Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.275,40 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (einschließlich S 1.545,90 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung
Die gegen die beklagte Gesellschaft mbH unter Angabe ihres zum Handelsregisters gemeldeten Geschäftssitzes 1040 Wien, Schleifmühlgasse 21, ohne Nennung eines für sie handelnden Vertreters eingebrachte Klage wegen S 300.000 sA wurde nach zwei vergeblichen Zustellversuchen mangels Anwesenheit einer empfangsberechtigten Person am 26.Februar 1988 postamtlich hinterlegt und sodann mangels Abholung an das Erstgericht zurückgestellt. Aufgrund des Antrages der klagenden Partei fällte das Erstgericht am 28.März 1988 ein Versäumungsurteil. Dessen Zustellung mißlang, weil der Rückscheinbrief von der Post mit dem Vermerk "Empfänger verzogen" zurückgestellt wurde. Das Erstgericht verfügte hierauf die Hinterlegung ohne Zustellversuch. Nach der am 6. April 1988 erfolgten Hinterlegung und nach Ablauf der Abholfrist wurde auch dieser Rückscheinbrief von der Post an das Erstgericht zurückgestellt.
Am 7.November 1988 erhob die beklagte Partei gegen das Versäumungsurteil Nichtigkeitsberufung mit der Behauptung, sie habe mit Wirkung vom 1.Dezember 1987 ihr Geschäftslokal, 1040 Wien, Schleifmühlgasse 21, an die Ehegatten M***-O*** übertragen und ihren Geschäftssitz nach 1170 Wien, Lobenhauerngasse 8, verlegt. Erst im Rahmen eines zu 29 Cg 405/88 des Handelsgerichtes Wien geführten Rechtsstreites sei sie auf eine auf das gegenständliche Versäumungsurteil gestützte Drittschuldnerexekution hingewiesen worden und habe solcherart von der Klage und vom Versäumungsurteil Kenntnis erlangt.
Das Berufungsgericht gab der wegen Nichtigkeit erhobenen Berufung Folge, hob das Versäumungsurteil und das diesem vorausgegangene Verfahren einschließlich der Klagezustellung auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur Einleitung des gesetzlichen Verfahrens durch Zustellung der Klage an die beklagte Partei zu Handen ihres bevollmächtigten Vertreters zurück.
Es stellte fest: Die klagende Partei führte gegen die beklagte Partei wegen der dem Versäumungsurteil zugrundeliegenden Forderung am 21.Juni 1988 Fahrnisexekution, deren Vollzug aber daran scheiterte, daß die verpflichtete Partei von der Anschrift Schleifmühlgasse 21 verzogen war; ob dies bereits vor dem 6. April 1988 erfolgte, ist nicht mit Sicherheit feststellbar. Die Sitzverlegung wurde dem Handelsregister nicht gemeldet. Geschäftsführer der beklagten Partei ist Corrado G***. In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Berufungsgericht auf § 13 Abs 3 ZustG, wonach die Sendung einem zum Empfang befugten Vertreter zuzustellen sei, wenn es sich beim Empfänger um keine natürliche Person handle. Nach dieser Regelung des § 13 Abs 3 ZustG komme es nicht auf den handelsrechtlichen Sitz der Gesellschaft mbH, sondern auf den Wohn- oder Beschäftigungsort des zur Empfangnahme befugten Vertreters an; in der Regel genüge es, wenn der gesetzliche Vertreter unter der Firmenanschift der Gesellschaft namhaft gemacht werde. Hier habe die klagende Partei entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 75 Z 1 ZPO, daß der für die Partei handelnde Vertreter im Schriftsatz anzugeben sei, den für die beklagte Gesellschaft handelnden Vertreter in der Klage nicht angegeben. Grundsätzlich gingen daher Unklarheiten über die Rechtswirksamkeit der Zustellung an die beklagte Gesellschaft zu Lasten der klagenden Partei. Ob im Zeitpunkt der versuchten Klagezustellung ein zur Empfangnahme befugter Vertreter der beklagten Partei seine Abgabestelle (§ 4 ZustG) noch in der Schleifmühlgasse 21 gehabt habe, stehe nicht fest. Somit müsse im Zweifel die Unwirksamkeit der postamtlichen Hinterlegung angenommen und festgestellt werden, daß es bisher weder zu einer Klagezustellung noch zu einer Heilung des Zustellmangels gemäß § 7 ZustG gekommen sei. Dies führe zur Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens.
Gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Rechtsmittelwerberin vertritt die Ansicht, im Sinne des § 4 ZustG sei der Firmensitz auch die Abgabestelle, ohne daß es darauf ankomme, wo ein zustellbevollmächtigter gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft seinen Wohnsitz habe. Eine Firmensitzverlegung sei dem Handelsgericht zu melden und die juristische Person sei verpflichtet, einen Nachsendeauftrag zu erteilen, um die ordnungsgemäße Zustellung nach den postrechtlichen Vorschriften zu gewährleisten. Bei Unterlassung einer Meldung über die Änderung der Abgabestelle habe die Hinterlegung zu erfolgen, sofern eine neue Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden könne (§ 8 Abs 2 ZustG). Der Verstoß der klagenden Partei gegen § 75 Z 1 ZPO sei für die Zustellung unerheblich, zumal diese gemäß § 87 ZPO von Amts wegen zu erfolgen habe. Im übrigen habe nach dem Bericht des Substituten des Klagevertreters offenbar eine "eigentliche Sitzverlegung" in die Lobenhauerngasse 8 gar nicht stattgefunden, so daß die gegenteilige berufungsgerichtliche Feststellung unrichtig sei. Selbst bei Namhaftmachung des gesetzlichen Vertreters der beklagten Gesellschaft unter deren Firmenanschrift wäre es zu einer Hinterlegung der Klage gekommen; im Ergebnis hätte sich also auch bei Einhaltung der Formvorschrift des § 75 Abs 1 ZPO nichts geändert.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig (SZ 19/305; SZ 52/153; SZ 59/16 uva); er ist aber nicht gerechtfertigt.
Der Rekurswerberin ist zunächst zu erwidern, daß die Vorschrift des § 8 Abs 2 im Sinne des Abs 1 ZustG nur bei Änderung der Abgabestelle während eines Verfahrens, von dem die Partei Kenntnis hat, zur Anwendung kommt. Hier geht es darum, ob für die beklagte Gesellschaft im Zeitpunkt der das Verfahren erst einleitenden Klagezustellung in der Schleifmühlgasse 21 noch eine Abgabestelle im Sinn des § 4 ZustG bestand. Das ist der Ort, an dem das Schriftstück dem Empfänger zugestellt werden kann, also die Wohnung, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum usw.
Das Berufungsgericht hat für den Obersten Gerichtshof bindend festgestellt (vgl. EvBl 1988/22), daß nicht mit Sicherheit feststeht, ob im Zeitpunkt der versuchten Zustellung der Klage noch ein zu ihrer Empfangnahme befugter Vertreter der beklagten Partei seine Abgabestelle in der Schleifmühlgasse 21 hatte. Es kann deshalb nicht von der Annahme ausgegangen werden, daß sich ein im Sinn des § 18 Abs 4 GmbHG zeichnungsberechtigter Vertreter der beklagten Partei, insbesondere deren Geschäftsführer Corrado G***, noch regelmäßig an dem im Handelsregister eingetragenen Sitz der beklagten Partei aufgehalten hat. Dies wäre aber gemäß § 17 Abs 1 ZustG ("..... hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 regelmäßig in der Abgabestelle aufhält .....") für eine wirksame Zustellung notwendig. Der Umstand, daß die beklagte Partei dem Handelsregister eine Änderung ihres Sitzes nicht gemeldet hat, ist von vorneherein unerheblich. In der Entscheidung EvBl 1988/22 hat der Oberste Gerichtshof in diesem Sinne die nunmehr von der Rekurswerberin vertretene Ansicht, die Betriebsstätte sei auch dann eine taugliche Abgabestelle, wenn sich der Empfänger - der Vertreter gemäß § 13 Abs 3 ZustG - dort nicht regelmäßig aufhalte, ausdrücklich als verfehlt bezeichnet. In dieser Entscheidung führte der Oberste Gerichtshof auch aus, daß der Empfänger - sein Vertreter - nicht unter der Sanktion, sonst eine erfolgte Zustellung gegen sich gelten lassen zu müssen, verpflichtet sei, einen Nachsendeauftrag im Sinne des § 205 PostO zu erteilen. Die Regelung des § 18 ZustG sehe nur vor, daß eine Nachsendung an eine allenfalls andere inländische Abgabestelle zu erfolgen habe, wenn sich der Empfänger nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte und eine Zustellung an diese daher nicht zulässig sei; dabei seien die Organe der Post an die diesbezüglichen postrechtlichen Vorschriften (§ 204 ff PostO) gebunden. Daraus, daß der Empfänger nach § 205 PostO bei seinem bisherigen Abgabepostamt die Nachsendung der für ihn einlangenden Postsendung verlangen könne, ließe sich aber nicht auf eine Pflicht zu dieser Vorsorge und schon gar nicht darauf schließen, daß sonst trotz einer längere Zeit währenden Abwesenheit des Empfängers von der Abgabestelle dort eine Zustellung wirksam erfolgen könne. Aus der Vorschrift des § 18 ZustG ergebe sich ebenfalls, daß die Zustellung an einen Empfänger, der sich nicht regelmäßig an der Abgabestelle, also etwa der Betriebsstätte, aufhalte, nicht stattfinden könne.
Da somit im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Zustellung durch Hinterlegung der zuzustellenden Klage nicht gegeben waren und auch in der Folge eine Sanierung des solcherart gegebenen Zustellmangels im Sinn des § 7 ZustG nicht erfolgte, ist die berufungsgerichtliche Entscheidung frei von Rechtsirrtum. Die Frage, ob in jeder Klage gegen eine Personen- oder Kapitalgesellschaft des Handelsrechtes, für die noch kein Bevollmächtigter ausgewiesen ist, auch jene Personen angeführt werden müssen, an welche die Zustellung der Klage zu bewirken sein wird - in der Entscheidung 4 Ob 68/78 wurde sie unter Anführung von Lehre und Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt zwischenzeitigen Vertreterwechsels im Zweifel verneint -, kann für diesen Fall unerörtert bleiben.
Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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