OGH 8Ob626/90

OGH8Ob626/9026.7.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der antragstellenden Parteien 1. Evelyn Antonia N***, geborene W***, 5020 Salzburg, Blumensteinstraße 4, vertreten durch Dr. Karl Endl, Rechtsanwalt in Salzburg, und 2. Dr. Christian Karl N***, Kaufmann, D-8134 Pöcking, Moritz-von-Schwind-Weg 4, Bundesrepublik Deutschland, wegen Ehescheidung gemäß § 55 a EheG, infolge Revisionsrekurses der Erstantragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 7. Feber 1990, GZ 22 c R 15/90-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 3. Jänner 1990, GZ 20 Sch 112/87-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die vorinstanzlichen Beschlüsse werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Verfahrensergänzung und neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Ehegatten Evelyn N***-W*** und Dr. Christian

N*** beantragten am 5.11.1987 gemeinsam die einvernehmliche Scheidung ihrer Ehe gemäß § 55 a EheG und legten in der mündlichen Verhandlung vom 14.12.1987 eine schriftliche Vereinbarung über ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen, die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche im Verhältnis zueinander sowie die Zuteilung der aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen ihnen und ihren Kindern erfließenden Rechte und Pflichten usw vor. Nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolles ON 2 wurde diese Vereinbarung als "Vergleich" in vollem Wortlaut protokolliert und schließlich die Scheidung der Ehe der beiden Antragsteller ausgesprochen. Die Antragsteller verzichteten auf Rechtsmittel und beantragten die Zustellung von Vergleichsausfertigungen.

Mit dem Antrag ON 5 begehrte die Erstantragstellerin die Zustellung einer ergänzten Vergleichsausfertigung, da die in Punkt 3c des Vergleiches genannte und - wie sie behauptet - dem Gericht vorgelegte "Aufstellung betreffend gesamtschuldnerische Verbindlichkeiten" der Ehegatten, die ausdrücklich einen integrierenden Bestandteitl des Vergleiches gebildet habe, der Vergleichsausfertigung nicht angeschlossen gewesen sei. Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, daß entgegen den Behauptungen der Erstantragstellerin diese Aufstellung dem Gericht nicht vorgelegt worden sei und demgemäß auch nicht Bestandteil des gerichtlichen Vergleiches geworden sein könne. Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß und erklärte den Revisionsrekurs nicht für zulässig. Es vertrat den Standpunkt, nach dem Inhalt des Protokolles bestehe kein Anhaltspunkt dafür, daß die in Punkt 3c des zwischen den Ehegatten geschlossenen Vergleiches angeführte Aufstellung der vorgelegten Vereinbarung tatsächlich angeschlossen gewesen sei. In die Vergleichsausfertigung habe von der Geschäftsstelle des Erstgerichtes nur das aufgenommen werden können, was tatsächlich Inhalt des Protokolles bzw. diesem angeschlossen gewesen sei. Da nicht feststehe, ob die von der Rechtsmittelwerberin vorgelegte Aufstellung mit der in Punkt 3c des Vergleiches genannten Aufstellung identisch sei, könne dem Ergänzungsauftrag somit nicht entsprochen werden.

Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung erhebt die Erstantragstellerin a.o. Revisionsrekurs mit dem Antrag, die vorinstanzlichen Entscheidungen derart abzuändern, daß die Vergleichsausfertigung vom 14.12.1987 durch Anfügung der Aufstellung betreffend die gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten ergänzt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Rechtsmittelwerberin meint, die Rechtsfrage, ob die Parteien einen Anspruch auf Ausstellung einer dem Inhalt des Vergleiches vollständig wiedergebenden Vergleichsausfertigung hätten, sei von erheblicher Bedeutung und jedenfalls zu bejahen, denn die vormaligen Ehegatten hätten die genannte Aufstellung ausdrücklich zum Bestandteil ihres Vergleiches gemacht und die Vergleichsausfertigung sei daher durch Anschluß einer solchen Aufstellung zu ergänzen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf die zu lösende grundsätzlich bedeutsame Verfahrensfrage zulässig und im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages gerechtfertigt.

Nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolles ON 2 schlossen die Antragsteller den im Protokoll in vollem Wortlaut in Langschrift aufgenommenen Vergleich, dessen (aus AS 10 protokollierter) Punkt 3c wie folgt lautet:

"Die beiliegende Aufstellung betreffend gesamtschuldnerische Verbindlichkeiten der Ehegatten N*** ist integrierender Bestandteil dieser Vereinbarung. ..."

Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes wurde damit im Verhandlungsprotokoll beurkundet, daß diese Aufstellung "beiliegt", d. h. angeschlossen ist, und einen integrierenden Bestandteil des Vergleiches bildet.

Gemäß § 215 Abs 1 ZPO schafft das Verhandlungsprotokoll vollen Beweis über das Verhandlungsgeschehen. Es ist daher bis zum Beweis des Gegenteils (§ 292 Abs 2 ZPO) die Richtigkeit des Protokolls als einer öffentlichen Urkunde anzunehmen (EvBl 1956/315; 1964/281; 1987/196 uva). Eine durch Anhang zum Protokoll vorzunehmende Richtigstellung des in Vollschrift aufgenommenen Protokolles (§ 212 Abs 1 und 5 ZPO), die nur sofort (EvBl 1956/10; Fasching II 999), bei offenbaren Unrichtigkeiten aber von Amts wegen auch später möglich erscheint (Fasching aaO 1004; 2 Ob 547/76), dahin, daß die genannte Aufstellung tatsächlich dem Gericht nicht vorgelegt worden sei, ist nicht erfolgt.

Da die Behauptung der nunmehrigen Rekurswerberin in ihrem Ergänzungsantrag, die genannte Aufstellung sei der vorgelegten Vereinbarung tatsächlich angeschlossen gewesen, durch den Inhalt des Protokolles voll gedeckt ist, muß das Erstgericht die vom damaligen Verhandlungsrichter nunmehr in Frage gestellte Richtigkeit der Beurkundung des Verhandlungsgeschehens prüfen. Dazu erscheint die Vernehmung der damals in der Verhandlung anwesend gewesenen Personen unentbehrlich. Vor der neuerlichen Entscheidung muß vor allem aber dem Zweitantragsteller Gelegenheit gegeben werden, zu den Behauptungen der Erstantragstellerin und zum Inhalt der genannten Aufstellung selbst Stellung zu nehmen.

Dem Rekurs war somit Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Beschlußfassung über die Kostenersatzpflicht beruht auf § 52 ZPO.

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