrag am Ende des Schriftsatzes) Rekurs erhob (ON 44).

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Gericht zweiter Instanz diesen Rekurs als unzulässig zurück. Zur Vertretung des Kindes sei die Mutter nicht legitimiert, weil gesetzlicher Vertreter des Kindes der Amtsvormund sei. Im eigenen Namen habe sie auf Grund des eindeutigen Einleitungssatzes ein Rechtsmittel nicht erhoben. Da der Amtsvormund innerhalb der ihm offenstehenden Rechtsmittelfrist keinen Rekurs eingebracht habe, komme die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens im Sinne der auch im Außerstreitverfahren sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der §§ 84 f. ZPO nicht in Betracht.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der mj. Andrea D*** und ihrer Mutter mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Antrag des Vaters auf Einräumung eines Besuchsrechtes abgewiesen werde, in eventu, den Beschluß der zweiten Instanz aufzuheben und dieser eine neue Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Berechtigt ist nur der Revisionsrekurs der Mutter.

1. Zum Revisionsrekurs der mj. Andrea D***:

Seit 1. Juli 1989 ist die Mutter Marlene D*** auf Grund der oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen gesetzliche Vertreterin ihrer Tochter Andrea D***, die nunmehr wegen der gesetzlichen Vertretung durch ihre Mutter keines Vormundes mehr bedarf. Es war daher auch die Bezeichnung der Rechtssache von Vormundschaftssache in Pflegschaftssache zu ändern. Als gesetzliche Vertreterin der mj. Andrea D*** ist deren Mutter Marlene D*** auch zur Bekämpfung des Beschlusses berechtigt, durch den ein im Namen der genannten Minderjährigen erhobenes Rechtsmittel zurückgewiesen wurde. Der namens des Kindes erhobene Rekurs ist allerdings aus folgenden Gründen nicht berechtigt:

Vor dem 1. Juli 1989, also zur Zeit der Einbringung des Rekurses ON 44 gegen den erstgerichtlichen Beschluß, war gesetzlicher Vertreter des Kindes noch die Bezirkshauptmannschaft als Amtsvormund. Das von der Mutter namens des Kindes erhobene Rechtsmittel war daher unzulässig. Eines Verbesserungsverfahrens nach den §§ 84 ff. ZPO bedurfte es nicht, weil sich die einschreitenden Personen (Mutter und deren Anwalt) gar nicht auf eine Bevollmächtigung durch den gesetzlichen Vertreter des Kindes beriefen, deren Nachweis im Rahmen des Verbesserungsverfahrens hätte erbracht werden können. Der Rekurs, soweit er namens des Kindes verfaßt wurde (siehe Einleitungssatz der Rekursschrift), ging vielmehr von der unrichtigen Rechtsansicht aus, daß die Mutter gesetzlicher Vertreter des Kindes wäre. Der am Verfahren beteiligte damalige gesetzliche Vertreter des Kindes, dem auch der erstgerichtliche Beschluß zugestellt worden war, ließ hingegen die Rechtsmittelfrist ungenützt verstreichen.

Die Zurückweisung des Rekurses gegen den erstgerichtlichen Beschluß, soweit er namens der mj. Andrea D*** erhoben wurde, steht demnach mit dem Gesetz im Einklang. Dem Revisionsrekurs des Kindes, in dem diese vom Rekursgericht vertretene Ansicht bekämpft wird, war daher der Erfolg zu versagen.

2. Zum Revisionsrekurs der Mutter:

Schon aus den Ausführungen im Rekurs ON 44 ergibt sich mit ausreichender Deutlichkeit, daß dieses Rechtsmittel nicht nur namens der mj. Andrea D***, sondern auch von deren Mutter selbst erhoben wurde, der in Besuchsrechtsangelegenheiten betreffend das in ihrer Pflege und Erziehung befindliche Kind das Rechtsmittelrecht zukommt (EvBl. 1974/284). Wenn das Rekursgericht Zweifel hegte, ob das Rechtsmittel trotz des Einleitungssatzes nicht auch im eigenen Namen der Mutter erhoben wurde, hätte es diesbezüglich ein Verbesserungsverfahren zwecks Klarstellung der Person des Rechtsmittelwerbers einleiten müssen. Dies kann nunmehr sowohl deswegen unterbleiben, weil der Oberste Gerichtshof die Ausführungen im Rechtsmittel ON 44 für hinlänglich klar hält, aber auch, weil durch den Revisionsrekurs selbst ausdrücklich klargestellt ist, daß der zurückgewiesene Rekurs in diesem Sinn zu verstehen war. Dies hat zur Folge, daß der Rekurs ON 44, soweit er von Marlene D*** im eigenen Namen erhoben wurde, zu Unrecht

zurückgewiesen wurde. Insofern war daher der angefochtene Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die Sachentscheidung aufzutragen.

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