European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00601.840.0911.000
Spruch:
Beiden Revisionsrekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Revisionsrekursbeantwortung des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
Beide Streitteile haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.
Begründung:
Die am 6. 8. 1977 geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. 6. 1982, AZ 5 Cg 49/81, aus beiderseitigem Verschulden geschieden.
Die Antragstellerin stellte am 5. 10. 1982 beim Erstgericht den Antrag, dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung in der Höhe von 150.000 S aufzuerlegen. Die Ehewohnung laute auf den Antragsgegner. Es handle sich um eine Genossenschaftswohnung, die im Zeitpunkt der Eheschließung nur teilweise eingerichtet gewesen sei. Die Antragstellerin habe aus einem Bausparvertrag einen Betrag von 50.000 S in die Wohnung investiert; ferner seien während der Ehe zahlreiche Investitionen und Anschaffungen getätigt worden. Von einem aufgelösten Prämiensparbuch mit einer Einlage von 30.000 S habe die Antragstellerin einen Betrag von 10.000 S verwendet, um ein überzogenes Konto des Antragsgegners abzudecken. Den Rest habe sie ebenfalls für die Einrichtung der Wohnung verwendet. Im Jahr 1978 sei ein PKW um 92.000 S gekauft worden, der auf den Antragsgegner zugelassen worden sei. Zur Anschaffung dieses Fahrzeugs sei ein Kredit von ca 70.000 S aufgenommen worden, auf welchen die Antragstellerin allein ca 32.000 S zurückgezahlt habe. Nach der Scheidung habe sich die Antragstellerin eine neue Wohnung anschaffen müssen; im Hinblick auf die fehlenden Mittel habe sie zwischenzeitig nur ein 32 m 2 große Wohnung mieten können.
Der Antragsgegner begehrte die Abweisung des Antrags der Antragstellerin im Wesentlichem mit der Begründung, dass bei den während der Ehe angeschafften Vermögenswerten ein Überhang zu Lasten der Antragstellerin bestehe. Diese habe bei ihrem Auszug aus der Ehewohnung Einrichtungsgegenstände im Wert von rund 60.000 S mitgenommen und während der Ehe mindestens 130.000 S erspart, der Antragsgegner hingegen nur 4.000 S. Unter diesen Umständen habe die Antragstellerin keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.
Das Erstgericht trug dem Antragsgegner die Leistung einer Ausgleichszahlung von 80.000 S binnen 2 Monaten auf; das Mehrbegehren der Antragstellerin auf Zahlung eines weiteren Betrags von 70.000 S wies es ab.
Diese Entscheidung wurde von beiden Streitteilen mit Rekurs bekämpft.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht beiden Rechtsmitteln keine Folge; es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richten sich die Revisionsrekurse beider Streitteile. Die Antragstellerin bekämpft sie mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne der vollinhaltlichen Stattgebung ihres Begehrens abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Der Antragsgegner bekämpft die Entscheidung des Rekursgerichts insoweit, als der Antragstellerin eine 49.000 S übersteigende Ausgleichszahlung zugesprochen wurde, mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss in diesem Umfang im Sinne der Abweisung des Begehrens der Antragstellerin abzuändern.
Beide Streitteile haben Rekursbeantwortungen mit dem Antrag erstattet, dem Rechtsmittel des Gegners nicht Folge zu geben.
Die Rekursbeantwortung des Antragsgegners ist allerdings verspätet. Die Frist zu ihrer Einbringung betrug gemäß § 231 Abs 2 AußStrG 14 Tage nach Zustellung der Rechtsmittelschrift. Der Revisionsrekurs der Antragstellerin wurde dem Antragsgegner am 29. 6. 1984 zugestellt, seine Rekursbeantwortung aber erst am 25. 7. 1984 zur Post gegeben. Sie war daher als verspätet zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurse beider Streitteile sind iSd § 232 Abs 1 AußStrG zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.
Die Vorinstanzen gingen im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Die Antragstellerin bezog im Zeitraum von August 1977 bis August 1982 ein Einkommen von 747.385 S, der Antragsgegner im gleichen Zeitraum ein solches von 640.265 S.
Die Antragstellerin gab anlässlich der Eheschließung ihre frühere Wohnung auf und zog zum Antragsgegner; dieser war und ist der Hauptmieter der Ehewohnung. Die Wirtschaftsgemeinschaft der Streitteile dauerte bis Oktober 1981. Sie lebten zwar auch noch nachher bis September 1982 in der Ehewohnung, wirtschafteten aber in diesem Zeitraum getrennt. Die fixen Wohnungskosten (Miete, Strom, Gas, ORF‑Gebühren und überwiegend die Telefonspesen) wurden während der gesamten Dauer des Zusammenlebens vom Antragsgegner bezahlt. Die weiteren Lebenshaltungskosten (Kosten für Lebensmittel, Putzmittel etc, sowie die Anschaffung von Kleidung und Wäsche) wurden überwiegend von der Antragstellerin finanziert; der Antragsgegner bezahlte nur vereinzelt kleinere Einkäufe aus seinem Einkommen.
Die Antragstellerin hatte zur Zeit der Eheschließung Ersparnisse von 66.000 S; außerdem erhielt sie für einen Teil ihrer Möbel 8.000 S. Davon verwendete sie 10.000 S zur teilweisen Abdeckung des überzogenen Gehaltskontos des Antragsgegners, den restlichen Betrag verwendete sie für Investitionen in die Ehewohnung und zur Anschaffung von Kleidung. Der Antragsgegner hatte bei der Eheschließung Kreditschulden aus der Zeit seiner ersten Ehe, die von ihm bis 1980 in monatlichen Raten von 1.089 S teilweise abgedeckt wurden; den Rest deckte er dann aus dem Erbteil nach seinem Vater ab. Im Lauf des Jahres 1978 erhielt der Antragsgegner von seinem Vater einen Ausstattungsbetrag von 20.000 S und einen Betrag von 3.000 S als Zuschuss für die Herstellung einer Zimmerdecke.
1978 kaufte der Antragsgegner einen PKW um 92.000 S, der sich auch bei der Ehescheidung in seinem Besitz befand. Der Kaufpreis wurde teilweise (mit einem Betrag von 20.000 S) durch den Verkauf des alten PKW, teilweise durch Aufnahme eines Kredits von 75.000 S gedeckt, auf den die Antragstellerin allein 32.000 S zurückzahlte. Die laufenden Kosten des PKW wurden bis 1980 von den Parteien gemeinsam getragen; ab 1980 trug sie der Antragsgegner allein.
Der Antragsgegner verfügte im Zeitpunkt der Scheidung nur über ein Sparguthaben von 4.000 S und über Wertpapiere aus dem Nachlass seines Vaters. Die Antragstellerin zog im September 1982 aus der Ehewohnung aus, wobei sie die von ihr in die Ehe eingebrachten Möbel und einen Teil der während der Ehe von ihr gekauften Einrichtungs‑ und Hausratsgegenstände mitnahm. Zur Anschaffung einer Mietwohnung musste sie einen Gehaltsvorschuss von 49.000 S aufnehmen.
Die Streitteile haben während der Ehe Einrichtungsgegenstände um insgesamt 160.000 S erworben. Davon stammten rund 75.000 S aus den Mitteln der Antragstellerin und rund 85.000 S aus den Mitteln des Antragsgegners. Von den von der Antragstellerin erworbenen Fahrnissen verblieben solche im Wert von rund 15.000 S im Besitz des Antragsgegners, während im Übrigen jeder Teil die von ihm gekauften Sachen in seiner Verfügung hat.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, dass er die Zuerkennung einer Ausgleichszahlung von 80.000 S an die Antragstellerin rechtfertige; ihr Mehrbegehren sei abzuweisen.
Das Rekursgericht führte rechtlich im Wesentlichen aus, gemäß § 83 Abs 1 EheG sei die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens nach Billigkeit vorzunehmen, wobei insbesondere Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens zu berücksichtigen sei. Soweit sich ein billiger Ausgleich zwischen den Ehegatten durch die Zuteilung von Gegenständen des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nicht erzielen lasse, sei einem Ehegatten eine billige Ausgleichszahlung an den anderen aufzuerlegen. Besonders dann, wenn ein Ehegatte die Wohnung behalte, sei es geboten, dass er den anderen durch eine Geldzahlung bei der Beschaffung einer Wohnung unterstütze. Es sei gleichsam nach Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse ein Schlussstrich zu ziehen und zu prüfen, ob die Aufteilung, auch im gesamten gesehen, billig sei. Eine allenfalls noch bestehende Unbilligkeit sei nach § 94 Abs 1 EheG durch Auferlegung einer Geldzahlung auszugleichen. Für ihre Bemessung seien nicht nur die Ergebnisse der – realen Aufteilung – des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse maßgebend; sie müsse vielmehr erforderlich scheinen, um den Aufteilungsgrundsätzen des § 83 EheG im besonderen Fall entsprechen zu können.
Gehe man im vorliegenden Fall davon aus, dass die Antragstellerin bei der Eheschließung ihre Wohnung aufgegeben habe und nunmehr für die Beschaffung einer neuen Wohnung 49.000 S aufwenden habe müssen, dass von den während der Ehe angeschafften Einrichtungsgegenständen mehr dem Antragsgegner verblieben seien, dem auch die sonstigen Adaptierungen in der Ehewohnung zugute gekommen seien und dass schließlich der im Jahr 1978 gekaufte PKW dem Antragsgegner verblieben sei, dann entspreche die dem Antragsgegner auferlegte Ausgleichszahlung von 80.000 S den Grundsätzen der Billigkeit. Es dürfe auch nicht übersehen werden, dass die Antragstellerin während der Ehe um rund 100.000 S mehr als der Antragsgegner verdient habe und dieser in der Lage gewesen sei, während der Ehe Schulden in der Höhe von rund 40.000 S aus dem laufenden Einkommen zurückzuzahlen und dass die Antragstellerin ein überzogenes Konto des Antragsgegners in der Höhe von 10.000 S abgedeckt habe. Die Ausgleichszahlung von 80.000 S erscheine erforderlich, um einen billigen Ausgleich herbeizuführen; eine höhere Ausgleichszahlung sei dem Antragsgegner wirtschaftlich im Hinblick auf sein eher unterdurchschnittliches Einkommen nicht zumutbar.
Die Antragstellerin versucht in ihrem Revisionsrekurs darzutun, dass ihr eine Ausgleichszahlung in der Höhe von 150.000 S gebühre; dem gegenüber stellt sich der Antragsgegner in seinem Rechtsmittel auf den Standpunkt, dass er der Antragstellerin nur eine Ausgleichszahlung von 49.000 S zu leisten habe.
Wegen des engen sachlichen Zusammenhangs kann zu beiden Rechtsmitteln gleichzeitig Stellung genommen werden.
Wenn die geschiedenen Ehegatten das ehelichen Gebrauchsvermögen und die ehelichen Ersparnisse real geteilt haben, damit aber eine Aufteilung nach den Grundsätzen der §§ 83 ff EheG nicht erzielt werden konnte, ist es zulässig, das Gericht auch bloß zur Entscheidung über eine zu leistende Ausgleichszahlung nach § 94 EheG anzurufen (SZ 53/125).
Bei der Bemessung einer Ausgleichszahlung nach dieser Gesetzesstelle ist nach den Grundsätzen der Billigkeit vorzugehen. Welche Billigkeitserwägungen hiebei zu beachten sind, kann den im § 83 Abs 1 EheG angeführten Aufteilungsgrundsätzen entnommen werden (7 Ob 524/81; 3 Ob 552/81; 8 Ob 524/84 ua). Nach diesen Grundsätzen hat die Aufteilung nicht streng rechnerisch nach dem Wert des Vermögens zu erfolgen; hiebei sind auch die Erfordernisse der zukünftigen Lebensführung der Ehegatten zu berücksichtigen, sodass jeder Ehegatte – ähnlich wie der Anerbe – wohl bestehen kann (EvBl 1981/71 ua). Der gleiche Grundsatz muss auch bei der Bemessung einer Ausgleichszahlung gelten. Insbesondere entspricht es bei Überlassung der Ehewohnung an einen Ehegatten einem Gebot der Billigkeit, dass der Ehegatte, der die Ehewohnung behält, durch eine ihm billigerweise zuzumutende Geldzahlung den anderen bei der Beschaffung einer neuen Wohnung unterstützt (JAB 916 BlgNR 14. GP 19; SZ 53/125; 5 Ob 770/81; 3 Ob 552/81; 8 Ob 524/84 ua).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist in den Entscheidungen der Vorinstanzen ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Antragsgegner nichtp nur bei der von den Ehegatten getroffenen realen Regelung der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens wertmäßig gegenüber der Antragstellerin begünstigt wurde, sondern auch dadurch gegenüber der Antragstellerin bevorzugt erscheint, dass ihm die Ehewohnung verblieb, während die Antragstellerin gezwungen war, sich eine neue Wohnung zu suchen. Im Sinne obiger Rechtsausführungen ist unter diesen Umständen gemäß § 94 EheG die Leistung einer Ausgleichszahlung durch den Antragsgegner geboten. Zieht man Gewicht und Umfang des sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergebenden Beitrags jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und zur Ansammlung der ehelichen Ersparnisse in Betracht und berücksichtigt man ferner, dass im Hinblick auf die eher bescheidenen Einkommensverhältnisse des Antragsgegners die Ausgleichszahlung, will man nicht die Erfordernisse seiner künftigen Lebensführung gefährden, kein für ihn unerschwingliches Ausmaß erreichen darf, dann erscheint es im Hinblick auf die im vorliegenden Fall gegebenen Umstände durchaus dem im § 94 EheG erwähnten Grundsatz der Billigkeit entsprechend, wenn die Vorinstanzen dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung von 80.000 S auferlegten und das Mehrbegehren der Antragstellerin abwiesen.
Es musste daher den Revisionsrekursen beider Streitteile ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 234 AußStrG.
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