OGH 8Ob617/88

OGH8Ob617/8810.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Huber, Dr.Schwarz und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** I***,

reg. Gen.m.b.H., 6020 Innsbruck, Innstraße 7, vertreten durch Dr.Johann Paul Cammerlander und Dr.Harald Vill, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1) Horst Ernst K***, Kaufmann, 6105 Leutasch, Cafe "Monika", 2) Katharina K***, geb. M***, Hausfrau, 5411 Oberalm 501, beide vertreten durch Dr.Franz Purtscher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 9,999.088,56 s.A. infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 26. Mai 1988, GZ 2 R 90/88-15, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. Dezember 1987, GZ 8 Cg 400/86-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind schuldig, der klagenden Partei zur ungeteilten Hand die mit S 36.519,61 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 3.319,96 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstbeklagte ist der Sohn und die Zweitbeklagte die Witwe des am 21.Oktober 1974 verstorbenen Ing.Ernst K***. Dieser war der einzige persönlich haftende Gesellschafter der "Autodienst Innsbruck - West Ing. K*** KG". Sein Nachlaßvermögen wurde den beiden Beklagten und einer Tochter des Erblassers auf Grund der aus dem Titel des Gesetzes abgegebenen unbedingten Erbserklärungen am 3. November 1983 rechtskräftig eingeantwortet. Am 6.Dezember 1974 hatten die Erben vor dem Gerichtskommissär folgende Erklärung abgegeben: "Die Erben haben noch nicht vereinbart, wie sie den Gesellschaftsanteil des Erblassers übernehmen werden und in welcher Form sie in die Gesellschaft eintreten werden. Es ist jedoch dringend notwendig, daß für die Dauer der Verlassenschaft ein Vertreter der Gesellschaft bestimmt wird. Die Erben übertragen nun für die Dauer der Verlassenschaftsabhandlung dem Horst Ernst K*** die Rechte und Pflichten eines persönlich haftenden Gesellschafters." Auf der Grundlage dieser Vereinbarung erfolgte hierauf mit Zustimmung der eingetragenen Kommanditistin Luise P*** im Handelsregister die Eintragung, daß für die Dauer des Verlassenschaftsverfahrens Horst Ernst K***, also der Erstbeklagte, zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt ist. Im Jahre 1977 hatte die klagende Partei der Firma Autodienst Innsbruck - West Ing. K*** KG einen Kredit bis zum Höchstbetrag von S 6,000.000,-- eingeräumt, wobei die Verlassenschaft und die Zweitbeklagte zur Sicherstellung Liegenschaften verpfändeten. Dieser Kreditvertrag wurde verlaßgerichtlich genehmigt. Zufolge Überschreitung des Kreditrahmens haftete am 31.Juni 1985 ein Saldobetrag von S 23,388.086,49 aus.

Die klagende Partei beantragt die Verurteilung der beiden Beklagten zur Zahlung von (Klagseinschränkung ON 3, 4) S 9,999.088,56 s.A. aus folgenden Gründen: Die Autodienst Innsbruck - West Ing. K*** KG habe im Sinne der Ausführungen des Obersten Gerichtshofes in 6 Ob 535/78 gemäß Art 7 Nr. 17 EVHGB iVm § 161 Abs 2 HGB bis zur Einantwortung zwischen der Kommanditistin und der Verlassenschaft als Komplementärin fortbestanden (Punkt 2 der Klage). Aus § 139 Abs 1 HGB in Zusammenhalt mit § 161 Abs 2 HGB folge, daß die Kommanditgesellschaft bis zur Einantwortung mit der Verlassenschaft und sodann mit den Erben als Komplementären fortbestehe. Für die vom Erstbeklagten als Vertreter der Verlassenschaft eingegangenen Verbindlichkeiten hafte daher bis zur Einantwortung gemäß den §§ 128 und 161 Abs 2 HGB die Verlassenschaft als persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft und nach der Einantwortung hafteten die eingeantworteten Erben. Gegen die Kommanditgesellschaft sei aus dem gegenständlichen Kreditverhältnis ein rechtskräftiger Wechselzahlungsauftrag vom 25.Mai 1981 über S 11,364.506,-- und ein rechtskräftiges Versäumungsurteil vom 25. Jänner 1983 über S 8,200.036,42 s.A. ergangen.

Die Beklagten beantragten Klageabweisung. Unter Punkt B der Klagebeantwortung führten sie aus, Punkt 2 der Klage treffe im wesentlichen den Sachverhalt und auch die aus der das Vorverfahren betreffenden Entscheidung 8 Ob 600/86 entnommenen Rechtsausführungen seien zutreffend. Hinzuzufügen sei jedoch, daß der Erstbeklagte als Vertreter der Verlassenschaft diese als Komplementärin der Kommanditgesellschaft nur im abhandlungsgerichtlich genehmigten Rahmen von S 6,000.000,-- habe verpflichten können. Da dieser Betrag bereits zurückgezahlt worden sei, müsse die Klage abgewiesen werden. Das Erstgericht gab der Klage statt. Es verwies auf den rechtskräftig festgestellten Bestand der Forderung der klagenden Partei in der Höhe von S 19,654.542,42 s.A. gegen die Autodienst Innsbruck - West Ing. K*** KG. Diese Forderung sei aus der Kreditgewährung in der Zeit zwischen Eintragung des Erstbeklagten als Vertreter der Kommanditgesellschaft ins Handelsregister und der Einantwortung der Verlassenschaft nach Ing. Ernst K*** hervorgegangen und die beiden Beklagten hafteten für diese Judikatschuld solidarisch als Erben. Die Haftung der Verlassenschaft für die von Horst Ernst K*** als Vertreter der Kommanditgesellschaft eingegangene Kreditforderung der klagenden Partei ergebe sich aus den §§ 139 Abs 1 und 161 Abs 2 HGB. Für die Verbindlichkeiten der Verlassenschaft, wozu auch solche aus der Verwaltung und Erhaltung des Nachlasses zählten, hafteten die beiden Beklagten als eingeantwortete Erben nach den §§ 801 und 820 ABGB. Einer abhandlungsbehördlichen Genehmigung der Darlehensaufnahme zum Weiterbetrieb des erblasserischen Unternehmens habe es nicht bedurft. Das Berufungsgericht hielt weder die von den Beklagten erhobene Verfahrensrüge und Rüge der unrichtigen Tatsachenfeststellung noch ihre Rechtsrüge für gerechtfertigt. Die klagende Partei habe unter Punkt 2 der Klage in unmißverständlicher Weise unter Anführung des Artikels 7 Nr. 17 EVHGB, welcher in der Bestimmung des § 139 HGB enthalten sei, sowie des § 161 Abs 2 HGB behauptet, daß im Gesellschaftsvertrag der Firma Autodienst Innsbruck - West Ing. K*** KG eine Fortsetzungsklausel im Sinne des § 139 Abs 1 HGB enthalten sei. Dieses Vorbringen und die daraus abgeleiteten Darlegungen hätten die beiden Beklagten in der Klagebeantwortung ausdrücklich als richtig und zutreffend bezeichnet und dem Klagebegehren lediglich entgegengehalten, sie hätten nur das abhandlungsgerichtlich genehmigte Darlehen von S 6,000.000,-- zu vertreten und dieses sei bereits zurückgezahlt. In ihrem Schriftsatz ON 5 AS 21 hätten die beiden Beklagten auch selbst ausgeführt, daß nach dem Tode des Ing. K*** dessen Verlassenschaft die einzige Komplementärin der Kommanditgesellschaft gewesen sei. Die erstgerichtliche Feststellung, die Beklagten hätten am 6.Dezember 1974 vor dem Gerichtskommissär vorgebracht, noch keine Vereinbarung über die Übernahme des Gesellschaftsanteiles des Erblassers und die Form ihres Eintrittes in die Gesellschaft getroffen zu haben und für die Dauer des Verlassenschaftsverfahrens dem Horst Ernst K*** die Rechte und Pflichten eines persönlich haftenden Gesellschafters zu übertragen, sei im Berufungsverfahren unbekämpft geblieben. Im Hinblick auf dieses beiderseitige Vorbringen der Streitteile sei das Erstgericht daher entgegen den Berufungsausführungen zutreffend davon ausgegangen, daß im Gesellschaftsvertrag der Firma Autodienst Innsbruck - West Ing. K*** KG eine Nachfolgeklausel im Sinne des § 139 Abs 1 HGB enthalten sei, wonach die Gesellschaft im Falle des Todes eines Gesellschafters mit den Erben fortgesetzt werde. Bestätigt werde dies durch den vom Erstgericht zu Beweiszwecken vorgetragenen Inhalt des Verlassenschaftsaktes, in welchem die beiden Beklagten ausdrücklich auf das Vorhandensein einer gesellschaftsvertraglichen Bestimmung im Sinne des § 139 Abs 1 HGB hingewiesen hätten und welche Tatsache in der Abhandlungsniederschrift AS 142, 165 festgehalten worden sei. Demgemäß habe das Erstgericht zu Recht das Zugeständnis des Bestehens einer derartigen Vertragsbestimmung durch die Beklagten unterstellt und von einer Beweisaufnahme und ausdrücklichen diesbezüglichen Feststellungen abgesehen. Somit liege insoweit weder ein Verfahrens- noch ein Feststellungsmangel vor. Ein Rechtsirrtum des Erstgerichtes in anderer Richtung werde von den Berufungswerbern gar nicht behauptet, sodaß es genüge, auf dessen zutreffende rechtliche Beurteilung zu verweisen.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhoben die Beklagten eine auf die Anfechtungsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die von den Beklagten behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens in Beziehung auf die Annahme des Bestandes einer gesellschaftsvertraglichen Fortsetzungsklausel nach dem Tode des einzigen Komplementärs liegt nicht vor. Zutreffend hat das Berufungsgericht auf das übereinstimmende Parteienvorbringen in erster Instanz hingewiesen, demzufolge das Erstgericht mit Recht - und in Übereinstimmung mit der in der Klage angeführten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes AZ 6 Ob 535/78 (AZ 16 C 878/77 des Erstgerichts) sowie den Behauptungen der Beklagten im Verlassenschaftsverfahren nach dem Komplementär Ing. K*** (AZ 3 A 284/82 des Bezirksgerichts Innsbruck) - seiner Entscheidung den Bestand einer solchen Klausel im Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft (uzw. Punkt X des Gesellschaftsvertrages vom 29.Juli 1961) zugrunde gelegt hat. In der Revisionsschrift wird übrigens diese Vertragsbestimmung auch gar nicht bestritten, sondern lediglich bemängelt, daß eine entsprechende Feststellung in der erstinstanzlichen Entscheidung fehle.

Es ist aber auch die Bemängelung verfehlt, daß nicht festgestellt wurde, ob die Beklagten das Gesellschaftsverhältnis als Komplementäre der Kommanditgesellschaft tatsächlich fortgesetzt haben, denn die als Erben nach dem verstorbenen einzigen Komplementär Ing. K*** ohne Inanspruchnahme der Nachlaßinventarisierung eingeantworteten Beklagten haben in erster Instanz keinen Sachverhalt behauptet, der ihre Haftungslage, wie sie sich aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt, verändern könnte. Für die Haftung der zweitbeklagten Witwe nach dem verstorbenen Komplementär ist es auch nicht, wie diese in der Revision meint, bedeutungsvoll, daß sie ihre Gesellschaftsrechte gar nicht ausgeübt habe. Wenn nämlich der Gesellschaftsvertrag die Fortsetzung der Gesellschaft mit den Erben des verstorbenen Komplementärs festlegt, so treten diese mit der Einantwortung der Verlassenschaft automatisch in die Rechtsstellung persönlich haftender Gesellschafter ein, ohne daß es irgendeiner Handlung ihrerseits bedürfte; es wäre selbst ihre Weigerung, diese Rechtsstellung anzutreten, bedeutungslos (Hämmerle-Wünsch, Handelsrecht Bd 23 113 mwH in FN 11). Die Erben - hier die beiden Beklagten - sind mit der Einantwortung entsprechend ihren Erbquoten in die Gesellschafterstellung des Verstorbenen eingerückt (Koppensteiner in Straube, Kommentar zum HGB Rz 17 zu § 139). Auch das Unterbleiben der Eintragung dieses Vorganges im Handelsregister, wie die Beklagten in erster Instanz behauptet haben, hat auf diese Rechtslage - abgesehen von den Wirkungen nach § 15 Abs 1 HGB - keinen Einfluß. Sind aber die Beklagten persönlich haftende Gesellschafter der Autodienst Innsbruck - West Ing. K*** KG geworden, so stellt sich ein weiteres erbrechtliches Problem bezüglich ihrer Haftung für die Verbindlichkeiten dieser Kommanditgesellschaft gar nicht mehr, denn es haftet gemäß den §§ 128 und 161 Abs 2 HGB jeder Komplementär für die im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme durch den Gesellschaftsgläubiger bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wann immer sie begründet wurden, persönlich, unbeschränkt und solidarisch mit den übrigen Gesellschaftern. Die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, für die hier die Haftung der beiden Beklagten als Komplementäre in Anspruch genommen wird, sind durch rechtskräftige Exekutionstitel gegen die Gesellschaft festgestellt. Zur Zeit der Entstehung dieser Exekutionstitel war noch die Verlassenschaft nach dem Komplementär Ing. K***, in dessen Rechtsstellung die Beklagten nach ihrer Einantwortung als Erben eingerückt sind, persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft. Die Rechtskraftwirkung der gegen die Gesellschaft ergangenen Exekutionstitel erstreckte sich damit auch auf die seinerzeitige Verlassenschaft als Komplementärin und erstreckt sich nun auch auf die beiden Beklagten als deren Gesamtrechtsnachfolger dergestalt, daß ihnen alle Einwendungen der Kommanditgesellschaft gegen den Bestand der Verbindlichkeiten genommen sind, welche von der Gesellschaft in dem zur Schaf ung dieser Exekutionstitel führenden Verfahren hätten erhoben werden können (vgl. Kastner, Grundriß des österr. Gesellschaftsrechts4 94 mwH in FN 56; Koppensteiner aaO Rz 5 zu § 129 mwH; Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1525, 1526 und Kommentar III 733, 729). Unter diesen Einwendungen fällt auch die hier von den Beklagten vorgetragene, daß der mit der Vertretung der Verlassenschaft als Komplementärin betraute Erbe (§ 145 AußStrG) bei Begründung der Kreditverbindlichkeiten für die Kommanditgesellschaft außerhalb des Rahmens der ihm abhandlungsbehördlich erteilten Ermächtigung gehandelt und damit die Kommanditgesellschaft nicht wirksam verpflichtet habe. Auf diese Einwendung konnte deshalb nicht Rücksicht genommen werden.

Der Revision war aus diesen Erwägungen der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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