Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin stützt ihre Scheidungsklage auf ein ehebrecherisches Verhältnis des Beklagten, wodurch die Ehe unheilbar zerrüttet worden sei.
Der Beklagte gestand das Klagevorbringen als richtig zu, stellte jedoch einen Mitverschuldensantrag, weil die Klägerin mit der "Eheführung zu dritt" einverstanden und zu seiner Lebensgefährtin sehr freundlich gewesen sei. Seit dem Jahre 1977 habe die Klägerin seine Kontakte zu den gemeinsamen sechs Kindern zu verhindern gewußt, auch habe sie den Haushalt extrem schlampig geführt und dadurch Eheverfehlungen begangen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und schied die Ehe der Streitteile aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten. Es stellte im wesentlichen fest:
Aus der im Jahre 1957 geschlossenen Ehe der Streitteile stammen sechs in den Jahren 1958 bis 1971 geborene Kinder. In den Jahren ab 1960 verbrachte die Familie ihre Sommerurlaube in Kärnten und wohnte im Hause der Eltern der Melitta P***. Im Jahre 1972 kam diese nach Wien und wohnte zunächst im Familienverband der Streitteile und sodann in einer für sie im gleichen Stockwerk adaptierten, von den Streitteilen an sie vermieteten Kleinwohnung. Im Sommer 1973 nahm der Beklagte zu Melitta P*** intime Beziehungen auf und hielt diese zunächst geheim. Er gab gegenüber der Klägerin nur zu, Melitta P*** einen Kuß gegeben zu haben. Die Klägerin wußte aber von diesen Beziehungen. In der Folge suchte der Beklagte Melitta P*** ein- bis zweimal in der Woche auf und hatte mit ihr Geschlechtsverkehr. Als die Klägerin den Beklagten im Februar 1977 um 5.00 Uhr früh aus der Wohnung der Melitta P*** kommen sah, stellte sie ihn zur Rede und es kam zu einer Auseinandersetzung, wobei der Beklagte nicht abstritt, daß er bei Melitta P*** war. In der Zeit von Februar 1977 bis September 1977 hatte der Beklagte sowohl mit der Klägerin als auch mit Melitta P*** Geschlechtsverkehr. Die Klägerin wußte von diesen Ehebrüchen, hoffte aber immer wieder, daß der Beklagte seine Beziehung zu Melitta P*** abbrechen werde. In dieser Zeit unternahmen die Streitteile und Melitta P*** gelegentlich gemeinsame Freizeitvergnügungen und es wurden die Mahlzeiten fallweise gemeinsam eingenommen. Die Klägerin stimmte dem allen auch unter Rücksichtnahme auf die gemeinsamen, noch minderjährigen Kinder zu. Im Sommer 1977 verbrachten die Streitteile das letzte Mal einen gemeinsamen Urlaub, im Juni 1977 hatten sie letztmalig sexuellen Kontakt. Im September 1977 kam es zwischen ihnen und Melitta P*** zu einer Unterredung, in deren Verlauf auch die älteste Tochter der Streitteile beigezogen wurde. Die Klägerin erklärte, daß sie die Dreierbeziehung nicht mehr mitmachen wolle. Zwei Tage nach dieser Unterredung zog der Beklagte in die Wohneinheit der Melitta P***. Er lebt seither mit dieser in Lebensgemeinschaft, unterhält also mit ihr weiterhin auch geschlechtliche Beziehungen. Im Herbst 1986 kam es über Initiative der Kinder der Streitteile zu einem Zusammentreffen, an welchem diese, alle Kinder sowie weitere Personen, darunter Melitta P***, teilnahmen. Es wurde versucht, eine außergerichtliche Regelung herbeizuführen, dem Beklagten vorgeschlagen, aus der Wohnung auszuziehen, die Klägerin sollte auf Unterhaltszahlungen verzichten. Der Beklagte meinte, er werde sich dieses Angebot überlegen, erklärte schließlich aber, nicht mehr mit der Familie zu sprechen und alles weitere schriftlich zu erlassen.
Schon von Anbeginn an hatte es zwischen den Streitteilen Differenzen, insbesondere verschiedene Auffassungen in bezug auf die Kindererziehung, gegeben. Der Beklagte hatte der Klägerin auch vorgeworfen, den Haushalt nicht ordentlich zu führen. Bis zum Tod ihrer Mutter im Jahre 1966 hatte sie eine Haushaltshilfe, die einmal wöchentlich half, den Boden reinigte und die Fenster putzte. Im Herbst 1966 wurde eine Waschmaschine angeschafft. Seit dem Jahre 1966 wurden laufend Adaptierungsarbeiten in der Wohnung der Streitteile durchgeführt, zunächst vom Beklagten und später von einem Sohn. Seit 1966 verrichtet die Klägerin den Haushalt ohne Haushaltshilfe. Er wurde von ihr nicht extrem schlampig geführt. Das Verhältnis der Klägerin zu Melitta P*** war anfangs mütterlich, entwickelte sich dann freundschaftlich, seit September 1977, also seit dem Auszug des Beklagten aus der gemeinsamen Ehewohnung, besteht zwischen der Klägerin und Melitta P*** kein Kontakt mehr. In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Erstgericht den von der Klägerin behaupteten Scheidungsgrund des Ehebruches gemäß § 47 Abs 1 EheG für gegeben, weil die Klägerin ihre zunächst mit Rücksicht auf die Kinder und in der Hoffnung, der Beklagte werde seine Beziehungen beenden, gegebene Zustimmung zu diesem Ehebruch jedenfalls im September 1977 widerrufen habe. Ein Mitverschulden der Klägerin an der Scheidung liege nicht vor, zumal einerseits die Geltendmachung der von ihr angeblich in den Jahren 1960 bis 1970 gesetzten Eheverfehlungen gemäß § 57 Abs 2 EheG wegen Verfristung jedenfalls unzulässig sei, sodaß sich diesbezügliche Feststellungen erübrigten und andererseits auch eine extrem schlampige Haushaltsführung durch die Klägerin schon im Hinblick auf die große Familie und die ständige Durchführung von Adaptierungsarbeiten in der Wohnung sowie den Umstand, daß die Klägerin in der Zeit von 1981 bis 1986 zusätzlich als Ordinationsgehilfin gearbeitet habe, nicht angenommen werden könne. Somit treffe den Beklagten das Alleinverschulden an der Ehescheidung.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als unbedenklich und hielt die Rechtsrüge des Beklagten nicht für gerechtfertigt. Entgegen dessen Ansicht könne der Umstand, daß die Klägerin gegen sein ehebrecherisches Verhältnis zunächst nichts unternommen habe, keinesfalls als Eheverfehlung ihrerseits angesehen werden. Es sei daraus auch nicht abzuleiten, daß sie das ehebrecherische Verhältnis gebilligt habe. Verfehlungen ihrerseits durch Aufhetzung der Kinder gegen den Beklagten seien nicht erwiesen. Berechtigte Mißstimmungen der Klägerin wegen seines Verhältnisses, die sich auch auf die Kinder übertragen konnten, stellten keine schwere Eheverfehlungen dar. Der Ansicht, eine ursprüngliche Zustimmung zum Ehebruch könne nicht mehr widerrufen werden, sei entgegenzuhalten, daß die Klägerin eine solche Zustimmung gar nicht gegeben, sondern zunächst ein zur vermeintlichen Eherettung gedachtes, zurückhaltendes Verhalten an den Tag gelegt habe und erst mangels Erfolges schärfer aufgetreten sei. Der Beklagte habe daher entgegen dem Willen der Klägerin die Ehe der Streitteile fortgesetzt gebrochen, ein Mitverschulden ihrerseits liege nicht vor.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhebt der Beklagte eine auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klageabweisung, in eventu auf Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin oder aus gleichteiligem Verschulden. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Revisionswerber bringt vor, die Vorinstanzen hätten Feststellungen darüber unterlassen, daß die Klägerin durch aktives Handeln die gemeinsamen Kinder der Streitteile gegen den Beklagten aufgebracht und den Kindern Kontakte zu ihm verboten habe. Die Ansicht, eine Zustimmung zum Ehebruch sei einseitig widerruflich, erscheine jedenfalls verfehlt. Eine solche Zustimmung habe zur Folge, daß der Scheidungsgrund des Ehebruches verwirkt sei, zumal § 47 Abs 2 EheG im Verhältnis zu § 47 Abs 1 EheG eine Spezialnorm darstelle. Auf andere Scheidungsgründe habe sich die Klägerin nicht gestützt, und der Beklagte habe auch keine begangen. Die einmal gegebene Zustimmung zum Ehebruch könne bestenfalls dann zurückgezogen werden, wenn wesentliche und gravierende Umstände dafür sprächen. Da der Beklagte mit der Klägerin ohnehin den einmal wöchentlich von ihr verlangten Geschlechtsverkehr durchgeführt habe, könne sie sich nicht beschwert erachten; der Widerruf der Zustimmung zum Ehebruch sei daher rechtswidrig. Zufolge Verwirkung des Scheidungsanspruches und zwar auch gemäß § 57 Abs 1 EheG zufolge Ablaufes der 6-Monate-Frist, sei die Klage demnach abzuweisen. Geschlechtliche Beziehungen des Beklagten zu Melitta P*** nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft der Streitteile seien nicht festgestellt worden. Ein Mitverschuldensantrag könne auch auf mehr als zehn Jahre zurückliegende Scheidungsgründe gestützt werden. Da die Klägerin den Kontakt der Kinder zum Beklagten unterbunden habe und weiterhin unterbinde, sei ihr eine schwere Eheverfehlungen anzulasten. Die schlampige Haushaltsführung habe sich im Jahr 1977 abgespielt, und der Mitverschuldensantrag sei ohnehin im Jahre 1987 gestellt worden.
Rechtliche Beurteilung
Den Ausführungen des Revisionswerbers kann nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat sich im Rahmen seiner Beweiswürdigung (Seite 3 der Entscheidung) ausdrücklich mit der Frage des "Aufbringens der Kinder" durch die Mutter gegen den Vater auseinandergesetzt, zugrundegelegt, daß ein solches Verhalten der Klägerin nicht erwiesen sei (Seite 7 der Entscheidung) und darüberhinaus hilfsweise hiezu aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Beklagten auch noch zutreffende rechtliche Erwägungen angestellt (Seite 7 der Entscheidung). Der behauptete Feststellungsmangel liegt daher nicht vor.
Im übrigen geht der Revisionswerber in seiner Rechtsrüge überwiegend nicht von den vorinstanzlichen, für den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen aus. Die Revision ist daher insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt und unbeachtlich. Dies gilt zunächst für die behauptete Eheverfehlung extrem schlampiger Haushaltsführung, denn eine solche wurde ausdrücklich als nicht erwiesen angenommen, und das ebenfalls nicht erwiesene, angebliche Fehlverhalten der Klägerin gegenüber den gemeinsamen Kindern. Insbesondere verläßt der Revisionswerber aber auch die Feststellungsgrundlage, wenn er behauptet, geschlechtliche Beziehungen seinerseits zu Melitta P*** auch nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft der Streitteile seien nicht festgestellt worden. Das Erstgericht stellte ausdrücklich fest (Seite 6 der Entscheidung), daß der Beklagte seit seinem Auszug aus der Ehewohung mit Melitta P*** in Lebensgemeinschaft lebt und mit ihr nach wie vor Geschlechtsbeziehungen unterhält. Auch diese Feststellung wurde vom Berufungsgericht übernommen (Seite 5 seiner Entscheidung). Somit ist bei der rechtlichen Beurteilung des auf § 47 Abs 1 EheG gestützten Klagebegehrens davon auszugehen, daß der Beklagte nicht nur seit dem Jahre 1973 bis zu seinem Auszug aus der Ehewohnung, sondern nach wie vor und damit selbst in den letzten sechs Monaten vor Klageeinbringung (siehe § 57 Abs 1 EheG und die Ausnahmeregelung des Satzes 3 über den Fristenlauf bei Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft) mit Melitta P*** ehebrecherische Beziehungen unterhält. Ein Anwendungsfall des § 57 Abs 2 EheG ist daher keinesfalls gegeben.
Auch die Rechtsansicht des Revisionswerbers, die Klägerin könne den Scheidungsgrund des Ehebruches nicht mehr geltend machen, weil sie diesen Scheidungsgrund durch eine seinerzeitige Zustimmung zum Ehebruch verwirkt habe, ist verfehlt.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen (5 Ob 622, 623/82 = EFSlg 41.174; 6 Ob 558/88; 8 Ob 602/88 ua), daß eine Vereinbarung sexueller Freiheit zwar, solange sie besteht, im Hinblick auf § 47 Abs 2 EheG von rechtlicher Relevanz ist, daß eine solche Vereinbarung jedoch als dem Wesen der Ehe widersprechend jederzeit einseitig mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann.
Selbst wenn hier unterstellt würde, die Klägerin habe das ehebrecherische Verhältnis des Beklagten zu Melitta P*** zunächst im Sinne des § 47 Abs 2 EheG gebilligt, stünde dies ihrem Scheidungsbegehren nicht entgegen, zumal sie sich jedenfalls seit dem Jahre 1977 ausdrücklich und konstant gegen dieses Verhältnis wendete.
Von einer Verwirkung des Scheidungsrechtes der Klägerin kann daher nicht die Rede sein. Da Eheverfehlungen ihrerseits nicht erwiesen sind, wurde die Ehe der Streitteile zu Recht aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten geschieden.
Demgemäß war der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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