European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00633.85.0213.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.339,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von 96,‑ S und Umsatzsteuer von 385,80 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Eigentümer des Hauses S*gasse * im * Wiener Gemeindebezirk. Die Beklagte ist auf Grund eines Mietvertrages vom 8. 11. 1940 Mieterin des in diesem Haus befindlichen Geschäftslokales top. Nr. *.
Punkt 2 des Mietvertrages vom 8. 11. 1940 hat folgenden Wortlaut:
„Der Mietzins besteht während der Dauer der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung aus dem jeweils gesetzlich festgelegten oder durch Reparaturen veranlaßten erhöhten Hauptmietzins, dem perzentuellen Anteil an den Betriebskosten, sonstigen Aufwendungen für das Haus (Aufzug, Sammelheizung u.dgl.), der Mietaufwandsteuer und Zinsgroschensteuer. Wenn durch den Bund, das Land oder die Gemeinde neue Abgaben eingeführt werden, so sind auch diese zu bezahlen. Nach Aufhebung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung ist der zu vereinbarende Mietzins zu bezahlen.“
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger mit seiner am 17. 8. 1984 eingebrachten Klage, die Beklagte schuldig zu erkennen, einer Änderung des Hauptmietvertrages vom 8. 11. 1940 dahingehend zuzustimmen, daß nunmehr für das Bestandobjekt ein monatlicher Hauptmietzins von netto 42.000,‑ S zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskosten sowie öffentlichen Abgaben mit Wirksamkeit vom 1. 7. 1984 vereinbart werde.
Der Kläger stützte dieses Begehren im wesentlichen darauf, das mit 1. 1. 1982 in Kraft getretene Mietrechtsgesetz stelle eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung dar. Der Kläger habe die Beklagte mit Schreiben vom 27. 6. 1984 aufgefordert, ab dem Zinstermin Juli 1984 einen nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattungs- und Erhaltungszustand des Objektes angemessenen Hauptmietzins von netto 42.000,‑ S monatlich unter gleichzeitiger Wertsicherung nach dem Verbraucherpreisindex 1976 zur Überweisung zu bringen. Die Angemessenheit dieses verlangten Mietzinses ergebe sich daraus, daß beispielsweise zuletzt das Objekt top. Nr. * im Hause Wien *, J*straße *, das kleiner als das Mietobjekt der Beklagten sei, um den Betrag von monatlich 50.000,‑ S vermietet habe werden können. Die Beklagte weigere sich, den angemessenen Mietzins zu bezahlen.
Die Beklagte wendete ein, durch das Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes seien die gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung von alten Mietverträgen nicht aufgehoben worden. Aber selbst wenn dies zutreffe, wäre aus dem Vertrag, daß nämlich in diesem Fall „der zu vereinbarende Mietzins zu bezahlen wäre“, der Klagsanspruch nicht abzuleiten. Es werde auch bestritten, daß der begehrte Hauptmietzins von netto 42.000,‑ S monatlich angemessen sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und beurteilte ihn rechtlich dahin, es sei davon auszugehen, daß es der Zweck der Zinsbeschränkungen des Mietengesetzes gewesen sei, dem Bestandnehmer Schutz hinsichtlich der Mietzinshöhe zu gewähren. Dieser Schutzzweck werde durch eine Vereinbarung, mit der der Abschluß einer neuen Mietzinsvereinbarung für die Zeit nach dem Außerkrafttreten der gesetzlichen Mietzinsfestsetzung vorgesehen werde, nicht verletzt. Eine schon vor dem Zeitpunkt einer Lockerung oder Liberalisierung der Mietzinsbildungsvorschriften geschlossene Vereinbarung für den Fall des Wegfalles oder der Aufhebung des Verbotes einer freien Zinsvereinbarung sei zulässig, wenn das gesetzliche Verbot nur die Zeit des Vertragsabschlusses erfaßte. Da eine Behauptung im Sinne des § 864a ABGB nicht aufgestellt worden sei, sei davon auszugehen, daß die zitierte Klausel Inhalt des Mietvertrages zwischen den Streitteilen geworden sei. Die dort vereinbarte Bedingung (Aufhebung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung) sei aber bislang nicht eingetreten. Nicht einmal für Mietverträge über Geschäftslokale nach dem 1. 1. 1982 sei eine Aufhebung der gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung erfolgt; § 16 Abs. 1 MRG kenne noch immer die Angemessenheitsgrenze. Um so mehr gelte dies für alte Mietverträge (§ 43 Abs 2 MRG). Eine Möglichkeit, die Abänderung des vereinbarten Mietzinses zu verlangen, gebe es, abgesehen von der Bestimmung des § 45 MRG, nicht.
Im übrigen entspreche die zitierte Klausel dem Erfordernis des § 1094 ABGB nicht. Es genüge zwar, wenn der Vertrag hinreichende Anhaltspunkte liefere, die die Höhe des Zinses unter Heranziehung gesetzlicher Auslegungsregeln nach der Verkehrssitte und dispositiven Gesetzesnormen bestimmten, ohne daß es einer neuerlichen Willenseinigung der Vertragsparteien bedürfe und ohne daß die Zinsfestsetzung dem freien Belieben eines Vertragsteiles überlassen bleibe. Die hier zu beurteilende Vereinbarung ergebe aber nicht einmal einen bestimmten Mietzins, weshalb sie als dem Vertrag nicht beigesetzt zu betrachten sei.
Der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Wert des Streitgegenstandes 60.000,‑ S, nicht aber 300.000,‑ S übersteigt und daß die Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen aus, vor dem Zeitpunkt einer Lockerung oder Liberalisierung der Mietzinsbildung geschlossene Vereinbarungen seien für den Fall des Wegfalles oder der Aufhebung des Verbotes einer freien Mietzinsvereinbarung als zulässig anzusehen, wenn das gesetzliche Verbot nur die Zeit des Vertragsabschlusses erfaßt habe.
Ob die gesetzte Bedingung eingetreten sei, könne nur nach dem Inhalt der Vereinbarung beurteilt werden.
Eine Prüfung, ob durch das Mietrechtsgesetz die gesetzlichen Vorschriften über die Mietzinsbildung überhaupt aufgehoben seien oder bloß durch andere Vorschriften ersetzt worden seien, könne unterbleiben, weil die Bestimmungen des Mietvertrages über den zu vereinbarenden neuen Zins mangels irgendeines Anhaltspunktes über dessen Höhe unbestimmt und daher unwirksam seien. Einen zu vereinbarenden Mietzins zu bezahlen, sei eine geradezu unverständliche Bestimmung, da ein noch gar nicht vereinbarter höherer Zins naturgemäß nicht Gegenstand einer Zahlungsverpflichtung sein könne.
Es könne auch nicht im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung ‑ eine wörtliche Auslegung des Vertragstextes führe hier ohnedies nicht zum Ziel ‑ eine mangels Bestimmbarkeit unwirksame Vereinbarung wirksam gemacht werden. Der hypothetische Parteiwille sei nichts anderes, als was die Parteien gewollt hätten, wenn sie sich bei Vertragsabschluß die nunmehr offene Frage vorgelegt hätten. Er könne also nur dann zur ergänzenden Auslegung herangezogen werden, wenn sich die Parteien bei Vertragsabschluß mit der offenen Frage nicht befaßt hätten, sodaß deshalb eine Vertragsergänzung notwendig sei. Hätten die Parteien aber keinen neuen bestimmbaren Mietzins vereinbart, dann stünden die Übergangsbestimmungen der §§ 43 ff MRG einer Anhebung des Mietzinses auf die zulässig gewordene Höhe entgegen, da danach Altmietzinse, von einzelnen Sondernormen abgesehen, in der ursprünglichen Höhe erstarrt seien, wenn auch nunmehr ein höherer Mietzins vereinbart werden dürfe. Hätten sich die Parteien aber mit der Frage des Außerkrafttretens oder der Änderung der Zinsbeschränkungen befaßt, dann hätten sie ohne weiteres die Grundsätze für den neuen Mietzins (etwa den höchstzulässigen, den ortsüblichen u.dgl.) vereinbaren können und müssen. Wenn sie dies, warum auch immer, unterlassen hätten, dann dürfe diese Klausel nur als unverbindliche Absichtserklärung aufgefaßt werden.
Die im vorliegenden Fall zu beurteilende Klausel, daß ein zu vereinbarender Mietzins zu bezahlen sei, enthalte nicht einmal die Mindesterfordernisse des § 1090 ABGB, nämlich die Bestimmtheit oder wenigstens die objektive Bestimmbarkeit des Preises; sie könne daher auch nicht im Wege der Vertragsauslegung wirksam gemacht werden. Zur Bestimmbarkeit hätte es genügt, wenn der Vertrag hinreichende Anhaltspunkte geliefert hätte, die die Höhe des Mietzinses unter Heranziehung gesetzlicher Auslegungsregeln, nach der Verkehrssitte und dispositiven Gesetzesnormen bestimmten, ohne daß es einer neuerlichen Willenseinigung der Vertragsparteien bedürfe und ohne daß die Zinsfestsetzung dem freien Belieben eines Vertragsteiles überlassen bleibe. Es hätte daher ein angemessener Mietzins in Beziehung auf Vergleichsobjekte oder ein volkswirtschaftlich gerechtfertigter, ein ortsüblicher oder ein sonst gesetzlich zulässiger höchster Mietzins vereinbart werden müssen.
Mangels Bestimmbarkeit des zu vereinbarenden Mietzinses sei die Klausel des Mietvertrages daher nicht geeignet, das Begehren des Klägers auf Zustimmung zu einer Änderung des Hauptmietvertrages in bezug auf die Höhe des Hauptmietzinses zu stützen.
Es sei auch aus der Klausel, daß ein zu vereinbarender Mietzins zu bezahlen sei, nicht denknotwendig nur auf die Vereinbarung eines angemessenen Mietzinses zu schließen, da auch andere Vereinbarungen über die Höhe des Zinses durchaus denkmöglich seien.
Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß über die Frage der Bestimmbarkeit und der Vertragsauslegung von Mietzinsklauseln im Geltungsbereich des MRG noch keine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung im Sinne des § 503 Abs. 2 ZPO mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Lösung der Frage, ob die im vorliegenden Mietvertrag enthaltene Zinsanpassungsklausel auf Grund ergänzender Vertragsauslegung als wirksam angesehen werden könnte (sie wurde in der in RdW 1994, 339 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, der später die zu 1 Ob 633/85 ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes folgte, bejaht, in den zu 5 Ob 107/85 und 5 Ob 112/85 ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes aber ebenso verneint wie von den Vorinstanzen), kann angesichts der bereits auf diesen Rechtsstreit anzuwendenden neuen Rechtslage dahingestellt bleiben.
Mit Art. I Z 7 des Bundesgesetzes vom 12. 12. 1985, mit dem das Mietrechtsgesetz, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz und das Wohnhaussanierungsgesetz geändert wurden (BGBl. 1985/559), wurde die Vorschrift des § 16a in das Mietrechtsgesetz eingeführt. Nach dem 1. Absatz dieser Gesetzesstelle sind Vereinbarungen in einem vor dem 1. 1. 1982 geschlossenen Vertrag, die eine Erhöhung des Hauptmietzinses für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses vorsehen, rechtsunwirksam. Darunter sind auch Vereinbarungen zu verstehen, in denen sich der Mieter für den Fall einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften über die Höhe des Hauptmietzinses zum Abschluß einer neuen Mietzinsvereinbarung verpflichtet hat. Nach Art. IV Z 7 des BG vom 12. 12. 1985, BGBl. 559, ist § 16a MRG auch auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen streitigen und außerstreitigen Verfahren anzuwenden. Damit wurde eine Rückwirkung des § 16a MRG auf die den genannten Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalte angeordnet (vgl. Würth‑Zingher, MRG 1986, 39, Anm. 3 zu § 16a MRG; Iro in RdW 1986, 2; 5 Ob 112/85; 6 Ob 660/85).
Da somit die Zinsanpassungsklausel, auf die sich der Kläger zur Begründung seines Begehrens allein beruft, durch gesetzliche Anordnung rückwirkend für rechtsunwirksam erklärt wurde, ist sein Begehren abzuweisen, ohne daß auf die Rechtsausführungen der Vorinstanzen und des Revisionswerbers einzugehen wäre.
Der Revision des Klägers muß daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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