OGH 8Ob596/91

OGH8Ob596/9129.8.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Graf, Dr.Jelinek und Dr.Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache der *****1980 geborenen mj Madeleine H*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Gerhard H*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 26.April 1991, GZ 43 R 199/91-49, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 19.Feber 1991, GZ 3 P 124/89-46, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. In Abänderung der Rekursentscheidung wird die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt.

Text

Begründung

Die Minderjährige stammt aus der am 12.5.1978 geschlossenen und am 9.7.1985 gemäß § 55 a EheG geschiedenen Ehe des G***** und der I*****. Der in einer Rechtsanwaltskanzlei berufstätigen Mutter steht die Obsorge über die Minderjährige zu. Der Vater ist zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.000 für das Kind verpflichtet. Eine Besuchsrechtsregelung wurde anläßlich der Ehescheidung vorbehalten. Zwischen Vater und Tochter fanden nach der Scheidung einvernehmlich enge und zahlreiche Besuchskontakte statt. Seit März 1989 kam es über Veranlassung der Mutter, die seither jeglichen Kontakt des Kindes mit dem Vater ablehnt, nicht mehr zu einem Besuch des Vaters.

Der Vater beantragte beim Erstgericht die Einräumung eines Besuchsrechts an jedem ersten und dritten Wochenende des Monats, jeweils von Samstag 14 Uhr bis Sonntag 18 Uhr. Die Mutter trat dem Antrag mit der Behauptung entgegen, das Kind lehne die Besuche des Vaters ab, seit sie ihm mitgeteilt habe, daß der Vater an der schlechten persönlichen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Lage der Mutter nach der Ehescheidung und zufolge Vernachlässigung der Unterhaltszahlungen für das Kind Schuld trage.

Das Erstgericht erkannte nach Vernehmung der Eltern und der Minderjährigen sowie Einholung eines psychologischen Gutachtens - eine Stellungnahme des Jugendwohlfahrtsträgers scheiterte an der Mitwirkung der Mutter und damit des Kindes - dem Vater ein Besuchsrecht an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat von 9 Uhr bis 18 Uhr zu. Es erachtete das Wohl der Minderjährigen, die ihren Vater vor dem Abbruch der Besuchsbeziehungen geradezu "vergöttert" habe, durch die Besuchsrechtsausübung des Vaters nicht als gefährdet, weil die nach dem psychologischen Gutachten als Grund für die Ablehnung von Besuchskontakten angeführten "Widerstände des Kindes, deren Überwindung mit dem Kindeswohl nicht vereinbar sei", von den durch die starken Spannungen zwischen den Eltern ausgehenden Belastungen herrührten, denen das Kind durch die Ablehnung des Besuchskontaktes mit dem Vater auszuweichen trachte. Die Minderjährige zeige noch eine kindliche Abhängigkeit und ein Bedürfnis nach Rückhalt in der Familie, das durch die unverhüllte und geradezu beabsichtigte Konfrontation mit den von der Mutter auf das Verschulden des Vaters zurückgeführten mütterlichen Problemen frustriert werde. In seiner rechtlichen Beurteilung gründete das Erstgericht das dem Vater gegen die Empfehlung des psychologischen Gutachtens, zuerkannte Besuchsrecht auf dessen Grundrecht auf persönlichen Kontakt mit seinem Kind. Die ablehnende Stellungnahme des unmündigen Kindes hielt es ebensowenig für beachtlich, wie die erst Jahre nach der Ehescheidung eingenommene, bloß auf nacheheliche Konflikte zurückzuführende, völlig unversöhnliche ablehnende Haltung der Mutter zu jeglichen Besuchskontakten des Vaters. Nahezu alle vor Gericht ausgetragenen Besuchsrechtsauseinandersetzungen seien konfliktbeladen. Die mit dem hier zuerkannten Besuchsrecht verbundenen Konflikte der Minderjährigen reichten über das zu tolerierende Ausmaß der Beeinträchtigung der Familiensituation des Kindes nicht hinaus. Überdies würde bis zur Rechtskraft der erstgerichtlichen Entscheidung die von der Psychologin empfohlene Aussetzung des Besuchsrechts praktisch ohnedies weitgehend eingetreten sein.

Das Rekursgericht änderte infolge Rekurses der Mutter die Entscheidung des Erstgerichtes in eine vollständige Abweisung des Besuchsrechtsantrages ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig. Es beurteilte die fachpsychologische Begutachtung, "für ein Besuchsrecht des Vaters müßten starke Widerstände seitens des Kindes überwunden werden, was mit dem Kindeswohl nicht vereinbar sei", als konkrete Gefährdung des Kindeswohls und hielt demnach derzeit ein Besuchsrecht des Vaters für ungerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig, weil in der angefochtenen Entscheidung über das Grundrecht des Vaters auf persönlichen Kontakt mit seinem Kind und über das mit dem persönlichen Kontakt zu seinem Vater verbundene Wohl des Kindes, somit über wesentliche Rechtsfragen im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG in Abweichung zu zahlreichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (siehe nur EfSlg 56.614, 56.618, 56.623, 56.628, 56.665, 56.666 uva) entschieden wurde. Er ist auch berechtigt.

Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, ist das Recht des nicht obsorgeberechtigten Elternteiles, mit dem Kind persönlich zu verkehren (das sogenannte "Besuchsrecht" gemäß § 148 Abs 1 ABGB) ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung, daher ein unter dem Schutz des Art 8 MRK stehendes allgemein anzuerkennendes Menschenrecht (EFSlg 56.616 uva; Pichler in Rummel ABGB2 Rz 1 zu § 148). Das Besuchsrecht soll die - im vorliegenden Fall noch lange Zeit nach der Ehescheidung der Eltern vor dem Besuchsrechtsverfahren bestandene - Verbundenheit zwischen dem Kind und dem nicht obsorgeberechtigten Elternteil herstellen oder bewahren (EFSlg 56.619 ua). Eigeninteressen, aber auch nacheheliche Konflikte der Eltern haben dabei zurückzutreten, vielmehr ist der obsorgeberechtigte Elternteil dem Kind gegenüber zu dessen Wohl bei der Vorbereitung und Durchführung des Besuchsrechts des anderen Elternteiles verpflichtet, das Kind unter Vermeidung jeglicher negativer Beeinflussung bestmöglich auf diese Kontakte vorzubereiten und mit ihm die Kontakte sodann auch unter Bedachtnahme auf das Kindeswohl zu verarbeiten. Selbst wenn man nicht von den aktenkundigen schriftlichen und zu Protokoll gegebenen Depositionen des Vaters (in ON 27, insbesondere 34, 36, 42) über das diesbezügliche Verhalten der Mutter ausgeht, ist doch den maßgeblichen Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu entnehmen, daß die Mutter im vorliegenden Fall im strittigen Zeitraum diesen Pflichten in keiner Weise nachgekommen ist, sondern im Gegenteil durch beeinflussende Aufklärung des Kindes über die angebliche Schuld des Vaters an ihrem gesamten Lebensleid so stark gegen den - wie erwähnt vormals auch noch nach der Scheidung vom Kind "vergötterten" - Vater einzunehmen verstand, daß es nunmehr sogar jeglichen Kontakt mit dem Vater ablehnt. Zwar kommt der Meinung und der Stellungnahme eines unmündigen Kindes in der Besuchsrechtsfrage ohnehin keine entscheidende Bedeutung zu (EFSlg 56.641 ua), doch stellt sich bei einer auf negative Beeinflussung zurückzuführenden Kontaktablehnung die zum Wohl des Kindes vom Gesetz geforderte persönliche Kontaktregelung jedenfalls schwieriger als sonst dar. Im Verfahren ist nicht hervorgekommen oder behauptet worden, daß irgendein dem Wohl des Kindes abträglicher Zustand auf ein Verhalten des Vaters aus Anlaß oder bei der versuchten Ausübung des Besuchsrechtes zurückzuführen wäre. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß die negative Einstellung des Kindes gegenüber dem Vater, die von der psychologischen Sachverständigen zum Anlaß für die Empfehlung der Besuchsrechtsaussetzung auf die Dauer von zwei Jahren genommen wurde, allein auf das uneinsichtige und auf das Kind einflußreiche Verhalten der Mutter gegenüber dem Vater zurückzuführen ist. Es findet sich auch keine Feststellungsgrundlage für die Annahme, daß durch ein Besuchsrecht des Vaters die Beziehungen des Kindes zu seiner Mutter (ohne deren entsprechendes Zutun) unerträglich gestört würden, so daß ein Grund für eine Versagung des Besuchsrechtes gemäß § 148 Abs 1 zweiter Satz ABGB ebenfalls nicht vorliegt. Dem Erstgericht ist auch darin zu folgen, daß die Überwindung der von der Psychologin für den Fall der Besuchsrechtsgewährung und -durchsetzung angenommenen "Widerstände" grundsätzlich noch keine konkrete Gefährdung des Kindeswohls darstellen, die nach nahezu zweijähriger Besuchsunterbrechnung ein Besuchsrecht des Vaters unberechtigt erscheinen ließe. Es handelt sich dabei vielmehr um eine mit der gerichtlichen Besuchsrechtsdurchsetzung nahezu stets verbundene Konfliktsituation, in welche das Kind von der Mutter in Verletzung der oben dargestellten Pflichten gebracht wurde und aus der sie von der Mutter durch entsprechendes pflichtbewußtes Verhalten wieder herausgeführt werden kann. Die in diesem Zusammenhang - gleichsam zur Stützung ihres Rechtsstandpunktes - von der Mutter vorgenommene Berufung auf die Willensstärke und Unabhängigkeit der Minderjährigen in der Besuchsrechtsangelegenheit versagt allein vor dem Hintergrund, daß es an der Mutter liegt, die negative Beeinflussung gegenüber dem Vater abzubauen oder zumindest den Vater dem Kind neutral darzustellen. Nur wenn die tatsächliche Ausübung des Besuchsrechts beim Kind merkbare und nicht bloß vorübergehende, seinem Wohl daher abträgliche Auswirkungen zeitigen sollte, wäre das Besuchsrecht des Vaters vorübergehend zu untersagen (1 Ob 653, 654/90 ua).

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